Erinnerungen an den NSU werden wach

Nichts gelernt aus dem Versagen

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Naziaufmarsch am 06.08.2011 in Bad Nenndorf
Naziaufmarsch am 06.08.2011 in Bad Nenndorf

BERLIN. (hpd) Nach aktuellen Medienberichten wurden mehr als 450 Haftbefehle gegen 372 rechtsmotivierte Straftäter durch die Behörden nicht vollstreckt. Die deutsche Polizei nimmt damit in Kauf, dass sich – wie seinerzeit der Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) – wieder rechte Straftäter in den Untergrund begeben.

Während die Öffentlichkeit auf die Vorgänge in Köln schaut und sich mit Muslimen, Flüchtlingen und "dem Islam" befasst und der Zentralrat der Muslime seine Telefone wegen eingehender Hetzanrufe abschalten musste, veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung gestern diese Zahlen unter Berufung auf Angaben der Bundesregierung. Grund dafür war eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Irene Mihalic. Danach “waren zum Stichtag 15. September 2015 mehr als 450 Haftbefehle gegen 372 rechtsmotivierte Straftäter nicht vollstreckt worden.” Stefan Braun analysiert in seinem Artikel zu Recht: “Das bedeutet: Entweder werden diese Personen nicht verhaftet, obwohl die Polizei weiß, wo sie sich befinden. Oder diese Verbrecher entziehen sich einer Verhaftung, weil sie untergetaucht sind.”

Mihalic, die erst vor wenigen Wochen im Bundestag einen zweiten Untersuchungsausschuss zur NSU-Geschichte ins Leben gerufen hat, sagte der Zeitung: “Ich habe die große Sorge, dass Neonazis im Untergrund schwerste Verbrechen begehen, und wir es wieder nicht mitbekommen.” Der NSU, dem mehr als 200 Unterstützer das Leben im Untergrund für fast 10 Jahre ermöglichten, hat in dieser Zeit mehrere Morde und terroristische Anschläge begangen. Diese Gefahr besteht auch für einen Teil der rechtsmotivierten Straftäter, die sich dem Zugriff der Polizei entziehen.

In den sozialen Netzwerken wird darüber spekuliert, ob die Polizei auch in diesem Fällen die Straftäter deckt, ähnliche Vermutungen ergeben sich bei der Aufarbeitung der NSU-Verbrechen im Rahmen des Gerichtsprozesses in München. Erinnert sei nur an die Rolle der V-Leute des Bundesnachrichtendienstes (BND), die zum Aufbau des Netzwerkes beitrug, das die Verbrechen des NSU erst ermöglichte.

Waren es laut Bundesregierung im Jahr 2012 noch etwa 110 Neonazis, die zwar verurteilt wurden, aber ihre Haft nicht antraten, stieg die Zahl im Jahr 2013 bereits auf 266 Personen. 2014 lag sie dann schließlich bei 268, ehe sie laut des aktuellen Berichtes noch einmal um rund 30 Prozent zunahm.