Frauenrechtlerinnen appellieren: Taliban nicht als Regierung anerkennen

"Afghanistan braucht eine säkulare Regierung"

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Nach der Machtübernahme der Taliban werden Mädchen wieder von den Schulen verbannt
Jungen und Mädchen lernten zuletzt gemeinsam in Afghanistan

Nach der Machtübernahme der Taliban müssen viele Menschen in Afghanistan um ihr Leben fürchten. Säkulare und Homosexuelle werden mit dem Tod bedroht, Mädchen und Frauen von Schule, Beruf und Universität verbannt, sonst drohen ihnen barbarische Strafen. Sie sind die ersten Opfer der Islamisten, beklagt die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM).

In einem Pressegespräch der IGFM und des Internationalen Komitees gegen die Steinigung riefen Aktivistinnen nun dazu auf, ein Netzwerk aufzubauen, um Frauen und Mädchen in Lebensgefahr aus Afghanistan in sichere Länder zu bringen. Sie appellierten außerdem an die Weltöffentlichkeit, die Taliban nicht als Regierung anzuerkennen. Ihren Aufruf haben rund 400 Frauenrechtlerinnen und Institutionen unterzeichnet.

"Wir dürfen nicht den gleiche Fehler machen wie nach der Revolution im Iran", betonte hierzu die Wirtschaftswissenschaftlerin Hourvash Pourkian und übte scharfe Kritik am Verhandlungskurs von Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD). Dialog schön und gut – "aber doch nicht mit Terroristen!", so ihr engagiertes Statement. In Afghanistan würden die Menschen "regelrecht geschlachtet".

Was es bedeutet, unter einem islamistischen Regime zu leben, hat die gebürtige Iranerin Mina Ahadi am eigenen Leib erfahren. Als verfolgte Oppositionelle musste sie Anfang der 1980er Jahre aus dem Land fliehen. Heute engagiert sie sich für Menschenrechte, ist Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime und des Internationalen Komitees gegen Steinigung. Ahadi steht derzeit in regem Kontakt mit bedrohten Menschen in Afghanistan. Etwa mit einer Professorin, die nach sechs Jahren Lehrtätigkeit um ihr Leben fürchtet, weil gebildete berufstätige Frauen den neuen Machthabern ein Dorn im Auge sind. Andere berichten von Morden an Polizistinnen und Moderatorinnen; sie klammern sich an die Hoffnung, mit ihren Kindern ins sichere Ausland zu flüchten.

Steinigung, Hinrichtung, barbarische Verstümmelungen – solche Strafen sieht beispielsweise der Gottesstaat Iran für Menschen vor, die sich nicht den Fundamentalisten unterwerfen. Vergleichbares droht nach Machtübernahme der Taliban auch in Afghanistan, befürchten die Aktivistinnen einhellig. Einige westliche Beobachter verharmlosen dies als kulturelle Eigenart. Doch wer so argumentiert, verkennt, dass es sich um schwerste Verletzungen der Menschenrechte handelt.

Tragisch wäre ein Triumph der Taliban insbesondere vor dem Hintergrund der Fortschritte im Bildungsbereich, die das Land in der Vergangenheit erzielt hat. Wirtschaftswissenschaftlerin Hourvash Pourkian wies darauf hin, dass vor 20 Jahren die Analphabetenrate 98 Prozent betragen habe. Heute gebe es über drei Millionen junge Frauen und zehn Millionen junge Männer mit akademischer Ausbildung.

Die positive Entwicklung der letzten beiden Jahrzehnte ist auch für Mina Ahadi ein Hoffnungsschimmer. So sieht sie ein großes Potenzial für eine afghanische Frauenbewegung. Und sie erlebe dort junge Menschen, die skeptisch denken und den Islam kritisieren. Ahadis Vision ist eine säkulare Regierung in Afghanistan – eine, die alle Menschen im Land vertritt, unabhängig von Ethnie oder Religion.

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