Am Ende des 18. Jahrhunderts lebten in Polen ca. 80 Prozent aller Juden weltweit. Sie kamen über Jahrhunderte nach Polen, vertrieben aus ganz Europa – aus Deutschland, Ungarn, Frankreich, Österreich, Spanien, Portugal und Russland. Polen war damals eines der tolerantesten Länder Europas und Zuhause für eine große jüdische Gemeinschaft. Vor dem Zweiten Weltkrieg waren ca. 3,5 Millionen Juden polnische Staatsbürger. Bei der letzten Volkszählung im Jahr 2011 wurden nur noch 7.508 Juden gezählt.
Wohin verschwand den Rest der polnischen Juden von den dreieinhalb Millionen aus der Vorkriegszeit? Ein Teil wanderte in den neuen jüdischen Staat Israel aus. Ein Teil entscheid sich nach der ekelhaften antisemitischen Hetze im Jahre 1968, Polen zu verlassen. Aber das waren lediglich einige Hunderttausend. Der Rest starb im Holocaust. Niemand weiß genau, wie viele es waren. Man schätzt, dass es sich um rund 3 Millionen Menschen handelt.
Sind vielleicht die Aschen der Ermordeten erhalten geblieben? Nur wenige von ihnen ruhen auf den Friedhöfen in Polen. Sie starben in Gaskammern, ihre Leichen wurden verbrannt und die Asche überall verstreut. Im Konzentrationslager in Bełżec wurden sie in den Fluss geschüttet. Aber auch von jenen, die auf den Friedhöfen begraben wurden, sind wenige Spuren geblieben, weil viele der jüdischen Friedhöfe verwüstet worden sind und die Grabmale (Matzewa) als Baumaterial verwendet wurden.
Zum Glück gibt es kluge, empfindliche Menschen die versuchen die Erinnerung an den Ermordeten wiederherzustellen und zu bewahren. Über einen von ihnen, Dariusz Popiela, hat der hpd bereits berichtet. In vielen Städten und Dörfern gibt es noch Hunderte, wenn nicht Tausende vergessene, nicht markierte Gräber der Holocaust-Opfer. Dort ruhen die polnischen Juden, deren Schicksale und Namen oft vergessen wurden. Die Mitarbeiter und Freunde der Stiftung Zapomiane ("Vergessene") beschäftigen sich mit der Suche, Lokalisierung und Erforschung solcher Plätze. Dann organisieren sie in Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung feierliche Gedenken. Die Stiftung beschäftigt sich unter anderem auch mit:
- Verbreitung des Wissens über Holocaust, Geschichte und Traditionen des jüdischen Volkes, damit dieses Wissen bei den nächsten Generationen aufbewahrt wird, die schon kein Kontakt mehr haben kann mit jenen, die den Holocaust miterlebt haben;
- Bildungsinitiativen, um der jungen Generation die Geschichte und die Erbschaft zu vermitteln. Um Intoleranz, Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit insbesondere dem Antisemitismus entgegenzuwirken.
Bisher hat die Stiftung neun Projekte realisiert, die auf ihrer Webseite dokumentiert sind. Eines davon betrifft die Ortschaft Karmanowice in der Gemeinde Wąwolnica. Die Zeugen, die vor der "Kreiskommission für die Ermittlung der Naziverbrechen" aussagten, erzählten über Massengräber der Juden im Wald um Karmanowice. Im Sommer 2017 konnte die Stiftung dank den dortigen Einwohnern eines dieser Gräber lokalisieren. Laut Berichten wurde eine Gruppe von 13–16 jüdischen Frauen und Kindern im März/April 1942 von dem liquidierten Getto in Wąwolnica zur Zwangsarbeit in eine Ziegelei gebracht. Mit dem Aufkommen des Frosts arbeitete die Ziegelei nicht, und die Deutschen haben die jüdischen Arbeiter in den Wald bei Karmanowice transportiert und dort erschossen.
Der Platz des lokalisierten Grabes wurde von der Stiftung zuerst mit hölzerner Matzewa gekennzeichnet und ein Jahr danach, am 21. Juni 2018, gab es am Grab eine Gedenkfeier. Die Pflege des Grabes übernahm die Grundschule von Karmanowice.
Der Steinmetzmeister aus Wąwolnica, Herr Krzysztof Kolibski, arbeitete mit der Stiftung Zapomniane zusammen. Er hat das Grabmal angefertigt, das die hölzerner Matzewa ersetzte. Mitte Juni 2019 berichteten die Medien, dass das Grabmal mit den Schmierereien SS, NKWD, UB entweiht wurde. Herrn Kolibski ist es gelungen, das Grabmal zu restaurieren. Er wurde dafür bestraft: Seine Werkstatt wurde total verwüstet. Unter den Trümmern des Gebäudes wurde eine Steinplatte gefunden mit der Aufschrift "Żydy precz!" (Juden raus).
Foto: Joanna Świderska
Der Bürgerbeauftragte Dr. Adam Bodnar sagte im Januar in einem Interview, dass der Attentäter, der den Danziger Präsidenten Paweł Adamowicz ermordete, unter dem Einfluss der Hassreden in den Sendungen des öffentlichen Fernsehens stehen könnte.
Die die regierende PiS-Partei unterstützenden öffentlichen Medien sind voll mit Fremdenhass und Antisemitismus beinhaltenden Berichten, Sendungen und Materialien. Sie sind als einzige in jeder Ecke des Landes zu sehen und zu hören.
Die Behauptung, dass der oder die Täter, welche/r die Werkstatt von Herrn Kolibski zerstörte, auch unter Einfluss dieser Hass-Propaganda stand, ist deshalb berechtigt. Er habe auch das Recht zu meinen, dass Antisemitismus eine willkommene Haltung eines "echten Patrioten" sei.
16 Kommentare
Kommentare
G.B. am Permanenter Link
Zu diesem Artikel fällt mir nichts ein, mir ist nur ein eiskalter Schauer den Rücken hinabgelaufen und mein Kopf wie blockiert über so viel Hass.
Adrianna Rzadkowska am Permanenter Link
Hass sieht derjeniger, der selbst haesstig ist. Wir haben die Moeglichkeit sich auszutauschen. Haben Sie Angst ueber die Wahrheit zu sprechen? Dann schreiben Sie nicht. Das waehre besser fuer Ihren Magen!!
Unechter Pole am Permanenter Link
So ist es eben.
Und speziell aus atheistischer Sicht: der polnische Anthisemitismus richtet sich zum großen Teil paradoxerweise gegen Atheisten (vielleicht auch mangels Juden). Personen, die keiner Religionen angehören (bzw. als Kinder nicht den Religionsunterricht besichtigen, oder als junge Eltern ihre Kinder nicht taufen lassen) werden gemeinhin als "Juden im Verborgenen" wahrgenommen.
Adrianna Rzadkowska am Permanenter Link
So haben diejenigen immer gesagt, die innerlich sehr Schwach sind um eigene Meinung zu haben, also ignorance. Denke nach!!!
Adrianna Rzadkowska am Permanenter Link
Vor 20 Jahren habe ich in meiner Gymnasium einem Skinhead mit Swastika an dem Arm gesagt, dass die Swastika verboten ist und dass Hitler tot ist.
G.B. am Permanenter Link
Unglaublich aber sicher wahr und das in einem Land welches Mitglied in der EU ist.
Da ist deutlich der Rückwärtsgang eingelegt so wie es die Religionen betreiben und wollen.
Adrianna Rzadkowska am Permanenter Link
Deshalb bin nach Berlin eingereisst. Man kann den Nazi Fehler ein Mal machen. Dazu hat sich DE sehr verbessert. Die Rechte sind deutluch hummanistischer, als in Polen.
Mszej am Permanenter Link
Deutschland sollte mehr vor der eigenen Haustür kehren, als älteres Mitglied der EU. An deutschen Synagogen sieht man mittlerweile ein Polizeiauto zur Sicherheit.
Aber es ist immer einfacher auf andere Länder einzugehen um von seinem eigenen Land abzulenken.
Adrianna Rzadkowska am Permanenter Link
Das ist auch wahr!!! Ich war schockiert auch, dass die Polizei noch die Synagogen ueberwachen muss!!!
Unechter Pole am Permanenter Link
Dezenter Hinweis: Polizei muss Synagogen nicht "noch" überwachen, sondern "wieder" - tendenziell seit ca. 2000.
Mszej am Permanenter Link
Das stimmt nicht, primär, und das hat Merkel selbst betont, liegt es am Antisemitismus IN DEUTSCHLAND, der momentan stärker wird. Deutschlands Nachbarländer haben damit nichts zutun.
Unechter Pole am Permanenter Link
Die festen Polizeiposten wurden überwiegend im Frühjahr 2002 auf Aufruf des Bundesinnenministers Schily nach islamistischen und/oder palestinisch nationalistischen Anschlägen auf jüdische Einrichtungen in mehrern städ
Adrianna Rzadkowska am Permanenter Link
Hallo Hallo, Deutschland hat zu viel mit der Chinesen vorher gemacht, deshalb die Kanzlerin es sagen muessen.
Adrianna Rzadkowska am Permanenter Link
Mehr ueber Antisemitism in Poland - Rozbrat Squat Poznan
A.S. am Permanenter Link
Überall, wo Länder sich gesellschaftlich im Rückwärtsgang befinden, sind religiöse bis streng religiöse Politiker an der Macht.
Adrianna Rzadkowska am Permanenter Link
Ja wohl!!! Die katholische Kirche hat eigene Gesicht unter der PiS versteckt, deshalb sowohl die juedische Gesichte, dazu die Pedofilia in der Kirche wird momentan nicht wahrgenommen.