Auch esoterische Heiler nennen sich nun Coaches

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Esoterik ist ein pseudospirituelles Phänomen, das viele Leute in der westlichen Hemisphäre in seinen Bann zieht. Ihnen wird ein Bewusstseinswandel, eine geistige Transformation, die Befreiung von Leiden aller Art und oft auch die Erleuchtung versprochen.

Doch diese Welt der angeblichen übernatürlichen Wunder bekommt immer mehr Risse. Denn die Versprechen erweisen sich allzu oft als Luftschlösser. Nach dutzenden von Seminarbesuchen, vielen Ausbildungen, hunderten Ritualen bleiben bei den Suchenden häufig Enttäuschungen und ein Finanzloch zurück.

Das spüren viele esoterische Anbieter an den rückläufigen Teilnehmerzahlen und dem Umsatz. Also müssen sie sich neu erfinden und ein neues Label kreieren. Dabei nehmen sie gern Zuflucht bei Disziplinen, die sie früher verachteten: bei den Naturwissenschaften und der Psychologie.

So nennen sie die Geistheilung gern Quantenmedizin, und die esoterischen Seminare Coachings. Letztlich ist es aber nur alter Wein in neuen Schläuchen. Oder auf gut Deutsch: ein Etikettenschwindel.

Über die Heilerzunft habe ich früher schon geschrieben, konzentrieren wir uns deshalb auf den Coaching-Trick. Seriöse Coachings gibt es in vielen Formen und Lebensbereichen. Fachleute helfen ihren Klienten, Probleme zu lösen und Fertigkeiten zu erlangen. Hauptsächlich in der Arbeitswelt, aber auch in persönlichen Bereichen.

Raus aus der Schmuddelecke

Doch nun schmücken sich immer mehr esoterische Anbieter mit dem vertrauenerweckenden Titel "Coach". Sie wollen damit aus der Schmuddelecke herauskommen und sich einen seriösen Anstrich geben. Die Seminare und Workshops bleiben aber die alten.

Nehmen wir zum Beispiel das Akasha-Coaching von Tanja Rebsamen in Zürich. Die Esoterikerin bietet unter anderem "Tranceheilung" (Trance Healing) an. Darunter versteht sie "eine Heilmethode, bei der ich mich als Medium in Trance versetze, um Kanal für heilende Energien aus der geistigen Welt zu sein".

Die höher schwingenden Energien der geistigen Welt können die Selbstheilung unterstützen, behauptet Rebsamen. Praktisch dabei: "Sie dürfen sich während dieser Zeit einfach entspannen und die Energien auf sich wirken lassen", schreibt sie.

Dabei wird die Heilerin angeblich von einer himmlischen Equipe unterstützt:

"Es findet eine Zusammenarbeit mit einem Team von höheren spirituellen Intelligenzen wie von Heilern, jenseitigen Ärzten, Spezialisten, Schamanen und anderen geistigen Helfern statt."

Eine Stunde Heilenergie aus dem Jenseits kostet 140 Franken.

Ebenfalls eine eigene Coaching-Methode hat die Esoterikerin Tanja Schärer aus Safenwil entdeckt: das "Thetahealing-Coaching". Sie betont den wissenschaftlichen Aspekt ausdrücklich. Wörtlich schreibt sie:

"ThetaHealing ist eine unglaublich kraftvolle Technik, die Wissenschaft und Spiritualität in Einklang bringt. (…) Die Wirkung und Heilkraft von ThetaHealing beruht auf der Kraft von Theta-Gehirnwellen. Diese Frequenz ermöglicht den Zugang zu Informationen, welche im Unterbewusstsein gespeichert sind."

Teure Kurse

Schärer hat sowohl auf Thetahealing als auch auf den Access Bars-Kurs das Copyright. Sie nennt es selbst "spirituelles Coaching". Ihre Kurse kosten pro Tag 330 Franken.

Ein weiteres Beispiel ist Lourdes Silva aus Zürich, die unter dem Namen "Healing & Coaching" firmiert. Dazu gehört die umstrittene Heilmethode "Reiki", die seit je in esoterischen Kreisen angewendet wird.

Silva dazu: "Reiki bedeutet 'universelle Lebensenergie' und fördert persönliches und spirituelles Wachstum, ermöglicht Bewusstseinserweiterung und aktiviert die Selbstheilungskräfte." Dabei soll das Leben der Klienten transformiert und umprogrammiert werden.

Das aktuelle Angebot von Silva heißt "The Universe in my Pocket" ("Das Universum in meiner Tasche"). Eine Coaching-Sitzung kostet 150 Franken pro Stunde, ein Reiki-Kurs auf den höheren Levels 2.000 Franken für zwei Tage.

Ein ausgeklügeltes Coaching-System hat das Kursunternehmen "Human Design" entwickelt. Es vermarktet viele Kurse, Ausbildungen in Human Design, baut Netzwerke auf und bietet sogar eine Clubmitgliedschaft an. Die Mitglieder dürfen Dienstleistungen beziehen oder diese selbst anbieten, wenn sie die Zertifikate durch intensive Ausbildungen erworben haben.

Der Vorteil für die Führungskräfte: Alle Teilnehmer auf allen Levels zahlen für alle Angebote. Es ist ein in sich geschlossener, rasch wachsender Kreislauf, der die Einbindung fördert. Man könnte es auch Abhängigkeit nennen.

Bombastische Versprechen

Die Versprechen sind bombastisch: Zum Angebot mit dem klingenden Namen "Neutrinos" verkündet Human Design: "erfahre in diesem Themenfeld, wie der Funkenschlag der Schöpfung arbeitet und funktioniert."

Ein paar Beispiele aus dem umfangreichen Kursangebot: "Die neun Energiezentren im Human Design", "Die Planeten und ihre Bedeutung im Human Design", "I Ging – 5000 Jahre altes Wissen", "Dein persönliches Inkarnationskreuz".

Es geht bei Human Design aber nicht nur um esoterische und spirituelle Kurse, angeboten werden auch Coachings für das Human Design-Businessmodell. Im Kurs "Customer Relationship Management" lernen die Teilnehmer die "vollständige Planung, Steuerung und Durchführung aller interaktiven und dialogischen Kundenprozesse".

Der Human Design-Club baut regionale Gruppen auf, die von ausgebildeten Leitern geführt werden. So soll ein Netzwerk von Mitgliedern entstehen, die schließlich alle auch Kunden werden. Das "Human Design Club Masterclass & Zertifikat" kostet 3.999 Euro. Schon fast ein finanzielles Perpetuum mobile oder modernes Schneeballsystem.

All diesen erwähnten esoterischen Anbietern ist gemeinsam, dass sie mit verführerischen Argumenten spirituelle Wunder versprechen und sich als Gutmenschen der höheren Art ausgeben. Letztlich nutzen sie aber die Ängste, Hoffnungen und Sehnsüchte esoterisch interessierter Personen, um ein überdurchschnittliches Einkommen zu generieren. Das ist nicht "Geld und Geist", sondern "Geist gegen Geld".

Übernahme mit freundlicher Genehmigung von watson.ch.

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