Bundesverfassungsgericht:

114.000 Euro "Synagogensteuer" sind rechtens

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Westendsynagoge in Frankfurt/Main
Westendsynagoge in Frankfurt/Main

Religiöse Gemeinschaften bitten ihre Mitglieder gern zur Kasse. Wann man zahlungspflichtiges Mitglied wird, das entscheiden die Gemeinschaften selbst. Dies bestätigte das Bundesverfassungsgericht am Mittwoch. Geklagt hatte ein jüdisches Ehepaar, das nun rund 114.000 Euro an die Jüdische Gemeinde Frankfurt zahlen muss.

Während ChristInnen in Deutschland meist einer der beiden Großkirchen angehören, verfügt das Judentum hierzulande über keine derartige "Dachorganisation". Die jüdischen Gemeinden sind vielmehr als Vereine oder Körperschaften öffentlichen Rechts organisiert. Jede einzelne kann von ihren Mitgliedern Beiträge oder Steuern, Synagogensteuer genannt, fordern. Ob sie dies auch tut und unter welchen Voraussetzungen die Gläubigen zahlen müssen, bestimmt sie selbst.

Doch wann gehört jemand zu einer jüdischen Gemeinde? Für die Jüdische Gemeinde Frankfurt am Main ist die Sache klar: Neu zugezogene Jüdinnen und Juden informiert sie, dass sie Mitglied werden, sofern sie nicht in den nächsten drei Monaten austreten. So steht es in der Satzung.

Für ein knappes Jahr Mitgliedschaft muss ein Ehepaar rund 114.000 Euro Synagogensteuer zahlen, wie das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am vergangenen Mittwoch entschieden hat. Der Karlsruher Beschluss (Az. 2 BvR 2595/16) verwirft die Beschwerde des Paares gegen ein Urteil des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts von 2016. Sie hatten sich in ihrer Klage auf den Passus zur Religionsfreiheit in der Europäischen Menschenrechtskonvention berufen. In ihrem Fall liege eine verbotene Zwangsmitgliedschaft in einer religiösen Gemeinschaft vor, argumentierten die beiden. Diese Auffassung wies Karlsruhe nun zurück. Von einem Zwang könne keine Rede sein, vielmehr legen Religionsgemeinschaften die Kriterien für eine Mitgliedschaft selbst fest, so das Gericht.

Begonnen hatte alles bereits im Jahr 2002, als das Ehepaar gerade aus Frankreich in die Mainmetropole gezogen war. Weil sie beim Einwohnermeldeamt als Religion "mosaisch" angaben und die Behörde die jüdische Gemeinde darüber informierte, wurden sie der Frankfurter Jüdischen Gemeinde zugerechnet. Erst nach einem knappen Jahr traten sie aus – laut Satzung zu spät.

Für die beiden Gutverdienenden waren in diesem Zeitraum Beiträge von etwa 114.000 Euro zusammengekommen. Dagegen klagte das Ehepaar. Ihre Begründung: Sie fühlten sich der Gemeinde nicht zugehörig, sie sei ihnen "zu orthodox". Durch die Angabe "mosaisch" hätten sie sich ausdrücklich zum liberalen Judentum bekannt – was in Fachkreisen durchaus anders gesehen wird. 2010 landete der Streit vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, das dem Paar Recht gab. Doch auf Beschwerde der Jüdischen Gemeinde hin wurde das Urteil 2014 vom Bundesverfassungsgericht kassiert, und der Fall ging zurück nach Leipzig.

Diesmal orientierten sich die Richterinnen und Richter bei ihrer Entscheidung an der Karlsruher Linie. Zuvor hatten sie einen Vergleich vorgeschlagen. Die Parteien sollten sich einigen, dass das Ehepaar nur den halben Betrag zahlt. Doch darauf wollte sich die Gemeinde nicht einlassen. "Die Jüdische Gemeinde Frankfurt verhandelt grundsätzlich nicht über Steuern", ließ ihr Anwalt das Gericht wissen.

Möglicherweise wird der Streit auch nach dem aktuellen Urteil weiter die Gerichte beschäftigen. Parallel zu den Verfahren in Deutschland hatte das Paar auch vor dem Europäischen Gerichtshof in Straßburg geklagt. Dieses forderte jedoch, dass zunächst die deutschen Verfassungsgerichte entscheiden.

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