Russische Nonkonformisten und zwei aufstrebende deutsche Talente aus der Sammlung Karminsky zeigt der Offenbacher Kunstverein bis zum 30. Juli. Shootingstar Dominik Schmitt war zur Vernissage anwesend, die von der Konzertgeigerin Anne Agre mit russischer Musik eindrucksvoll untermalt wurde. Der zahlreiche Besuch erinnerte an Vor-Corona-Zeiten.
Der russischstämmige Sammler Michael Karminsky hat eine eindrucksvolle Sammlung aufgebaut. Einen kleinen Teil davon zeigt er jetzt im Offenbacher Kunstverein: Bilder von den sieben russischen Nonkonformisten Gorokhovsky, Jarkikh, Nemuchin, Sitnikov, Slava, Steinberg und Oskar Rabine. Hinzu kommen zwei ganz neue Großformate der jungen deutschen Maler Jonas Burgert und Dominik Schmitt.
Schmitt war persönlich anwesend; seinem Kolossalgemälde "Gottesfrage" lässt sich leicht entnehmen, dass er Religionskritiker ist. Von weitem erinnert die graue "Gottesfrage" an den Renaissance-Maler Hieronymus Bosch: im Mittelpunkt eine gekreuzigte Figur, rechts daneben ein übergroßer Vogelkopf, der an Dämonen gemahnt. Lohnenswert der Blick auf die Details: das nackte Geschlecht der Gekreuzigten ist weiblich, ihr Kopf gehörnt – eine Teufelin – die da nach altrömischem Recht gekreuzigt statt tiefkatholisch auf dem Scheiterhaufen verbrannt wird. Weitere Symbole lassen sich finden, die Schmitt munter montiert hat. Auf eine Interpretation verzichtete er gegenüber dem Rezensenten ausdrücklich, erwähnte aber nebenbei, dass er Michael Schmidt-Salomon um das Vorwort für seinen Katalog gebeten hat – was der gerne zugesagt hat.
Jonas Burgerts Bild zeigt satt bunte Farben inmitten dichten Dschungelgrüns. Auch wenn seine Figuren grau statt blau sind, weckt es Assoziationen an die Avatar-Kulisse. Die russischen Maler produzierten konzeptuelle Kunst. Die rote Tapete beispielsweise wird als Metapher für die Revolution genutzt – die alles fresse. Manches ist konstruktivistisch in der Tradition von Malewitsch gemalt. Einige Künstler nahmen 1974 an der "Bulldozer"-Ausstellung in Moskau teil, in deren Folge zehn bis zwölf Künstler ausgebürgert wurden, worauf Michael Karminsky in seiner Einführung hinwies. Hierzu gehört insbesondere Oskar Rabine, ein jüdischer Maler, der den Antisemitismus in der Sowjetunion anprangerte – was beispielsweise auf seinem Bild eines Friedhofs mit der unterschiedlichen Gestaltung eines jüdischen und christlichen Grabsteins sichtbar wird.
In seiner kurzen Einführung erzählte Michael Karminsky, wie er zum Sammeln kam – und davon "süchtig" wurde. Im Rahmen der Offenbacher Kunstansichten hatte er schon öfter die Tür zu seiner Wohnung geöffnet, die von Kunstwerken überquillt: Petersburger Hängung wäre hier fast schon eine Untertreibung.
Die Geigerin Anna Agre untermalte die Vernissage mit russischer Musik, begleitet von einer Querflötistin. Ihre Darbietung war auch choreografisch eindrucksvoll: während ihres Spiels tänzelte sie sportlich bewegt; die Bewertungen schwankten zwischen "an Yoga-Übungen anmutende Gelenkigkeit" bis zu "übertrieben feminin". Den reichlichen Applaus dankte sie mit einer Zugabe jetzt in roter Garderobe. Der Besuch war zahlreich wie zu Vor-Corona-Zeiten – und die ausgestellten Werke sind es wert.
Sammlung Karminsky, Ausstellung bis zum 30. Juli 2020 im Kunstverein Offenbach, Aliceplatz 11, 1. Etage im KOMM-Einkaufscenter, geöffnet Montag bis Samstag von 14 bis 18 Uhr, Eintritt frei.