Kunstwerke aus Zeiten der Pandemie

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Petra Schott vor einem Gemälde von Mariam Sattari
Petra Schott

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Vernissage im Kunstverein Offenbach
Vernissage im Kunstverein Offenbach

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Kuratorin Rita Jacoby und der neue Vorsitzende Dieter Faulenbach da Costa
Kuratorin Rita Jacoby und der neue Vorsitzende Dieter Faulenbach da Costa

"Was macht die Kunst in Zeiten der Pandemie?", fragte der Kunstverein Offenbach – und zwölf Künstler antworteten. Sehr unterschiedlich, wie Dieter Faulenbach da Costa, der neue Vorsitzende des Kunstvereins, hervorhob. Er freute sich über die Breite des Schaffens, die er präsentieren konnte. Ein Teil der Werke thematisiert die Pandemie sehr direkt: hier dominieren Unwohlsein, Einsamkeit und Verfall – aber auch (menschenleere) Landschaften. Bei anderen Werken ist eine Auseinandersetzung mit der besonderen Situation nicht direkt erkennbar: abstrakte Malerei oder Portraits; Bilder, wie sie auch schon vor den Lockdowns geschaffen wurden.

Kunst: sie kann sich sehr direkt mit aktuellen Gegebenheiten befassen, dabei politisch werden. Oder eigene Stimmungslagen individuell ausformulieren, das eigene Innere herauskehren. Große Kunst ist vielschichtig, eröffnet dem Betrachter unterschiedliche Perspektiven. Das gilt sicher für die drei Fotografien gleich eingangs, "Lockdown I" und "Lockdown II" beziehungsweise "Abwärtsspirale" betitelt. Eine graue Betonfassade, offensichtlich im Verfall begriffen; oder ein gleißend leuchtender Stacheldraht, über einer Absperrung abgerollt: Die Objekte sind eigentlich hässlich – doch meisterhaft ins Licht gesetzt von Peter Menne wirken selbst die Symbole für das Menschenleere des Lockdowns und den Rückzug sozialen Lebens eigentümlich faszinierend. Die zerstörten Jalousien hängen zwar in Offenbach, der Stacheldraht schreckt vom Betreten eines Frankfurter Geländes ab – doch zugleich verweisen solche Bilder auch auf die Zerstörungen, die gerade in der Ukrainie angerichtet werden. "Srebrenica" prangt auf einem Graffiti im Hintergrund. Der Ort steht für das Massaker an der bosnisch-muslimischen Zivilbevölkerung vor den Augen eines NATO-Kommandeurs, der einfach zugeschaut hatte: ein deutlicher Hinweis auf den aktuell tobenden Krieg, auf die Opfer in der dortigen Zivilbevölkerung oder den russischen Angriff auf ein Atomkraftwerk (in dem der Brand gelöscht werden konnte und es glücklicherweise zu keinem zweiten Tschernobyl kam!).

Ganz ähnlich die sieben Fotografien am anderen Ende der Wand: auch dort eine kahle graue Wand – hier ironisch persifliert durch einen leuchtend roten Rettungsring. Doch weit und breit kein Meer zu sehen… Dafür Scherben bei Jutta Hilscher und ebenfalls Stacheldraht: nicht so irritierend leuchtend wie bei Menne, sondern geradezu klassisch rostbraun. Sie pflegt einen gänzlich anderen Stil, präsentiert reduzierte Bilder. Manches ist verschwommen, wirkt, als wäre es durch Milchglasscheiben aufgenommen worden. Die sattgrüne Waldlichtung signalisiert Hoffnung – doch ist sie menschenleer, genauso wie die Malerei von Mariam Sattari: zwei Gemälde von einsamen grünen Waldlandschaften. Die Malerin zu ihrem Werk: "Zwei Sachen habe ich in der Pandemie neu kennen- und liebengelernt: die Natur und die Stille."

Ein dünner blauer Hoffnungsschimmer wird von einer übergroßen grauen Welle der Verzweiflung überrollt: So Sonja Ilonka Wagners Collage, die die Düsternis mit satt farbigen Kugeln durchbricht. Subtiler dagegen die Acrylbilder von Christoph Klein: zwei in düsterem Blaugrau rahmen eines ein, bei dem dunkelrot und blassgrün dominieren. Man muss schon genau hinschauen, um Gegenständliches zu erkennen. Bei "Homeworking" schwanken die Assoziationen zwischen leerem Großraumbüro und entvölkerter B-Ebene. Schemenhaft die wenigen Figuren, die sich im weiten Raum zu verlieren scheinen. Bei "Abstand" erscheint ein einsamer nackter Oberkörper, während die andere Figur ins düstere Rot der Umgebung übergeht.

Vier künstlerische Positionen, die die unangenehmen Seiten der Pandemie aufgreifen, auch ihre sozialen Folgen visualisieren. Die fünfte ebenfalls ein Rückzug – doch ins Grüne: eine neue Innerlichkeit?

Sechs Künstler präsentieren Arbeiten, bei denen man sich schon fragt, was sie mit der Pandemie zu tun haben: An der rechten Betonwand hängen drei großformatige abstrakte Gemälde: Zwei in satten, kräftigen Acrylfarben von Wolfgang Erb – die die zartrosa Pastelltöne von Petra Schott fast verblassen lassen. Vielleicht hätte man die beiden Künstler nicht direkt nebeneinander hängen sollen. An der Rückwand vier Frauenportraits in eigenwilliger Gestaltung: die Portraitierten sehen den Betrachter nie an, jedes Mal fehlt die Augenpartie. Christiane Klisch fokussiert so den Blick auf Körperformen – als Ansatz durchaus spannend. Doch wo ist der Bezug zur Pandemie? Und hing das eine Portrait nicht schon in einer früheren Ausstellung? Auch die Bilder des Digitalkünstlers Karlheinz Kalbhenn sind komplett auf geometrische Formen reduziert. Seine Holzskulpturen erinnern an naive Kunst, der auf einen Sockel gestellte Ast weckt Assoziationen an die Ready-Mates, mit denen Dada in den 1920ern den Kulturbetrieb revolutionierten.

Spannender sind da die drei bunt bemalten Skulpturen, die die Tradition afrikanischer Kunst aufgreifen: mit Titeln wie "Buschmann" oder "Elefant" bezieht sich Kirsten Lippek auf den schwarzen Kontinent. In Spachteltechnik erschafft sie abstrakte Landschaften: "Fluss", "Meerbusen" oder "Meerlandschaft". Mancher Betrachter meinte in dem einen Bild den italienischen Stiefel wiederzuerkennen – doch muss abstrakte Kunst nicht gegenständlich interpretiert werden, schon gar nicht als Landkarte. "Mit den Augen einer Fliege gesehen" ist ein Arrangement von sechs Fotografien von Brigitte Wichlei, die mit einem Prismenfilter aufgenommen wurden – der zu schönen Effekten führt. Ganz am Rande hängt noch eine Bastelarbeit, die die Türen einer Holzkommode recycelt. Hier hätte die Jury besser kuratieren können…

"Die ganze Breite" hat Faulenbach ganz richtig angesprochen: tatsächlich gilt der Satz sowohl stilistisch als auch hinsichtlich der Qualität. Neben exzellenten Werken finden sich Dinge, die von den Ergebnissen eines VHS-Einführungskurses für Hobbykünstler schwer zu unterscheiden sind. Doch insgesamt zeigt der Kunstverein ein beachtliches Potential: es lohnt nicht nur, seinen Einkauf für die Ausstellung zu unterbrechen. Sondern sie ist einen eigenen Besuch wert!

Bis zum 31. März 2022: "Aktuelle Arbeiten in Zeiten der Pandemie"
Kunstverein Offenbach
KOMM-Center, Aliceplatz 11, Offenbach
geöffnet montags bis samstags 14 bis 18 Uhr

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