Rezension

Die Entdeckung der Elemente

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Periodensystem der Elemente, mit den Ordnungszahlen, Elementsymbolen und Elementnamen, Angaben zur Atommasse, Dichte und Elektronegativität sowie mit farblich markierten Elementkategorien.
Periodensystem der Elemente

Der renommierte, für seine naturwissenschaftlichen Sachbücher mehrfach ausgezeichnete britische Chemiker, Physiker und Wissenschaftsjournalist Philip Ball widmet sein neuestes Buch der Aufgabe, die Grundelemente der Natur umfassend aus mehreren Blickwinkeln zu beschreiben. Mit auch für Laien gut verständlichen Texten sowie sehr aufwändig gestalteten Reproduktionen von Originaltexten, ergänzt mit zahlreichen Bildern, Grafiken und Zitaten, bietet das Buch Grundlagen- und weiterführendes Wissen zu den Elementen, zu ihren Eigenschaften und Besonderheiten, zu den damit verbundenen, oftmals kuriosen Entdeckungsgeschichten und, last not least, zu den dahinterstehenden Entdeckern und Gelehrten.

"Unter den vielen Entdeckungen im Bezug auf die Welt, in der wir leben, ist eine der grundlegendsten und nützlichsten die Erkenntnis, woraus sie besteht." Ausgehend vom Periodensystem der Elemente beschreibt der Autor in acht großen Kapiteln die mit diesen Erkenntnissen zusammenhängende Entwicklung der Menschheit. Beginnend mit einer Vorgeschichte der "klassischen Elemente" (Erde, Luft, Feuer, Wasser) führt der Weg über die "antiken Metalle" (Kupfer, Zinn, Eisen, Gold und Silber) zu den "alchemistische Elementen" (Schwefel, Phosphor, Antimon, "Phlogiston") und weiter zu den "neuen Metallen" (Bismut, Zink, Kobalt, Arsen, Mangan, Wolfram, Platin, Palladium, Uran) bis ins "goldene Zeitalter der Chemie", wo man ab Mitte des 18. Jahrhunderts begann, sich damit auseinanderzusetzen, wie sich Elemente verbinden und wie man sie dazu bringen kann, neue Konfigurationen einzunehmen: Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Kohlenstoff, Chlor, Fluor, Iod, Brom, Chrom und Cadmium sowie die Metalle der "Seltenen Erden" bestimmten als Grundstoffe die sich entwickelnde chemische Revolution.

Cover

Im Laufe des 18. Jahrhunderts wuchs die Erkenntnis, dass in der Elektrizität tiefe Geheimnisse verborgen sind, sie schien eine Art Fluid zu sein. Die berühmten Gewitter-Drachenexperimente von Benjamin Franklin in den 1750er Jahren und die Froschexperimente von Luigi Galvani bildeten Meilensteine der einschlägigen Forschung, die der Autor im Kapitel "Elektrisierende Entdeckungen" mit der damit zusammenhängenden Bedeutung von Kalium, Natrium, Calcium, Magnesium, Barium, Strontium, Bor, Aluminium, Silicium und Zirconium eingehend beleuchtet.

Das Kapitel "Das strahlende Zeitalter" widmet sich den Themen Licht und elektromagnetische Wellen, mit den dabei wichtigen Elementen Caesium, Rubidium, Thallium, Indium, Helium, Radium und Polonium. Das letzte Kapitel des Buches "Das Atomzeitalter" beschreibt die von Albert Einstein ausgelöste Entwicklung einer neuen Wissenschaft, die das einstmals als gesichert geglaubte Wissen zur grundlegenden Natur der Materie zerschlug. Das Periodensystem des 19. Jahrhunderts begann sich mit neuen Elementen zu füllen, Technetium, Neptunium und Plutonium und die sogenannten Beschleunigungselemente (Americum, Curium, Berkelium und Californium) sowie die "Bombentest-Elemente" (Einsteinium und Fermium), "Superschwere Transfermium-Elemente" bilden dafür Beispiele. Am Ende der Reihe neu entdeckter superschwerer Elemente mit den Ordnungszahlen von 109 (Meitnerium) bis 118 (Oganesson) werden die dazu notwendigen Versuche und Forschungseinrichtungen in Linearbeschleunigern beschrieben.

Neben der Darstellung der Entdeckungsgeschichte einzelner Elemente ist es dem Autor ein wichtiges Anliegen, zusätzliche Informationen zu deren Bedeutung für die gesamte Menschheit, beziehungsweise für das Leben generell, zu vermitteln und außerdem Anleitungen und Hilfestellungen zum Verstehen komplexer chemischer Prozesse zu geben. Dazu werden auch grundlegende Fragen, wie zum Beispiel "Was genau ist ein Element?" beleuchtet und aus der Alchemie stammender pseudowissenschaftlicher Mystizismus korrigiert, wobei es in der Entdeckungsgeschichte der Elemente auch manche Ungereimtheiten und Fehlannahmen zu berichtigen gilt: "Festzulegen, wer ein Element entdeckt hat, kann schwierig sein. Ist es die erste Person, die Anzeichen dafür erkannte, oder diejenige, die das reine Element erstmals isolierte? Oder der erste Mensch, der erkannte, dass er tatsächlich ein neues Element gewonnen hatte und nicht nur eine Variante einer anderen Substanz?"

Aus der Vielzahl der behandelten Themen einige Beispiele:

Wasserstoff stand am Anfang des Universums und stellt das bei weitem häufigste Element dar; auf der Erde kommt er in reiner Form kaum vor. Im 17. und 18. Jahrhundert waren Forscher bereits auf seiner Spur; sie stellten sogenannte "inflammable" Luft her und kreierten daraus "das berühmteste Element, das es nie gab": Phlogiston.

Helium: Beobachtungen des Sonnenspektrums führten in mehreren Anläufen ab 1804 zur Entdeckung dieses Elements, gegen Ende des Jahrhunderts wurde es auch in Lavagestein und im Uranmineral Uraninit gefunden: "Helium wurde von den Kernen der Uranatome freigesetzt, in einem Prozess, der wenig später als radioaktiver Zerfall bekannt wurde."

Damit begann das Zeitalter der modernen Atomwissenschaft. Von Kernreaktionen in den 1930er Jahren über die Kernspaltung 1938 beschreibt der Autor den Weg zu künstlichen, superschweren Elementen und stellt dabei die Frage, ob das Periodensystem bei letzteren überhaupt noch "funktionieren" kann: Für die letzten Elemente des Periodensystems (bislang sind 118 bekannt) werden schwache, flüchtige, schwer belegbare Sichtungen aufgezeigt, Forschende sind jedoch zuversichtlich, was die Entdeckung der Elemente 119 und 120 in den kommenden Jahren betrifft.

Antoine Lavoisier (1743–1794): Sein Name findet sich in zahlreichen Kapiteln des Buches als einer der bedeutendsten Chemiker und Naturforscher seiner Zeit. Er war einer der ersten, der nachwies, dass die Stoffmenge bei einer chemischen Reaktion gleich bleibt; dies bildete die Grundlage für das Gesetz der Erhaltung der Masse. Er war es auch, der erkannte, dass Wasser kein Element, sondern eine Verbindung aus Wasserstoff ("hydrogène = Wassererzeuger") und Sauerstoff ist, womit er 1780 die Phlogiston-Theorie widerlegte.

Von Lavoisiers Elementeliste (1789) führte ein weiter – vom Autor spannend vermittelter – Weg zum Periodensystem (1869) des russischen Chemikers Dmitri Mendelejew (1834–1907). Ihm fiel bei der Sortierung der Stoffe auf, dass die Elemente in regelmäßigen Abständen ähnliche Eigenschaften besitzen. Daraus leitete er das Gesetz der Oktaven ab, da sich jeder achte Stoff in eine Elementfamilie einordnen ließ (seine "Erfindung" war unter Forschern umstritten, auch der deutsche Chemiker Lothar Meyer beanspruchte die Zuschreibung der Entdeckung). Für weitere noch unentdeckte Elemente ließ Mendelejew in weiser Voraussicht Leerstellen, wobei manche Ungereimtheiten im System erst mithilfe der Quantenmechanik geklärt beziehungsweise bestätigt werden konnten.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass es dem Autor im vorliegenden Buch sehr gut gelungen ist, alle Wünsche an ein populärwissenschaftlich hochqualitatives Werk zu erfüllen. Das mit sehr aussagekräftigem, zum Teil bibliophilem Anschauungsmaterial reich ausgestattete Buch bietet nicht nur Wissensvermittlung auf hohem Niveau, sondern auch spannendes Lesevergnügen; gleichzeitig erfüllt es alle Anforderungen eines Nachschlagewerkes. Als Wermutstropfen ist die kleine Schrift zu nennen.

Philip Ball, Die Elemente - Entdeckung und Geschichte der Grundstoffe, Haupt Verlag, Bern, 2022, 224 Seiten, 36,00 Euro, ISBN 978-3-258-08268-4

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