Die größte neuoffenbarerische Kirche mit dem auffälligen Namen "Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage" ist in den USA in einen Finanzskandal verwickelt. Die Schlagzeilen aus Utah zeigen einmal mehr: Obwohl es bei Glaubensgemeinschaften primär um religiöse und geistige Belange geht, werden viele bei Geldangelegenheiten sehr weltlich. Konkret: gierig.
Religionen und Glaubensgemeinschaften sorgen regelmäßig für Schlagzeilen. Meist unrühmliche. Oft sind es veritable Skandale, wie die weltweit größte Kirche – die katholische – immer mal wieder demonstriert.
Nun hat es auch die Mormonen erwischt. Die Mormonenkirche, die weltweit rund 15 Millionen treue und spendefreudige Mitglieder hat, nimmt jährlich Dutzende Millionen Dollar ein. Was die Gläubigen nicht wussten: Ihre Kirche hortete einen beträchtlichen Teil der Einnahmen, statt wie versprochen religiöse und soziale Projekte zu finanzieren.
Mit Briefkastenfirma Geldflüsse verschleiert
Um das Geld anzulegen und zu verschleiern, gründeten Mormonen die Investmentgesellschaft Ensign Peak Advisers. Diese baute ein Netz von Briefkastenfirmen auf und verschob Millionen. Somit hat die Investmentgesellschaft ihr Portfolio mit Aktien, Anleihen und Immobilien 22 Jahre lang gegenüber den Behörden nicht korrekt ausgewiesen, wie Der Spiegel berichtete. Deshalb hat die Börsenaufsichtsbehörde nun sie und die Mormonenkirche mit einer Buße von fünf Millionen Dollar belegt.
Mehr als die Buße dürfte die Kaderleute der Mormonen der Imageschaden schmerzen. Die Strafe kann sie locker mit dem Portokässeli begleichen. Auf jeden Fall akzeptierte die Kirche das Verdikt und ist bereit, eine Million zu zahlen. Für den Rest muss die Ensign Peak aufkommen.
Aussteiger schätzen das Vermögen der Mormonenkirche auf mindestens 100 Milliarden Dollar. Die Gläubigen sind verpflichtet, wie die Mitglieder der christlichen Freikirchen zehn Prozent ihres Einkommens abzuliefern. Einen schönen Batzen steuern zudem die Gewinne aus dem Vermögen bei.
Auch bezüglich Politik verhalten sich Mormonen weltlich. Gläubige, die sich politisch betätigen, genießen hohes Ansehen. Musterbeispiel ist das Kadermitglied Mitt Romney, der 2012 als republikanischer Kandidat für das Amt des Präsidenten gegen Barack Obama ins Rennen gegangen war.
Das Mormonentum ist eine kuriose Religion
Gründer Joseph Smith behauptete, der Engel Moroni habe ihm 1827 goldene Tafeln gebracht, auf denen die "Mormonenbibel" eingraviert gewesen sei. Mit Hilfe eines magischen Kristalls habe er die antiken Schriftzeichen in die englische Sprache übersetzen können. Diese habe er abgeschrieben, worauf das göttliche Wesen die Goldplatten wieder abgeholt habe.
Das Buch Mormon ist eine Art modifizierte Bibel. Es ist offensichtlich, dass Smith das christliche Buch als Vorlage verwendet hat. Allerdings spielte sich seine Heilsgeschichte nicht im Nahen Osten ab, vielmehr lebte der mormonische Jesus in den USA, die laut Smith schon seit der Antike besiedelt waren. Auch der amerikanische Sohn Gottes starb am Kreuz.
Smith glaubte wie alle Freikirchen an ein baldiges Ende der Welt, wie schon aus dem Namen ersichtlich ist. Mit seinen apokalyptischen Vorhersagen entpuppte er sich als falscher Prophet.
Der Gründer der Mormonenkirche predigte die Polygamie. Viele Geistliche hatten zahlreiche Frauen. Auch normale Gläubige, die es sich leisten konnten, heirateten mehrere Glaubensschwestern. Die Frauen waren Menschen zweiter Klasse, wurden unterdrückt und sexuell ausgebeutet.
Schwulenehen und Abtreibungen sind tabu
Als die amerikanische Verfassung die Vielehe verbot, mussten die Mormonen die frauenfeindliche Praxis aufgeben. Es gibt aber bis in die heutige Zeit versprengte Gruppen, deren Führer im Geheimen mehrere Frauen haben.
Trotzdem sind die Mormonen wie die meisten Freikirchen rückständig. Homosexualität wird geächtet, Schwulenehen und Abtreibungen sind tabu.
Die Mormonen sind zur Geheimhaltung verpflichtet. Nur Getaufte dürfen in den heiligen Tempel. Welche Rituale dort praktiziert werden, dürfen sie nicht nach außen tragen.
Sektenhaft mutet auch die spezielle "heilige" Unterwäsche an, die Mormonen permanent tragen sollen. Sie soll die Gläubigen Tag und Nacht an ihren Glauben erinnern und ihre Identität prägen.
Speziell sind auch die Nachtaufen. Wer ins Paradies kommen will, sollte mormonisch getauft sein. Dieses Exklusivdogma hatte allerdings einen Pferdefuß: Die Mormonen realisierten, dass ihre Vorfahren nicht von dieser Gnade profitieren konnten und ein Wiedersehen mit den Ahnen im Paradies gefährdet war.
Sie ersannen einen Trick und führten die Stellvertreter-Taufen ein. Die Gläubigen betrieben akribisch Ahnenforschung und besitzen heute die weltweit umfangreichste genealogische Sammlung. Machen sie einen Ahnen ausfindig, kann sich ein Gläubiger an dessen Stelle taufen lassen.
Problematisch, wenn nicht sektenhaft, sind auch die Missionsmethoden. Junge Mormonen werden im Alter von etwa 19 Jahren für 1,5 bis 2 Jahre in fremde Länder geschickt. Sie müssen sich schon als Jugendliche auf ihre Einsätze vorbereiten und die entsprechende Sprache lernen.
Unmenschliche Verhaltensnormen
Die Verhaltensregeln sind unmenschlich. So dürfen die jungen Missionare nur ein paar Mal im Jahr Kontakt mit ihren Angehörigen aufnehmen. Mit ihnen also telefonieren oder ihnen schreiben. Die Kirche bestimmt ihr Leben und Verhalten bis in alle Details. Streng verboten ist beispielsweise ein enger Kontakt mit Fremden in ihrem Missionsumfeld. Die Kirchenführer fürchten wohl, die einsamen Missionare könnten Freundschaften mit Ungläubigen schließen oder sich gar verlieben und den Bettel hinschmeißen.
Auch in der Schweiz existieren Mormonen-Gemeinden. Die Gläubigen geben sich aber hierzulande vorsichtig und zurückhaltend. Sie wollen verhindern, als Sekte eingestuft zu werden, denn viele Gläubige sind erfolgreiche Geschäftsleute, die den Ruf ihrer Firma nicht gefährden wollen.
Fazit: Es besteht kein Zweifel, dass der Glaube, manche Dogmen und die Verhaltensvorschriften der Mormonen indoktrinierend wirken und sektenhafte Züge aufweisen.
Übernahme mit freundlicher Genehmigung von watson.ch.