Die dunkle Seite der Religionsfreiheit

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Die Religionsfreiheit ist zweifellos ein wichtiges Rechtsgut. Wir verdanken die Freiheit, den Glauben und die Religion immer und überall frei zu wählen, der Aufklärung und den Menschenrechten. Ein wichtiger Aspekt der Emanzipation. Die Religionsfreiheit hat aber auch einen Pferdefuß: Sekten und radikale Glaubensgemeinschaften reklamieren sie auch für sich, obwohl dies nicht dem ursprünglichen Sinn entspricht.

Der Vorteil für problematische Gruppen: Sie dürfen bei uns den öffentlichen Grund für ihre Missionsaktionen benutzen. Sprich: auf "Kundenfang" gehen. Noch wichtiger ist aber der soziale und rechtliche Schonraum, den sie genießen.

Politiker und Behörden fassen sie mit Samthandschuhen an, selbst wenn es sich um eine radikale Sekte handelt. Hissen diese die "Kirchenfahnen", werden viele Meinungsträger handzahm.

Ein Beispiel: Scientology-Gründer Ron Hubbard hat sein Kurs-Unternehmen 1954 unerwartet als Kirche bezeichnet, obwohl ein nach wie vor gültiges Dogma lautet: Scientology befasst sich nicht mit Gott. Die angebliche Kirche zahlte denn auch keine Steuern mehr. Teilweise auch in der Schweiz nicht. Oder: Scientologische "Geistliche" können sich in der Schweiz vom Militärdienst befreien lassen.

Es gibt aber einen anderen problematischen Aspekt der Religionsfreiheit, der gravierender ist, aber praktisch nie öffentlich thematisiert wird: Kinder können Opfer dieser Freiheit werden. Minderjährige haben nämlich keine Wahl.

Kinder sind gezwungen, den Glauben der Eltern anzunehmen

Sie sind gezwungen, den Glauben ihrer Eltern anzunehmen. In einer Mischehe verlangt die katholische Kirche sogar, dass die Kinder katholisch erzogen werden. Es versteht sich, dass auch die religiöse Erziehung den Eltern obliegt. Es besteht dabei aber die Gefahr, dass Kinder mit einem radikalen Glauben indoktriniert werden oder in einer Sekte aufwachsen müssen.

Wie tragisch und dramatisch dies sein kann, zeigen Beispiele aus islamistischen Milieus. Wenn zum Beispiel Kinder in der Familie radikalisiert und fanatisiert und schließlich in eine entsprechende Koranschule gesteckt werden, ist dies eine gefährliche Hirnwäsche, die in Terror münden kann.

Zwar erreichen Jugendliche [in der Schweiz, Anm. d. Red.] bereits mit 16 Jahren die religiöse Mündigkeit und können danach ihren Glauben selbst wählen, doch dies ist oft eine Scheinfreiheit. Denn Jugendliche, die in einer Sekte oder Freikirche aufwachsen sind, haben kaum eine Wahlfreiheit, die diesen Namen verdient.

Jugendliche brauchen oft viel Mut, den eigenen Glauben zu wählen

Denn Betroffene, die konvertieren oder der Glaubensgemeinschaft den Rücken kehren möchten, müssen mit massiven Reaktionen oder gar Repressionen von den Eltern, den Pastoren oder den Sektenführern rechnen. Nur sehr mutige junge Leute wagen diese Rebellion, die zu oft zum Ausschluss aus der Familie führt.

Aber auch Staaten können eine Art Indoktrination ausüben und die Religionsfreiheit indirekt missachten. Zum Beispiel: Christen, die in einem radikalen muslimischen Staat ihren Glauben ausüben wollen, müssen sich oft im Geheimen treffen. Den Wunsch, eine Kirche zu bauen, können sie ohnehin begraben.

Aber auch im atheistischen China wird die Glaubensfreiheit häufig beschnitten. Die muslimischen Uiguren werden in Straf- und Umerziehungslager verbannt, und auch Freikirchen werden oft unterdrückt.

Gegen die Missachtung der Religionsfreiheit hilft nur die Säkularisation und die Trennung von Kirche und Staat. Nur so kann viel individuelles Leid verhindert werden. Aber auch internationale religiöse Konflikte und Kriege.

Übernahme mit freundlicher Genehmigung von watson.ch.

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