Bürgerentscheid

Gemeinde im Westerwald will keinen Evolutionsweg

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Eines der Schilder des Evolutionsweges in Kyritz (Brandenburg)
Evolutionsweg-Schild zu Wirbeltieren

Die Evolution ist eine nicht überall gern gesehene Realität. Das wurde am vergangenen Sonntag in der beschaulichen Westerwald-Gemeinde Hellenhahn-Schellenberg deutlich: 1.001 Wahlberechtigte waren bei einem Bürgerentscheid dazu aufgerufen, für oder gegen die Errichtung eines Evolutionsweges zu stimmen. Sie lehnten ihn ab.

Die Evolutionstheorie wurde auf vielfältige Weise wissenschaftlich untermauert und ist die allgemein anerkannte Grundlage für die Entwicklung des Lebens auf der Erde. Als die Menschen noch keine Möglichkeiten hatten, der großen Frage "Woher kommen wir?" auf den Grund zu gehen, erdachten sie stattdessen Schöpfungsmythologien, um sich so die Entstehung der Welt zu erklären. Manche Menschen sind jedoch so verhaftet in ihrer mythischen Ersatzerklärung, dass sie diese nicht als solche erkennen können und gar als noch immer relevant gegenüber der Evolutionstheorie erachten.

Ein anschauliches Beispiel für diese paradoxe Situation lieferte nun der kleine Ort Hellenhahn-Schellenberg im Westerwald (Rheinland-Pfalz). Die dortige Bürgermeisterin, Birgit Schmidt, war auf den von den "Säkularen Humanisten Rhein-Neckar", einer Regionalgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs), entwickelten Evolutionsweg aufmerksam geworden, der mittlerweile an fünf Standorten in Deutschland die 4,6 Milliarden Jahre lange Geschichte von der Entstehung unseres Planeten bis zur Entwicklung des Menschen anschaulich darstellt. "Meine Intention war einfach: Toll, das ist Bildung, das ist Wissenschaft, das ist wie ein Museum im Freien", erklärte Schmidt ihre Motivation in einem Beitrag des SWR. Der Gemeinderat stimmte mehrheitlich für eine Verwirklichung auch in Hellenhahn-Schellenberg.

Doch die Bürgermeisterin hatte nicht mit den besorgten christlichen Bürgern ihrer gut 1.200 Einwohner zählenden Gemeinde gerechnet. Diese störten sich daran, dass öffentliche Gelder für ein von der gbs unterstütztes Projekt ausgegeben werden: Evolutionsweg-Gegner Günter Schmidt kritisierte im gleichen Beitrag den "Gebrauch der Steuergelder der Ortsgemeinde für eine doch sehr umstrittene Stiftung. Denn hinter diesem Evolutionsweg stehen die 'Säkularen Humanisten' der Giordano-Bruno-Stiftung, die ausgesprochen religionsfeindlich agieren".

Sie könne nachvollziehen, dass sich Leute an der gbs störten, räumte die Bürgermeisterin im SWR ein, das sei jedoch für den Evolutionslehrpfad "total irrelevant", da die Stiftung auf keinem Schild auftauchen würde. Ging es vielleicht also doch weniger um die gbs und mehr um den Inhalt?

"Wir leben im Jahr 2020, das müssen auch die Gegner akzeptieren"

Mit seiner Aussage "Ich habe nichts dagegen, wenn sie [die Bürgermeisterin, Anm. d. Red.] ihre evolutionäre und ihre atheistische Denkweise hier auslebt, aber bitte nicht auf unsere Steuerkosten", offenbarte dann auch Karl-Heinz Stinner, ein weiterer Aufkärungsgegner, gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Sender, wo der Dino eigentlich begraben liegt. Birgit Schmidt solle sich private Sponsoren suchen, wenn sie "ihr Lieblingsprojekt" unbedingt haben wolle.

Sie wolle niemanden umerziehen, stellte die Bürgermeisterin klar: "Jeder kann glauben, was er möchte." Laut einem Artikel des SWR fügte sie an anderer Stelle hinzu: "Wir leben im Jahr 2020, das müssen auch die Gegner akzeptieren. Wir können uns nicht zurück ins Mittelalter beamen. Alle, mit denen ich gesprochen habe, sagen, mach das, wir sind für Wissenschaft und wir wollen nicht rückständig sein."

Das sehen einige Ortsansässige offenbar anders: Allgemeine Steuergelder scheinen in ihren Augen nicht für wissenschaftliche Bildung vorgesehen zu sein. Wie viel davon auf der anderen Seite für religiöse Belange ausgegeben wird – ganz zu schweigen von der Präsenz des Religionsunterrichts gegenüber der Evolutionstheorie in öffentlichen Schulen – ist hpd-Lesern hinreichend bekannt.

Die Causa Evolutionsweg erhitzte die Gemüter der Hellenhahn-Schellenberger dermaßen, dass Mitglieder des Gemeinderates mitunter nicht mehr gegrüßt wurden oder Menschen ihren Namen aus Angst vor Anfeindungen nicht in der Zeitung lesen wollten. Es bildeten sich Lager für und gegen den Lehrpfad, die mit Plakaten, Flyern und online die Stimmberechtigten für ihre Position zu gewinnen suchten. Dass ein Einsatz für öffentliche Bildung im 21. Jahrhundert auf so viel Widerstand stößt, sicherte der kleinen Gemeinde gar einen Auftritt in der Satire-Sendung "extra 3".

Am vergangenen Sonntag sollten die Bürger des kleinen Ortes nun über die Verwirklichung der Idee des Evolutionsweges abstimmen. Sie wurde mit 339 zu 250 Stimmen abgelehnt.

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