Ein ideologischer Überbau des Terrors wird zehn Jahre alt

terror_spuerhund.jpg

Diesen Februar wird die Strategie der "Extinction of the Grey Zone" ("Auslöschung der Grauzone") zehn Jahre alt. Im Februar 2015 wurde sie in Dabiq, einem Online Magazin des Islamischen Staates (IS), in dessen siebter Ausgabe ausführlich beschrieben und bildet seitdem den ideologischen Überbau für Anschläge in der westlichen Welt, auch derjenigen in Augsburg, München und Villach. Ein Jubiläum, das keine Freude bereitet.

Das Online-Magazin Dabiq war eine Publikation des IS, die von Juli 2014 bis Juli 2016 erschien und sich in verschiedenen Sprachen, darunter Englisch, Französisch und Deutsch, an potentielle Dschihadisten in der westlichen Welt richtete. In ihm erschien im Februar 2015 ein Artikel unter dem Titel "The Extinction of the Grey Zone", in dem argumentiert wird, dass die Welt in zwei klare Lager geteilt werden müsse: das Lager "des Islam" und das Lager "der Ungläubigen".

Das Ziel dieser klaren Teilung sei es, Muslime weltweit, besonders aber diejenigen in der westlichen Welt, zu zwingen, sich dem IS anzuschließen oder als Feinde betrachtet zu werden. Das Mittel waren terroristische Angriffe, besonders auch auf Ziele der Zivilgesellschaft.

Diese sollten in westlichen Gesellschaften ein Klima der Angst und des generellen Misstrauens gegen Muslime schüren. Die Hoffnung war, westliche Gesellschaften dazu zu bringen, ihre muslimischen Gemeinschaften zu stigmatisieren und zu unterdrücken, so dass sich im Gegenzug die Muslime entscheiden müssten, sich dem "Kalifat" anzuschließen oder in einem feindlichen Umfeld zu leben.

Wer sich also schon immer gefragt hat, was islamistische Attentäter auf einer strategischen Ebene mit Anschlägen zu erreichen hoffen, erhält hiermit seine Antwort: Menschen in Angst versetzen und auf eine Spaltung der Gesellschaft hinarbeiten.

Dass es neben dieser strategischen aber natürlich auch eine ideologische Komponente gibt, die in der Ablehnung der modernen, liberalen Gesellschaft wurzelt, beschrieb man in Dabiq in der fünfzehnten und letzten Ausgabe vom Juli 2016 in einem Artikel mit dem Titel "Why we hate you & why we fight you" ("Warum wir euch hassen & warum wir euch bekämpfen"). Dort heißt es wörtlich: "Wir hassen euch, weil eure säkularen, liberalen Gesellschaften genau die Dinge zulassen, die Allah verboten hat." Unter den explizit genannten verbotenen Dingen findet sich dann zum Beispiel Homosexualität.

Diesen Kampf gegen die Moderne und die westlichen, liberalen Gesellschaften, der schon frühen Islamisten, wie Hassan al-Banna oder Sayyid Qutb, zu eigen ist, als bewaffneten Kampf auch nach Europa zu tragen, geht dabei auf den Strategen Abu Musab al-Suri und dessen 2004 oder 2005 erschienenes Werk "The Global Islamic Resistance Call" zurück. Dort ruft er zur Dezentralisierung und zu "führerlosem Jihad" auf und benennt den fernen Feind als das eigentliche Ziel, welches es zu bekämpfen gilt.

Er setzte auf sogenannte einsame Wölfe, die sich selbst radikalisieren und alle notwendigen Informationen im Internet finden, ohne dass sie logistische Unterstützung durch eine zentrale Organisation benötigen würden. Er wird damals noch nicht geahnt haben, wie perfekt diese Strategie zu den aufkeimenden Sozialen Medien und deren Radikalisierungspotential passen würde.

In den letzten Wochen haben wir erneut gesehen, wie diese Kombination auch zehn Jahre später ihre tödliche Wirkung entfaltet. Weitere Attentate zu verhindern ist Aufgabe der Behörden. Wir als Zivilgesellschaft sollten aber dafür Sorge tragen, dass wenigstens das Ziel der gesellschaftlichen Spaltung nicht erreicht wird.

Unterstützen Sie uns bei Steady!