In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Nature vom 9. Dezember 2019 berichten die Anthropologen Maxim Aubert und Adam Brumm und ihr Team von Griffith-University in Brisbane (Australien) von ihrer Forschungen auf der indonesischen Insel Sulawesi. Vor zwei Jahren haben sie eine prähistorische Höhlenmalerei mit Darstellung von Jägern und Beutetieren entdeckt. Die Datierung und Deutung des Kunstwerks sorgt nun in der Fachwelt für Aufsehen.
Das Bild erstreckt sich auf einer Breite von 4,50 Meter im Innern der Kalksteinhöhle Leang Bulu Sipong 4. Es zeigt sechs menschliche Figuren mit Tierattributen von Vögeln und Reptilien (sogenannte Therianthropen), die zwei Schweine und vier Zwergbüffel angreifen. Die Jagdtiere sind gegenüber den Jägern überproportional groß dargestellt. Die Mensch-Tier-Mischwesen gehen mit länglichen Objekten, die als Speere und Seile gedeutet werden, auf die Beute los. Die Figuren seien allesamt im selben Stil und mit derselben Technik mit dunkelroter Farbe aufgemalt worden.
Das Alter konnte mit Hilfe der Thorium-Uran-Methode auf 43.900 Jahre beziffert werden. Damit handelt es sich um das älteste figürliche Kunstwerk und die älteste Jagddarstellung in der Geschichte des Homo sapiens. Bislang hatte man die frühesten Kunstwerke in Europa gewähnt. Das Alter der Malereien in der Grotte Chauvet (Frankreich) sind auf 35.300 Jahre datiert. Die Jagdszenen in der Höhle von Lascaux (Frankreich) sind 20.000 Jahre alt. Die Malereien in der Altamira-Höhle (Spanien) entstanden im Zeitraum zwischen 16.500 bis 13.000 vor unserer Zeitrechnung.
Aubert und Brumm sehen in den Mensch-Tier-Mischwesen Hinweise auf die Anfänge religiösen Denkens der prähistorischen Menschen. Für die Forscher sind sie der Hinweis auf eine hochentwickelte Kultur mit folkloristischen Traditionen, religiösen Mythen und einem spirituellen Glauben. Der sogenannte Löwenmensch, ein Fund aus der Höhle Hohlenstein-Stadel auf der Schwäbischen Alb, galt bislang als älteste Darstellung eines solchen Hybridwesens. Diese aus Mammut-Elfenbein hergestellte Figur stellt einen Menschen mit dem Kopf und den Extremitäten eines Löwen dar. Ihr Alter wird mit circa 40.000 Jahren angesetzt.
Auch interpretieren die Australier die Jagdszene als frühestes Beispiel für eine szenische Erzählung. Dies ist besonders interessant, da die Entwicklung narrativer Fähigkeiten "der letzte und entscheidende Schritt in der Evolutionsgeschichte der menschlichen Sprache und der Entwicklung kognitiver Muster, die den modernen entsprechen" seien.
Allerdings gehen die Forscher mit den beiden Deutungen sehr weit, was bereits die Kritik der Kollegen auf den Plan gerufen hat. Weitere Entdeckungen, die Aufschlüsse über die Entwicklung des frühen Homo sapiens geben können, sind in Indonesien nicht auszuschließen. Bisher sind allein auf der Insel Sulawesi mindestens 242 Höhlen mit prähistorischen Malereien bekannt geworden und Neuentdeckungen kommen jährlich dazu.
Kurzes Video aus dem YouTube-Kanal der Griffith University Brisbane über die Entdeckung:
4 Kommentare
Kommentare
David See am Permanenter Link
in einem Buch von Arno Gruen habe ich gelesen das in Zeichnungen von vor 35-6Tausend Jahren der Gott ein Gott der Erlichkeit, der Sexuallietät, des Tanzes, der Freundschaft und des Vertrauens war.
Hans Trutnau am Permanenter Link
"Hinweise auf die Anfänge religiösen Denkens" - ist das Wunschdenken?
Jutta Zerres am Permanenter Link
Es ist zumindest stark umstritten. Die Forscher lehnen sich hier weit aus dem Fenster.
Ulrike Dahmen am Permanenter Link
Die frühen "religiösen" (was soll das in dem Zusammenhang überhaupt heißen?) Deutungen sind sehr zweifelhaft. Das kann man aus dem Buch "Eine kurze Geschichte der Menschheit" von Harari lernen.