Das von dem österreichischen Politikwissenschaftler Farid Hafez herausgegebene "Jahrbuch für Islamophobieforschung" enthält zahlreiche Beiträge zu unterschiedlichen Gesichtspunkten des Themas. Dabei fällt aber auch immer wieder auf, dass der zentrale Arbeitsbegriff nicht wirklich trennscharf definiert wurde.
Über den englischsprachigen Gebrauch fand auch "Islamophobie" in den deutschsprachigen Diskurs inhaltlichen Eingang. Dabei ist der Begriff in mehrfacher Hinsicht missverständlich: Er meint eigentlich erst mal nur Angst vor dem Islam, womit keine Diskriminierungspraktiken, sondern eben nur Phobien verbunden wären. Gemeint ist aber eben das, also die Benachteiligung und Herabwürdigung von Muslimen. Dann wäre aber möglichweise "Muslimenfeindlichkeit" der bessere Terminus gewesen.
Ein anderes Problem besteht darin, dass mit "Islamophobie" islamistische Organisationen eine Immunisierung vor Kritik beabsichtigen. Gleichwohl muss der Missbrauch eines Terminus nicht notwendigerweise gegen seine Verwendung sprechen – sofern er klar definiert wird. Der österreichische Politikwissenschaftler Farid Hafez gibt seit 2010 das bilinguale "Jahrbuch für Islamophobieforschung" heraus, das sozialwissenschaftliche Beiträge mit unterschiedlichen Methoden zum Thema einschlägiger Vorurteilsforschung veröffentlichen will.
Im Jahrbuch 2017 liefert er selbst eine einführende Darstellung zu den Schulen der Islamophobieforschung, wobei die Denkperspektive jeweils auf Dekolonialität, Machtverhältnisse oder Vorurteile gelegt wird. Dabei handelt es sich um eine gute Einführung zum Forschungsstand, wobei aber kritische Gesichtspunkte zum Islamophobie-Verständnis überhaupt nicht thematisiert werden. Hafez definiert: "Islamophobie ist antimuslimischer Rassismus." Doch damit wird die Begriffsbestimmung letztendlich auch nicht klarer, erfolgt doch hier eine Entdifferenzierung von "Rassismus". Weiter heißt es: "Islamophobie bedeutet, dass eine dominante Gruppe von Menschen Macht erstrebt, stabilisiert und ausweitet, indem sie einen Sündenbock imaginiert, der real existiert oder auch nicht, und diesen Sündenbock von den Ressourcen, Rechten und der Definition eines kollektiven 'wir' ausschließt" (S. 19). Damit wären dann als konkret Betroffene wiederum Muslime gemeint, was die Bezeichnung "Muslimenfeindlichkeit" als angemessener erscheinen lässt.
Andere Beiträge von Sozialwissenschaftlern gehen auf die Konstruktion der muslimischen Frau in den Printmedien ein, fragen nach den Möglichkeiten von NGOs bei der Bekämpfung von Islamophobie, analysieren die Stimmung gegen Muslime im republikanischen Vorwahlkampf in den USA oder problematisieren den Arbeitsmarktzugang hijabtragender Frauen in Österreich. Hafez legt im Band von 2017 auch einen "Österreichischen Islamophobie Bericht" für 2016 vor, welcher sich wie ein gesondert zum Thema formulierter Verfassungsschutzbericht liest.
Das Jahrbuch für 2018 enthält Analysen zu den parlamentarischen Debatten zum Islamgesetz in Österreich, zur Differenz in der Wohnraumvermittlung für Geflüchtete, zu Nationalismus und Islamophobie im Kontext der europäischen Flüchtlingskrise, zum Status von muslimischen Studierenden oder zur Macht des Humors bei der Islamophobie-Bekämpfung. Demnach hat man es sowohl mit inhaltlich wie methodisch ganz verschiedenen Aufsätzen zum Themenkomplex zu tun.
In der erwähnten Definition von Hafez hieß es auch: "Kritik an MuslimInnen sowie an der islamischen Religion ist nicht gleichzusetzen mit Islamophobie" (S. 19). Das ist eine wichtige Differenzierung, der aber keine weiterführenden Erläuterungen folgen. Genau dies wäre aber angemessen, um eine politische Instrumentalisierung des "Islamophobie"-Verständnisses zu vermeiden. Denn ansonsten rechnet man der gleichen Ebene demokratisch-menschenrechtliche Einwände wie fremdenfeindlich-stereotype Kommentare zu. Dies soll zwar laut dem Herausgeber vermieden werden, gleichwohl fehlt es an einem entwickelten Unterscheidungsinstrumentarium. Derartige Notwendigkeiten sehen auch die meisten anderen Verfasser nicht und insofern erhält das inhaltliche Gesamtprojekt einen leicht apologetischen Zug. Letztendlich wird dann immer wieder betont, was Islamophobie sein soll, aber nicht, was Islamophobie nicht ist. Dem zentralen Analyseinstrument fehlt dadurch die notwendige Trennschärfe. Und genau dieses Problem zieht sich durch viele Texte.
Farid Hafez (Hrsg.), Jahrbuch für Islamophobieforschung 2017, Wien 2017 (new academic press), 187 S.
Farid Hafez (Hrsg.), Jahrbuch für Islamophobieforschung 2018, Wien 2018 (new academic press), 139 S.
18 Kommentare
Kommentare
Helmut Lambert am Permanenter Link
Dass der Begriff Islamophobie sogar in angeblich wissenschaftlichen Publikationen verwendet wird, ist ein Armutszeugnis. Wenn ich etwas gegen die Kath. Kirche habe, bin ich doch nicht "katholophob"!
Der Begriff soll eine Dominanz in der Diskussion herstellen durch 1. Diskriminierung rationaler Argumente gegen den Islam und 2. die Verdeckung dieser Absicht indem man den Diskutanten als von vorneherein irrational und krank (Phobien) darstellt. Dann ist er und nicht eine Weltanschauung/Religion das Problem. Erstaunlich, dass der angeblich wissenschaftliche Verfasser des Jahrbuchs einen solch üblen Begriff benutzt.
Ulf am Permanenter Link
Nicht erstaunlich, wenn man etwas tiefer zur Person des Autors dieser hier besprochenen annualen Schrift gräbt.
In seinen Augen sind z.B. Hamed Abdel Samad oder Sayran Ates profilierte "Islamophobe".
Grundsätzlich fällt auf, dass er weniger in der Sache diskutiert, sondern sofort personifiziert gegen Kritiker vorgeht. Populismus und Islamophobe sind dabei offensichtlich seine favorisierten Begriffe, statt ziehende Argumente ergebnisoffen zu präsentieren.
Gerade die u.a. auch bei HPD positiv rezensierten Mitmenschen, wie die beiden oben Aufgeführten, oder auch M.Khorchide oder Ednan Aslan, die sich um einen säkularisierten, liberalen Islam bemühen, gehören zu seinen erklärten Gegnern.
https://de.qantara.de/inhalt/islamdebatte-in-oesterreich-welcher-islam
https://www.nzz.ch/extremismus-praevention-im-schatten-der-muslimbruderschaft-ld.1295428
Helmut Lambert am Permanenter Link
Vielen Dank.
Dann war die Rezension ja etwas zu unkritisch.
Markus Schiele am Permanenter Link
Hafez definiert: "Islamophobie ist antimuslimischer Rassismus."
So ein hanebüchener Unfug! Ich kann mich dem Rezensenten als auch Helmut Lambert nur anschließen. Warum verwendet man Begriffe nicht einfach nur dafür, was sie wörtlich beschreiben? Ich rege mich über die Verwendung des Wortes "Islamophobie" schon seit Jahren auf und jetzt wird in einer wissenschaftlichen Publikation noch ins gleiche Horn gestoßen, anstatt die Begriffe endlich gerade zu rücken!
Ich zum Beispiel habe weder Angst vor dem Islam, noch habe ich etwas gegen Muslime. Letztere sind größtenteils einfach nur Menschen, die aufgrund geografischer und biografischer Zufälle von bestimmten Memen befallen wurden. (Hätte mir genauso passieren können.) Wohl aber habe ich etwas gegen den Memkomplex Islam (den Sam Harris so treffend "the motherload of bad ideas" nennt), und zwar wohlbegründet und aufgrund ausfürlicher Beschäftigung mit der Thematik. Und zwar aus ethischen Gründen! Und genau wie dem Islam, stehe ich auch dem Christentum und anderen Religionen feindlich gegenüber. Und nochmal zum Mitschreiben: aus ethischen Gründen!
Warum fällt es so vielen Leuten so schwer, zwischen Menschen und Ideen zu differenzieren? Warum darf man keine Ideen bekämpfen, ohne gleich als Menschenfeind diffamiert zu werden? Wahrscheinlich deshalb, weil viele gar nicht an Differenzierung interessiert sind, sondern einfach nur Gründe suchen, um diffamieren zu können ...
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
richtig, so ist es und nicht anders !!!
David Z am Permanenter Link
Einem Wissenschaftler sollte der unscharfe und ideologisch vorbelastete Begriff "Islamophobie" selbstverständlich bewust sein.
Roland Fakler am Permanenter Link
@ Markus Schiele Ich möchte hinzufügen: Nicht nur aus ethischen Gründen habe ich etwas gegen den Islam, obwohl es allein schon ein gutes Argument wäre, nicht Anhänger eines mehrfachen Mörders sein zu wollen.
A.S. am Permanenter Link
.. solange es noch möglich ist.
Sehr gut, Herr Fakler. Ich wäre froh, diese Möglichkeit auch noch unseren Kindern und Enkeln zu erhalten. Und da sind die Linken in ihrer (mehrheitlichen) Dummheit leider das innenpolitische Haupthindernis, schlimmer noch als die Kirchen.
Norbert Krüger am Permanenter Link
Wer sind die dummen "Linken"? Fällt Ihnen sonst nichts Ein?
A.S. am Permanenter Link
Die "dummen Linken" sind für mich all jene links der politischen Mitte, die von den Bürgern Deutschlands fordern, den Islam "gut" zu finden und begrüßen, dass es außer dem christlichen Unfug nun au
Die Aufklärung war einst angetreten, die Menschen aus der geistigen Bevormundung der Kirche herauszuführen. Damit kann unmöglich die Überführung der Menschen aus der christlichen Bevormundung in eine islamische Bevormundung gewesen sein.
Die Forderung nach "religiöser Toleranz" ist keine Forderung der Aufklärung. Religiöse Toleranz ist der politische Status Quo nach dem 30-jährigen Krieg und im Kontext der damaligen Zeit sicher ein Fortschritt. Das Weltbild-Monopol der katholischen Kirche wurde so gebrochen und das Zeitalter der Aufklärung möglich.
Heute wird die Forderung nach "religiöser Toleranz" von Religionsgemeinschaften erhoben, die ungestört missionieren und Gehirnwäsche an ihren Mitgliedern betreiben wollen. Im heutigen Kontext ist die Forderung nach religiöser Toleranz fragwürdig, wenn nicht sogar rückschrittlich.
Meiner Ansicht nach wäre heute statt "religiöser Toleranz" zu fordern, dass keinem Menschen, insbesondere keinem Kinde, eine Religion aufgezwungen werden darf.
DAS wäre eine aufklärerische Forderung auf der Höhe der Zeit und den "Linken" angemessen.
Norbert Schnitzler am Permanenter Link
Es ist sowieso nicht gut, medizinische Begriffe für den politischen Kampf zu verwenden.
Aber anders als etwa die Bezeichnung eines etwas beratungsresistenten Politikers als "Autisten" (ich erinnere mich an Scharping) oder eines Dilemmas als "schizophren" sollten gerade angebliche Phobien geächtet sein. Die Gründe sind genannt worden, weshalb ich sie nicht wiederhole, sondern lieber auf eine verblüffend einfache Erklärung Timothy Garton Ashs hinweise: Gegen eine Hautfarbe gibt es kein Argument, gegen eine Religion wohl.
A.S. am Permanenter Link
"Islamophobie" und die Gleichsetzung von Islamkritik mit Rassismus sind islamistisches Kampfvokabular, das in der politischen Diskussion von den Linken unreflektiert übernommen wird um gegen "Populismus
Religion ist die hohe Kunst tiefenpsychologischer Manipulation!
Die Frommen wissen sehr gut, die Friedens- und Hamoniesehnsüchte der westlichen Menschen für ihre Unterwanderungs- und Herrschaftsinteressen zu nutzen.
Norbert Krüger am Permanenter Link
Ihre Argumente würden überzeugender sein, wenn Sie "Linke, Fromme" nicht diskriminieren würden.
A.S. am Permanenter Link
Ich werfe den "Linken" Verblendung/Dummheit vor, den "Frommen" Manipulation. Das ist in einer politischen Auseinandersetzung normal. Was ist daran "diskriminierend"?
Ihr Totschlagsargument "Diskriminierung" läuft leer, Herr Krüger.
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Je nun, A.S.,
A.S. am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Büchner,
A.S. am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Pfahl-Traughber,
Religionen gibt es schon sehr lange, wesentlich länger als es schriftliche Dokumente gibt.
Von steinzeitlich lebenden Stämmen wissen wir, dass sie ihre Götter genau dann anrufen, wenn es zu einer gefährlichen Jagd geht oder in den Krieg gegen einen der Nachbar-Stämme.
Wann immer ein Stamm sich versammelte und seine Götter anrief, wussten die in der Nachbarschaft lebenden Menschen, dass es für sie gefährlich wurde. Eine entsprechende Alarm und Abwehr-Reaktion dürfte genetisch in uns Menschen veranlagt sein.
Wann immer sich eine religiöse Gruppe zusammenrottet und ihre Götter anruft, die NICHT die Götter des sozialen Umfelds sind, wird das soziale Umfeld feinschaftlich reagieren.
Meiner Meinung nach gehört diese unwillkürliche, feindselige Reaktion auf andere Religionen, die die Ursache für Anti-Semitismus, Islamophobie, Christianophobie (in nicht-christlichen Gesellschaften), usw. ist, zum steinzeitlichen psychogenetischen Erbe der Menschheit.
Je mehr eine religiöse Minderheit sich zu Gruppen zusammen rottet und je mehr diese Gruppe ihre Minderheitsreligion zur Schau stellen, desto mehr Feindseligkeit ihrer Umgegung wird diese Minderheit erfahren.
Wer eine Krieg gegen eine religiöse Minderheit anzetteln möchte, braucht nur diese Minderheit zu animieren, in Gruppen ihre Religiösität zur Schau zu stellen. Auf diese zur Schau Stellung reagiert die Umgebung INSTINKTIV aggressiv. Das macht der Minderheit Angst. Demonstiert diese daraufhin noch mehr Religiosität, reagiert die Umgebung heftier und so eskaliert das Ganze dann bis zum Religionskrieg. INSTINKTGESTEUERT!
Dieser Prozess wird in Deutschland von den Islamisten losgetreten (in der Hoffnung auf muslimische Solidarität) und von Christen mit u.a. Söders Kruzifixen beantwortet.
Die "Islamophobie"-Diskussion ist meines Erachtens Teil der Islamistischen Kampagne, die übrigen Muslime zu muslimischen Solidaritätsbekundungen zu animieren. Ziel: religiöse Eskalation.
Sie, Herr Pfahl-Traughber, und andere "Aufgeklärte" sollten sich nicht leichtfertig vor den Karren der Islamisten spannen lassen. "Islamophobie" wird von islamistischer Seite gezielt herbei geredet.
Das ist das Anliegen von Farid Hafez u.a.
Wir wir mit unseren religiösen Instinkten sinnvoll und deeskalierend umgehen, ist eine andere Frage.
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Du meine Güte A.S.,
"Von steinzeitlich lebenden Stämmen wissen wir, dass sie ihre Götter genau dann anrufen, wenn es zu einer gefährlichen Jagd geht oder in den Krieg gegen einen der Nachbar-Stämme.
Nein WISSEN wir nicht! Sie haben es uns nämlich weder schriftlich noch auf Bild- oder Tonträger übermittelt. Es gibt Leute, die nehmen das an, es gibt andere, die nehmen das nicht an. Sie sollten lernen Tatsachen und Behauptungen auseinander zu halten, das kann der Diskussion nur förderlich sein.