Wie der Glaube ins Filmformat passt

Kino für Gott

ben_hur_urauffuehrung.jpg

Weltpremiere des Films Ben Hur im Loew's State Theatre in New York City am 18. November 1959
Weltpremiere des Films Ben Hur

Das Kino hat schon immer große Geschichten erzählt – über Liebe, Krieg, Verrat und Hoffnung. Kein Wunder also, dass auch die christliche Botschaft ihren festen Platz auf der Leinwand gefunden hat. Manche Filme tragen ihren religiösen Anspruch offen zur Schau, andere verstecken ihn geschickt hinter universellen Themen wie Erlösung, Vergebung oder Opferbereitschaft.

Für viele der Boomer-Generation war es ein prägendes Kinoerlebnis: "Ben Hur" – prachtvoll inszeniert, mitreißend erzählt und mit einer Botschaft, die auch ohne sonntäglichen Kirchgang klar war. Wer als Kind staunend das legendäre Wagenrennen verfolgte, spürte den Adrenalinkick der Hollywood-Ära: staubige Arena, donnernde Hufe, erbitterte Rivalität. Der Triumph des Helden schien damals vor allem ein Sieg der Gerechtigkeit zu sein – dabei war er zugleich der Triumph des Glaubens. Denn "Ben Hur" erzählt nicht nur von persönlicher Rache und Erlösung, sondern von einer spirituellen Wiedergeburt: vom Hass zum Glauben, von der irdischen Vergeltung zur göttlichen Vergebung. Die Verwandlung des jüdischen Fürsten zum Christen war dabei weniger subtiler Erzählstrang als epische Missionsstunde im Breitbildformat – nur dass die meisten Zuschauer es kaum bemerkten.

Auch heute funktioniert das cineastische Geschäft mit dem Glauben in ähnlicher Weise. Filme nutzen die Macht der Bilder, um mehr zu vermitteln als nur eine gute Geschichte: Es geht um Glaubensverbreitung. Um eine christliche Wahrheit, die mal unterschwellig mitschwingt, mal unverblümt im Mittelpunkt steht. Der moderne Zuschauer soll berührt werden – und idealerweise bekehrt.

Bekehrung im Kinoformat

In Filmen wie "Die Passion Christi" – der überzeugte Katholik Mel Gibson fungierte als Regisseur und Produzent – läuft die religiöse Botschaft kaum verbrämt über die Leinwand: Leiden und Opfer Jesu mit solcher Detailverliebtheit inszeniert, dass der Schmerz fast zur Waffe wird. Jede Szene zielt nicht nur auf Mitgefühl, sondern auf tiefe Ergriffenheit – und letztlich auf Zustimmung. Auch Produktionen wie "Gott ist nicht tot" oder "War Room" machen keinen Hehl daraus, was sie antreibt: Glaube ist hier nicht individuelles Ringen, sondern der einzig wahre Weg – alles andere erscheint als moralischer oder geistiger Irrtum. Der Zuschauer soll nicht zweifeln, sondern von der Offenbarung des Evangeliums ergriffen werden. Wer am Ende nicht zu Tränen gerührt dasitzt und sich vor der göttlichen Agenda verneigt, hat offenbar die Lektion verpasst.

Ganz vorn dabei: "The Chosen". Die erste Serie über das Leben Jesu, die sich als modern, relevant und authentisch präsentiert. Technisch solide, emotional aufgeladen – aber letztlich eine audiovisuelle Pilgerreise mit eingebauter Heiligsprechung. Zweifel, Mehrdeutigkeit oder Distanz? Fehlanzeige. "The Chosen" ist Netflix für Bekehrte und läuft inzwischen auch als App. Netflix hat noch weitere explizit christliche Filme im Angebot, so unlängst "The Forge – Die Schmiede des Herzens".

Gerade im amerikanischen "faith-based"-Kino geht es selten um ehrliche Auseinandersetzung mit Religion, sondern um Bestätigung der eigenen Überzeugung. Atheisten oder Andersgläubige werden wie in "Gott ist nicht tot" häufig karikaturenhaft gezeichnet: gebrochen, zynisch oder am Ende doch heimlich auf der Suche nach Gott. Diese Narrative befeuern keine gesellschaftliche Verständigung, sondern verstärken die kulturelle Echokammer. Religiöse Erweckung wird als alternativloser Endpunkt erzählt – nicht als Möglichkeit unter vielen. Der Film "Bonhoeffer" (2024) über das Leben des deutschen Theologen und Widerstandskämpfers wurde von den christlichen Angel Studios produziert und ist auch in deutschsprachigen Kinos gezeigt worden. Bonhoeffers Hinrichtung wird als Märtyrertod inszeniert, ein mit kitschigem Pathos aufgeblasener finaler Akt der Heiligsprechung.

Subtile Verkündigung – Glaube im Tarnmodus

Andere Filme hingegen nutzen christliche Motive, ohne sie plakativ auszustellen. "Der Prinz von Ägypten" erzählt als Zeichentrickfilm die Exodus-Geschichte in epischer Breite, bleibt dabei aber offen genug, um auch als universelle Befreiungsgeschichte zu funktionieren. In "Die Chroniken von Narnia" (nach den Büchern des überzeugten Christen C.S. Lewis) tritt Jesus in der Gestalt des Löwen Aslan auf – ein Heilsbringer, der sich opfert und aufersteht. Hier werden religiöse Symbole elegant in Fantasywelten übersetzt, doch die Botschaft bleibt eindeutig: Opfer, Glaube und Erlösung führen zum Sieg.

Auch in Filmen wie "I Can Only Imagine", "Jesus Revolution", "Facing the Giants" oder "Die Hütte – Ein Wochenende mit Gott" wird die christliche Weltsicht eher emotional vermittelt als argumentativ verteidigt. Gefühle und Heilung, Versöhnung und Neuanfang werden geschickt genutzt, um religiöse Erlebnisse als tiefere Wahrheiten zu stilisieren – eine emotionale Strategie, die kaum Raum für kritische Distanz lässt. Die cineastische Kunst tritt in den Hintergrund, solange die Botschaft stimmt. Besonders dreist ist der Film "Unplanned" (2019), der Abtreibungen emotional verurteilt und dessen deutsche Synchronisation von der Stiftung Ja zum Leben finanziert wurde. Noch immer hoffen evangelikale Christen in den USA, dass sich die göttliche Botschaft im glaubensbasierten Kino verbreitet. Pastoren werden zu Filmproduzenten, Regisseure können ihren Bekenntniseifer ausleben. Als Pendant zur Oscarverleihung werden seit 1993 die "Movieguide Awards" in so tollen religiösen Kategorien wie "The Grace Award" und "The Faith and Freedom Award" verliehen. Sehenswert hierzu ist der aktuelle Arte-Film "Godlywood – Blockbuster im Namen des Herrn".

Auch europäische oder deutsche Produktionen streifen das Thema – wenn auch leiser. Historienfilme wie "Luther" (2003) oder "Katharina Luther" (2017) zeichnen zwar die Biografien religiöser Figuren nach, tragen aber oft ebenfalls unterschwellige Missionsbotschaften in sich: Glaube als Quelle von Wahrheit, Rebellion ist nur dann gut, wenn sie in göttlicher Bestimmung wurzelt. Besonders im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, etwa bei ARD oder ZDF, wird das religiöse Narrativ häufig traditionsbewusst, aber kaum kritisch dargestellt.

Der sanfte Druck zur Ergriffenheit

Wenn Filme nicht erzählen, sondern bekehren wollen, wird aus ästhetischer Freiheit eine geistige Gängelung. Missionierende Filme arbeiten mit emotionalen Mechanismen – Schuld, Hoffnung, Erlösung – um nicht zum Denken, sondern zum Glauben zu bewegen. Die Weigerung, diese Strategie zu hinterfragen, wird oft selbst religiös verteidigt: Kritik gilt schnell als Ignoranz gegenüber einer "tieferen Wahrheit". So entsteht eine kulturelle Schieflage: Das Kino als Kanzel, der Zuschauer als latent bekehrungsbedürftige Seele. Natürlich darf Film religiöse Fragen aufwerfen – Sinn, Transzendenz, Moral. Doch Kunst, die nur eine Antwort kennt, verliert ihre Offenheit. Gute Erzählungen leben vom Zweifel, nicht vom Dogma. Wenn der Glaube nicht mehr Thema, sondern Voraussetzung des Films ist, wird aus dem Kino eine Vorhalle zum Gotteshaus.

Gerade deshalb wäre eine neue Form der Transparenz überfällig: "Triggerwarnung – dieser Film verfolgt eine explizit missionarische Absicht". Was für Gewalt, Sex oder Drogenkonsum längst üblich ist, sollte auch für geistige Übergriffigkeit gelten. Denn auch ideologische Manipulation kann verstören – subtiler vielleicht, aber nicht minder wirksam.

Filme mit religiöser Agenda sind kein Ausdruck pluralistischer Vielfalt, sondern ein Versuch zur Weltdeutung mit Alleinvertretungsanspruch. Sie tarnen Glaubensvermittlung als Unterhaltung, ersetzen Ambivalenz durch Heilsgewissheit – und beanspruchen Deutungshoheit über das menschliche Erleben. Die Kamera wird zur Offenbarung, das Drehbuch zur Predigt. Mission bleibt Mission. Egal ob mit Schwert, Bibel oder Film.„"

Unterstützen Sie uns bei Steady!