Im Juli hatte der Ältestenrat der Stadt einer Einladung zugestimmt, jetzt nahm sie der Kirchentagsveranstalter an. Die Frankenmetropole will sich mit insgesamt rund vier Millionen Euro an den Kosten des Protestantentreffens beteiligen, was sich aber für die Stadt auszahlen soll. Die Argumente dafür sind nicht neu – und wurden in der Vergangenheit des Öfteren widerlegt.
Jetzt ist es also amtlich: Der evangelische Kirchentag 2023 findet in Nürnberg statt. Das hat das Präsidium des Kirchentages beschlossen. Bereits im Juli hatte der Ältestenrat der Stadt Nürnberg einstimmig dafür votiert, das Kirchenevent zu sich einzuladen. Diese Einladung nahm der Veranstalter nun an, andere Bewerber habe es nicht gegeben. 1979 war die Frankenmetropole schon einmal Gastgeber, seit 2013 war sie nun wieder als Austragungsort im Gespräch.
"Herausragend" sei das damals gewesen, findet Julia Helmke, Generalsekretärin des Kirchentags. Viele Ideen seien hier "erstmals entwickelt" worden, wie beispielsweise das "Feierabendmahl" oder ein eigenes Filmprogramm. Helmke freut sich sehr über die Einladung "in diese Stadt der Reformation (…)". Man wolle zeigen, dass Kirche "gesellschaftliches Gewicht" habe, so Stadtdekan Jürgen Körnlein. Aber auch für kirchenferne Menschen werde es "eine höchst unterhaltsame und spannende Zeit", ist er sich sicher. Jeder solle sich schon mal Urlaub eintragen. Vielleicht muss man das gar nicht – Kirchentage werden erfahrungsgemäß nämlich sogar als Bildungsurlaub anerkannt.
Kosten soll das Christentreffen 22 Millionen Euro. Die Stadt Nürnberg plant, sich mit drei Millionen Euro zuzüglich einer Million Euro in Form von Sachleistungen zu beteiligen, wie die Nürnberger Nachrichten in ihrer Printausgabe Ende Juli berichteten. Die Verschuldung der Stadt betrug im Jahr 2017 1,36 Milliarden Euro. Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) hält diese Finanzierung dennoch für "kein Problem", der Beitrag sei "angemessen", so berichtete die Zeitung. Die finanzielle Beteiligung der Stadt wird in der Berichterstattung zur Selbstverständlichkeit erklärt: "Um das Großereignis zu stemmen (…), müssen die ausrichtenden Städte einen Teil des Aufwands übernehmen und zum Beispiel Schulräume als Übernachtungsquartiere oder öffentliche Plätze kostenfrei zur Verfügung stellen", heißt es da. Im Artikel von dieser Woche steht gar: "Der Kirchentag kommt nicht ohne erhebliche Zuschüsse aus – andernfalls müsste er so hohe Teilnehmerbeiträge verlangen, dass die angestrebte breite Beteiligung nicht zu erreichen wäre." Das Gesamtvermögen der evangelischen Landeskirche Bayern betrug 2014 rund drei Milliarden Euro.
"Mehr als ausgeglichen" werde die städtische Förderung durch den "Umsatzschub" in Gastronomie und Handel sowie die Berichterstattung in den Medien und den "touristischen Werbeeffekt". Wieder rechnet man mit 100.000 Besuchern, obwohl der letzte Kirchentag im Jahr 2017 zumindest in Teilen ein Flop war. Maximilian Steinhaus, Pressesprecher der Kunstaktion "11. Gebot – Du sollst deinen Kirchentag selbst bezahlen!" sind die Pro-Argumente rund um Kirchen- und Katholikentage – die Glaubensfeste der beiden Großkirchen finden im jährlichen Wechsel statt – bestens vertraut. Und er weiß sie zu widerlegen. Beispielsweise sei es ein Mythos, dass sich die "Investitionen" der Städte auszahlen würden: "Die Hochschule Bremen hat in einer Marktforschungsstudie über den Kirchentag 2009 herausgefunden, dass es während der Veranstaltung sogar ein deutliches Umsatzminus von bis zu 40 Prozent beim Innenstadteinzelhandel gab", so Steinhaus. Und was das Interesse von Nicht-Gläubigen an der evangelischen Kirchenparty angeht, hat er ebenfalls Zahlen parat: Gerade einmal 4,8 Prozent der Besucher des Kirchentages 2015 in Stuttgart gehörten keiner der beiden christlichen Konfessionen an. 2017 waren es sechs Prozent. Abgesehen von diesen Zahlenspielereien sei eine Finanzierung durch allgemeine Steuergelder verfassungswidrig, denn: "Das Grundgesetz verpflichtet den Staat zu weltanschaulicher Neutralität", weiß Steinhaus.
Das 11. Gebot begleitet die Sommerfeste der beiden christlichen Kirchen bereits seit 2014 kritisch. In Erfurt, wo 2024 der Katholikentag stattfinden und mit 600.000 Euro von der Stadt gefördert werden soll, wandten sich dortige Bürger an die Aktivisten, nachdem sie im Frühjahr mit ihrer drei Meter hohen Moses-Figur die Stadt besucht hatten. Mit Unterstützung der Kunstaktion reichte die Initiative "Erfurt zahlt nicht!" Mitte des Monats einen Antrag für ein Bürgerbegehren gegen die Förderung ein. Auch Nürnberg will der Moses noch besuchen kommen.
6 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
Da hat's der Moses aka David von Augsburg ja nicht so weit - viiieeel Erfolg!
Wolfgang Schaefer am Permanenter Link
Diese Kirchentage in Deutschland mutieren allmählich zu einer Seuche.
Und wo blieben die Massen? In Fußballstadien und auf Oktoberfesten ist mehr los!
Kay Krause am Permanenter Link
Wieviele Jahre müssen wir noch diese ewig gleichen Artikel lesen, die ewig gleichen Kritiken, die nichts bewirken, welche die Kirchen nicht zur Einsicht, zur Vernunft bringen?
Wünsche einen fröhlichen Kirchentag!
Wolfgang Schaefer am Permanenter Link
Solange das Christentum und die Kirchen unter staatlicher geschützter Obhut bestehen, wird sich an dem 2000jährigen Verdummungsgebot nichts ändern. Da sind wir machtlos!
"Halt du sie dumm, ich mach sie arm!"
Reinhard Mey
Arno Gebauer am Permanenter Link
Moin,
Kirchentage sind die aus öffentlichen Haushalten finanzierten „Messetage“ einer spezifischen Religionsorganisation.
Sie sind ein Zeichen für die maßlose Privilegierung von Gläubigen und ein Zeichen
einer säkularfeindlichen Politik.
Die überzogene Außendarstellung der Religionsorganisation fällt allen Nicht-Religiösen und
auch allen in anderen Religionsorganisationen zugehörigen Gläubigen immer mehr auf den
Wecker!
Überall sind Hinrichtungskreuze aufgestellt und aufgehängt und überall wird man mit dem
religiösen Gesülze beschallt.
Das Schlimmste ist, dass so christliche Überzeugungen für alle Bürger verpflichtend gemacht werden!
Für Kirchen zahlen andere die Gebühren!
1% der GEZ-Gebühren kassieren die Kirchen über kostenfreie Sendungen im öffentlich
rechtlichen Rundfunk und Fernsehen, obwohl sie eigene Sendeanstalten betreiben!
Körperschaftsrecht für Religionsgemeinschaften müssen schnellstens abgeschafft werden!
Ich bin versucht, mich jedesmal, wenn jemand öffentlich seinen Glauben
bekundet, so sehr beleidigt zu fühlen, dass ich den unbändigen Drang
verspüre, den öffentlichen Frieden zu stören.
Ich würde mich sehr schämen zu sagen: “Ich bin gläubig!“
Viele Grüße
Arno Gebauer
M. Becker am Permanenter Link
Hier auf dem Land ist fast jede Kreuzung mit dem Abbild eines zu Tode gefolterten Mannes dekoriert. Verstanden habe ich das noch nie. Eigentlich ist das gar nicht jugendfrei.