Hitzewellen, Dürre und Waldbrände einerseits, Starkregen und Überschwemmungen andererseits – Extremereignisse werden immer häufiger und heftiger. Der Klimawandel ist inzwischen für viele Menschen spürbar. Und die Klimastatistik eilt in den vergangenen Jahren von Rekord zu Rekord. Dieser Artikel beantwortet Fragen zum aktuellen Stand der Forschung, ob die Erderwärmung doch eher am oberen Rand der Prognose verläuft, ob wir also einen extremen Klimawandel erleben. Und er führt aus, warum es sich lohnt, um jedes zehntel Grad weniger Erwärmung zu ringen.
Da es im Klimasystem viele komplexe Rückkopplungen etwa mit der Wolkenbildung gibt, macht der aktuelle Sachstandsbericht des Weltklimarats für die Erderwärmung, genauer gesagt die Klimasensitivität, eine Prognose mit einer gewissen Bandbreite: Falls sich die CO2-Konzentration in der Atmosphäre im Vergleich zur vorindustriellen Zeit von 280 ppm auf 560 ppm verdoppelt – 2024 lag sie bei knapp 423 ppm –, steigt die globale Durchschnittstemperatur langfristig um 2,5 bis 4 Grad Celsius. Der beste Schätzwert liegt demnach bei 3 Grad Celsius, wobei die Temperatur an den Polen, aber auch in Europa deutlich stärker steigt.
Vollzieht sich der Klimawandel in einem Worst-Case-Szenario?
Nein. Bis jetzt verläuft er, zumindest auf globaler Ebene, ziemlich genau wie erwartet. Es gibt aber besorgniserregenden Anzeichen. Aber so wie ein paar Jahre ohne globalen Temperaturanstieg kein Grund zur Selbstzufriedenheit sein sollten, sollte man auch ein paar Jahre mit einem starken Anstieg der globalen Temperaturen nicht überbewerten.
Haben die Klimamodelle die Zunahme und Intensivierung von Extremereignissen vorhergesagt?
Die Klimaforschung erwartet seit langem, dass Extreme, insbesondere solche, die mit dem Wasserkreislauf zusammenhängen, überproportional zunehmen. Aus physikalischen Berechnungen ergibt sich, dass die Niederschlagsmenge bei Extremereignissen pro Grad Erwärmung um etwa sieben Prozent zunehmen wird. Das bedeutet fast 25 Prozent mehr Niederschlag durch Starkregen bei drei Grad Erwärmung. Es fallen oft große Regenmengen auf einmal, aber auch Trockenperioden nehmen zu. Das ist eine tiefgreifende Veränderung, und einige Studien deuten darauf hin, dass noch größere Veränderungen möglich sind, wenn sich die Art der Stürme an einem bestimmten Ort ändert. Was wir sehen, ist schlicht und einfach ein sich vollziehender Klimawandel. Für manche mag es überraschend sein, dass die Veränderungen plötzlich greifbar werden. Denn das abstrakte Wissen, dass sie irgendwo und irgendwann eintreten könnten, ist etwas anderes, als sie in der Realität zu erleben.
Nachholbedarf bei der Anpassung an den Klimawandel
Wie häufig sind extreme Hitze und extreme Niederschläge künftig zu erwarten und was bedeutet das für Mensch und Natur?
Der Schrittmacher ist der Anstieg der Oberflächentemperatur. Wenn sie in den nächsten 25 Jahren genauso stark ansteigt wie in den vergangenen 25 Jahren, dann werden sich auch andere Aspekte des Klimawandels verstärken. Die Auswirkungen auf den Menschen werden davon abhängen, wie gut wir angepasst sind. Die Natur ist möglicherweise nicht in der Lage, sich gut anzupassen. Um künftige Veränderungen besser vorhersagen zu können, müssen wir über die global gemittelten Temperaturen hinaus denken und verstehen, wie sich die globale Erwärmung regional auswirkt. Diese Bemühungen wurden dadurch erschwert, dass die bisher verwendeten Modelle nicht für die Beantwortung solcher Fragen ausgelegt waren. Deshalb wurden in Deutschland und insbesondere am Max-Planck-Institut für Meteorologie neuartige physikalische und weniger empirische Modelle entwickelt, die uns bei der Beantwortung derartiger Fragen helfen sollen.
Wie viel intensiver könnten Hitzewelle werden?
Studien zeigen, dass die Temperatur bei Hitzewellen stärker ansteigt als die Durchschnittstemperatur. Es geht aber nicht nur um den Temperaturanstieg, sondern auch um die Dauer des Ereignisses. Hitzewellen werden tendenziell länger dauern. Wir haben jedoch kein gutes theoretisches Verständnis für diese Beobachtungen.
Ob die Menschheit die Erderwärmung auf 1,5-Grad-Celsius begrenzen kann, ist mehr als fraglich. Wie Wichtig jedoch die Bemühung um jedes Zehntel Grad weniger Erwärmung ist, zeigt ein Vergleich zwischen einem 1,5-Grad- und einem 2-Grad-Szenario: In einer 1,5-Grad-Welt wären 700 Millionen Menschen alle 20 Jahre oder öfter von extremen Hitzewellen betroffen, in einer 2-Grad-Welt wären es zwei Milliarden. Bei einer globalen Erwärmung von 1,5 Grad Celsius wäre die Nordseeküste bei Cuxhafen alle 100 Jahre von einer Sturmflut betroffen, die bislang nur alle 500 Jahre auftrat, bei einer 2-Grad-Welt ist damit alle 33 Jahre zu rechnen. In einer 1,5-Grad-Welt steigt das Risiko von Überschwemmungen auf 11 Prozent der Landfläche, in einer 2-Grad-Welt auf 20 Prozent der Landfläche.
Kosten von Klima-Anpassung versus Klimaschutz
Welche Daten sind für die Klimaforschung entscheidend, um den Klimawandel zu quantifizieren?
Die wichtigste Messung ist die des Energiehaushalts der Erde. Und hier ist für das Beobachtungssystem durch die massiven Kürzungen bei der Klimaforschung in den USA eher ein Zusammenbruch zu erwarten als eine Verbesserung. Insbesondere gibt es keinen wirklichen Plan, um die Messungen des Wärmeinhalts der Ozeane oder des Strahlungsenergiehaushalts der Erde aus dem Weltraum aufrechtzuerhalten.
Als eine große Unsicherheit bei den Klimaprognosen gilt die Frage, wie sich die Wolkenbedeckung verändert. Welche aktuellen Erkenntnisse gibt es dazu?
Es ist ein allgemeiner Rückgang der Bewölkung festzustellen, und ein Teil davon ist in den Tropen zu beobachten. Diese Signale sind jedoch nur schwer von den Auswirkungen der tropischen Klimaschwankungen, das heißt von Prozessen wie El Niño, zu trennen. Größere Veränderungen scheinen in den Außertropen im Gange zu sein. Diese Veränderungen sind alarmierend, da sie die Erderwärmung verstärken könnten. Sie könnten aber auch auf interne Variabilität zurückzuführen sein, das heißt auf mehrjährige Trends, die zufällig auftreten. Die Klimaforschung versteht die Rolle der Wolken im Klimasystem heute viel besser als noch vor wenigen Jahren. Weltweit untersuchen Forschende derzeit allerdings noch, wie sich die atmosphärische und ozeanische Zirkulation (Muster von Winden und Strömungen, Wege von Stürmen und Wirbeln) mit der Erwärmung verändern wird, und diese Veränderungen können sehr große Auswirkungen haben. (mpg)






