Zum Gedenken an den Mediziner, Philosophen und Künstler Professor Dr. Vallabhbhai Patel

Ein Leben diesseits des Todes

ausst_patel-missfeld_sw.jpg

Professor Dr. Vallabhbhai Patel
Professor Dr. Vallabhbhai Patel

Von seiner Gestalt her war der "Herr Professor" – wie er in den Kreisen des BfG München immer achtungsvoll genannt wurde – ja klein und zierlich; seine Stimme war eher leise, wenn auch deutlich. Aber wenn er einmal seinen Platz am Rednerpult eingenommen hatte, zu reden begann, wurde er groß und größer, und in egal welchem Saal wurde es dann geradezu andächtig still.

Zu Beginn der 2000er Jahre kam der "Herr Professor" das erste Mal für einen philosophischen Vortrag in die Münchner Kulturhochburg Gasteig, auf Einladung der damaligen Vorsitzenden des BfG München, Assunta Tammelleo, die schon viel von ihm gehört hatte.

Zu dem Zeitpunkt hatte er bereits einen Gesprächskreis für säkulare Menschen in Neuburg an der Donau gegründet und begonnen, sich mit den übrigen "Gottlosen" im Süden zu vernetzen, die diesen "zugroasten" engagierten Ausländer mit großem Interesse und Erwartung begrüßten.

Der engagierte Urologe und studierte Zoologe war in den 70iger Jahren sozusagen als "Neger" in den Süden der Republik gekommen, weil man ihn trotz seiner herausragenden medizinischen Referenzen, einfach aufgrund seiner indischen, dunklen Hautfarbe, im Norden Deutschlands nicht als Chefarzt sehen wollte. Doch in Ingolstadt arbeitete der Professor mit sichtbarem Migrationshintergrund viele Jahre erfolgreich als Oberarzt am dortigen Klinikum und bezog mit seiner Gattin, der umtriebigen Seidenmalerin, Künstlerin und "Mut-zum-Hut"-Erfinderin Ute Patel-Missfeldt, einen Seitenflügel des Schlosses Grünau bei Neuburg an der Donau.

Die Medizin alleine hatte dem Sohn einer angesehenen Familie aus dem Freundeskreis von Mahatma Gandhi nicht gereicht, um ein erfülltes, diesseitiges Leben zu führen. Obwohl er viele Jahre alle seine Urlaube damit verbrachte, in Indien und Afrika kostenlos bedürftige Menschen zu operieren und medizinisch zu versorgen, fand er immer noch Zeit und Muse, seine Vorstellungen von erfülltem, diesseitigem Leben zu beschreiben und wissenschaftlich zu begründen. Der Philosophie galt vor allen Dingen sein außerberufliches Interesse, damit verbunden das Interesse an der Erarbeitung einer wissenschaftlichen Ethik und Vorträgen dazu an Volkshochschulen, Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen. Außerdem engagierte er sich als Stadtrat in Neuburg für die Themen "Integration" und "soziale Stadt". Anfang der 2000er Jahre schon war er Gründungsmitglied des BfG Neuburg und ab 2004 dort stellvertretender Vorsitzender, der er aktiv bis zu seinem Tode geblieben ist.

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es - Bildung als Verpflichtung

Der Beruf des tätigen Arztes war also Vallabhbhai Patel nie genug. Sein nebenberufliches großes Engagement für die Ärmsten der Armen, insbesondere auch in seiner Heimat Indien, hat seine Ehefrau Ute immer mit ihm geteilt. Über 45 Jahre lang kümmerte er sich mit ihr gemeinsam darum, dass von ihnen initiierte Schulen, Kindergärten und Frauenprojekte in den indischen Slums ihren Platz fanden und ihren Beitrag zum sozialen Frieden dort und für eine Perspektive der benachteiligten Menschen leisteten.

Die von ihnen ins Leben gerufenen und geförderten, uneigennützigen Projekte in Bhavnagar/Indien wurden gar von der UNESCO ausgezeichnet.

Vielleicht inspiriert von seiner Ehefrau, der Künstlerin Ute Patel-Missfeldt, zumindest aber wahrscheinlich angeregt, widmete er sich dann auch einer weiteren Leidenschaft, der Fotomalerei. Kunstwerke mit besonderer Handschrift, ausgewählten Motiven und geduldiger, gekonnter Bearbeitung bereicherten seine Umgebung und die Kunstfreunde nicht nur in säkularen Kreisen. Stellvertretend für seine ausstellende Ehefrau war er gerne auch spontan der Einladung des Kulturvereins Isar Loisach gefolgt und Gast beim Festival "PiPaPo – mit Pinsel, Pauke, Poesie" im Herbst 2015 in Gelting zwischen Wolfratshausen und Geretsried.

Mit der ihm eigenen Gelassenheit und Geduld unterstützte er seine Tochter Isabel, wie sie die ausgestellten Werke ihrer Mutter bei der Vernissage präsentierte, weil eben jene Mutter über eine Terminkollision gestolpert war und gleichzeitig eine Eröffnung im fernen China gestalten mußte. Was soll‘s auch, war der "Herr Professor" doch immer gerne unter allen Menschen. Nun: war‘s die Medizin, war‘s die Philosophie, war‘s die Kunst oder einfach nur seine Person selbst, die den Mensch Vallabhbhai Patel immer so irdisch verbunden, gelassen in allen Lebenslagen, hoffnungsfroh und scheinbar ewig geduldig erscheinen ließ? Die Frage bleibt schwer zu beantworten.

Die Nachricht von seinem Tod bestürzt die Vielen, die ihn kannten und die Vielen, die von ihm behandelt wurden, von ihm gehört, gesehen oder gelesen hatten. Viel zu früh hat uns "unser Herr Professor" am 26.September 2017 verlassen. Länger schon ging es ihm nicht mehr so richtig gut, aber es war auch so gar nicht seine Art, darüber zu klagen.

Mit ihm geht ein beispielgebender, unglaublich vielseitiger, sagenhaft charmanter und immer tätiger Mitmensch irgendwo hin, wo wir (noch) nicht mitkommen können. Für uns verbleibenden "Diesseitigen" bleibt er unvergessen und bereichernd weit über seinen Weggang hinaus.