Hamburg

+++ Live-Ticker vom Humanistentag – Tag 2 +++

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In Hamburg findet der Deutsche Humanistentag statt. Florian Chefai ist für den Humanistischen Pressedienst (hpd) vor Ort und berichtet in einem Live-Ticker über die Veranstaltung.

18:30 Uhr: Weltanschaulich vielfältig gestaltet sich die letzte Podiumsdiskussion des Tages zum Thema "Menschenrechte bei Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften" besetzt. Anwesend sind: Ralf Meister (Landesbischof der ev.-luth. Landeskirche Hannover), Dr. Hubertus Schönemann (Leiter der kath. Arbeitsstelle f. missionarische Pastoral, Erfurt), Waqar Tariq (Liberal-Islamischer Bund, Berater des Bundesvorstandes, Koordinator Gemeinde Frankfurt a. M.), Dr. Michael Schmidt-Salomon (Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung) und Baykal Arslanbuga (Vorstandsmitglied Alevitische Gemeinde Deutschland).

In den Redebeiträgen stellen alle Diskutanten heraus, dass die Menschenrechte vorbehaltlos gelten müssen und sich mit ihrem Anspruch auf Universalität nicht direkt aus einer bestimmten Religion oder Weltanschauung ableiten. 

Kontroverser wird's erst am Schluss der Diskussion: Schmidt-Salomon warnt davor, die liberalen Verhältnisse in Westeuropa als selbstverständlich anzusehen. Weltweit sehe die gelebte Glaubenspraxis der meisten Religionen nämlich anders aus und stehe in Konflikt mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Daher sei es notwendig, entschieden für die Werte von Humanismus und Aufklärung einzutreten. 

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17:30 Uhr: Auf die Frage "Staatsleistungen an die Kirchen: gerechtfertigt?" hat der Politologe und Kirchenfinanzexperte Dr. Carsten Frerk eine klare Antwort: "Nein!" In seinem Vortrag beleuchtet er die historischen Hintergründe der Staatsleistungen, deren Ablösung seit der Weimarer Reichsverfassung von 1919 als Verfassungsauftrag aussteht. Für Frerk ein Skandal, der nicht allein in der hohen Summe der jährlichen Zahlungen besteht, sondern in der Negation der grundgesetzlich garantierten Volkssouveränität.

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16:00 Uhr: Mina Ahadi hält nun einen persönlichen und bewegenden Vortrag über die Arbeit des Zentralrats der Ex-Muslime (ZdE). Sie spricht über den Einsatz gegen Fundamentalismus, Fremdenfeindlichkeit und Kulturrelativismus. Immer noch sei es wichtig, den nichtreligiösen Menschen, die aus islamisch geprägten Ländern gekommen oder geflohen sind, eine Stimme zu geben und für ihre Interessen einzutreten. Denn "Apostasie ist ein Menschenrecht", so Ahadi. 

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Mina Ahadi

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14:15 Uhr: Nach der Mittagspause wirft Prof. Dr. Hartmut Kreß nun einen Blick auf die Frage, inwiefern der Toleranzgedanke eine Bereicherung für das gesellschaftliche Zusammenleben ist. Toleranz müsse dabei als ein Querschnittsthema verstanden werden, das für viele Bereiche eine Bedeutung hat. Als Beispiel führt Kreß den Umgang mit der Präimplantationsdiagnostik (PID) in Deutschland an, über deren ethische Tolerabilität in jedem Einzelfall eine Kommission zu entscheiden hat. Im europäischen Vergleich handelt es sich dabei um einen absoluten Einzelfall.

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12:30 Uhr: Die ehemalige SPD-Spitzenpolitikerin Ingrid Matthäus-Maier spricht gerade über das Spannungsverhältnis zwischen Menschenrechten und Kirchenrechten. In vielen gesellschaftlichen Bereichen verletzen die Privilegien der Kirchen die Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger – so zum Beispiel bei der religiösen Diskriminierung durch das kirchliche Arbeitsrecht. 

Dass der skandalöse Einfluss der Kirchen in das Privatleben der Menschen bislang noch nicht ausreichend thematisiert wird, liege unter anderem auch an dem umfangreichen Lobbyismus. "So lange das noch ist, diese enge Verknüpfung von Kirche und Staat, müssen wir noch viel arbeiten", schließt Matthäus-Maier ihren Vortrag. 

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11:30 Uhr: Weiter geht's mit einer Podiumsdiskussion zum Thema "Organisierter Humanismus? Perspektiven säkularer Gemeinschaften". Rainer Rosenzweig, KORSO-Vorsitzender, weist darauf hin, dass das säkulare Spektrum heterogen aufgestellt ist. Daher brauche es eine Instutution, die einen Überblick über Gemeinsamkeiten und Differenzen verschiedener säkularer Organisationen hat und als Ansprechpartner bereitsteht. Die Vielfalt der Organisationen müsse als Bereicherung verstanden werden – nicht, wie in der Vergangenheit häufig geschehen, als Verhinderungsgrund einer gelungenen Zusammenarbeit.

Werner Schultz vom Humanistischen Verband Deutschlands (HVD) führt aus, dass nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb der säkularen Organisationen unterschiedliche Standpunkte vertreten werden, die unter ein Dach gebracht werden müssen. So gebe es im HVD kontroverse Diskussionen über die Frage, welche Rolle Religionskritik, Säkularität und Spiritualität spielen sollten.

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Podiumsdiskussion zum organisierten Humanismus

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10:00 Uhr: Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser! Heute steht viel auf dem Programm beim zweiten Tag des Deutschen Humanistentags in Hamburg. Den Aufschlag macht Gerhard Engelmayer, Vorsitzender des Humanistischen Verbands Österreichs, mit einem Vortrag über "Visionen und Utopien des Humanismus".

Der Humanismus, so Engelmeyer, baue auf einer liberalen Erzählung auf, die sich insbesondere auf das Konzept der Selbstbestimmung und auf die Menschenrechte bezieht. Diese Erzählung werde derzeit von einem neuen Autoritarismus und Kollektivismus bedroht. Umso wichtiger sei es, weltanschauliche Freiräume für Menschen zu entwickeln und Gruppenidentitäten zu hinterfragen.