Große Menschenaffen sollen von UNESCO als "Lebendiges Welterbe" anerkannt werden

Living World Heritage

BERLIN. (hpd) Das Great Ape Project, initiiert 1993 von den Philosophen Paola Cavalieri und Peter Singer, beinhaltet die Forderung, die Großen Menschenaffen – Orang Utans, Gorillas, Schimpansen und Bonobos – aufgrund ihrer großen genetischen Ähnlichkeit mit dem Menschen und ihren ähnlich komplexen kognitiven, affektiven und sozialen Fähigkeiten bestimmte Grundrechte zuzuerkennen, die bislang dem Menschen vorbehalten sind: Das Grundrecht auf Leben, auf individuelle Freiheit und auf körperliche wie psychische Unversehrtheit. Damit wären praktisch alle Fälle erfasst, die Menschenaffen in Bezug auf Menschen betreffen können: Jagd, Wildfang, Zirkus, Zoo, Tierversuche sowie Zerstörung ihrer Lebensräume. Es solle den Großen Menschenaffen der gleiche moralische und gesetzlich zu schützende Status zukommen, der allen Menschen zukommt. Letztlich gibt es keinen vernünftigen Grund, ihnen die geforderten Grundrechte vorzuenthalten.

Das Projekt, unterstützt von einer Reihe teils weltbekannter Wissenschaftler wie Jane Goodall oder Richard Dawkins, zeitigte erste Erfolge: Neuseeland stellte 1999 per Gesetz die Großen Menschenaffen unter besonderen Rechtsschutz, gefolgt von der Inselgruppe der Balearen. Nach diesen ersten Erfolgen aber verlor das Project im Jahre 2008 fast schlagartig sein bis dahin aufgebautes Momentum. Der Grund dafür lag in der Entwicklung, die das Projekt in Spanien genommen hatte: eine parlamentarische Initiative mit dem Ziel, den besonderen Status der Großen Menschenaffen für das ganze Land (und nicht nur für die Balearen) legislativ anzuerkennen, war unmittelbar vor ihrem Durchbruch noch auf ganzer Linie gescheitert. Die spanische Regierung unter dem seinerzeitigen Ministerpräsidenten José Luis Zapatero (Sozialistische Arbeiterpartei), die vom Parlament aufgefordert worden war, ein entsprechendes Gesetz auf den Weg zu bringen und sich auf EU-Ebene für das Anliegen des Great Ape Project (GAP) einzusetzen, war letztlich vor der katholischen Kirche des Landes eingeknickt, die in einer beispiellosen Hetzkampagne von sämtlichen Kanzeln herunter dagegen zu Felde gezogen war. Die spanischen Medien übernahmen flächendeckend die Position des Klerus: die mit so großen Hoffnungen für die Affen verbundene Sache war vom Tisch.

Die international tätigen GAP-Aktivisten, die so viel Zeit und Energie investiert hatten, zogen sich frustriert zurück. Nur die brasilianische Sektion Projeto GAP, die im Jahre 2000 das erste Primatenschutzzentrum Südamerikas etabliert hatte und in mittlerweile fünf affiliierten Schutzzentren mehr als 70 aus Zirkussen, Zoos und Freizeitparks befreite Schimpansen betreute, hielt ihren Betrieb aufrecht.

Im Sommer 2011 griff die Giordano-Bruno-Stiftung mit der Verleihung ihres Ethikpreises an Paola Cavalieri und Peter Singer den Faden wieder auf und startete einen medial vielbeachteten Relaunch des Projektes: über eine parlamentarische Petition beim Deutschen Bundestag, so die Idee, sollte an die spanische Initiative angeknüpft werden, um, zunächst auf nationaler Ebene, den Großen Menschenaffen besagte Grundrechte zu verschaffen. Gefordert wurde eine Erweiterung des Grundgesetzes in Artikel 20a, analog zur Aufnahme des Tierschutzes in den gleichen Artikel im August 2002. Ungeachtet der – vorhersehbaren – Ablehnung durch den Petitionsausschuß des Bundestages im Sommer 2015 wurde und wird die Initiative weiterverfolgt: ein neuer Anlauf ist für 2016 geplant.

Living World Heritage

Auch die spanische GAP-Sektion Projecto Gran Simio wurde wiederbelebt. Deren Leiter, der Primatologe Pedro Pozas Terrados, reichte Ende 2015 eine vergleichbare Petition beim Europäischen Parlament ein (die zwar angenommen, über aber noch nicht entschieden wurde). Zugleich entwickelte er – in Abstimmung mit der brasilianischen und der deutschen Sektion des Great Ape Project – die Idee, die Großen Menschenaffen bei der UNESCO als “Lebendiges Welterbe” (Living World Heritage) anerkennen zu lassen. Durch solche Anerkennung, so Terrados, würde das besonders geschützte Welterbe, das bislang ausschließlich Naturlandschaften sowie menschengemachte Kulturschöpfungen umfasst, erstmals auch auf bedrohte Tierarten ausgeweitet.

Die Initiative geht Hand in Hand mit den ursprünglichen Forderungen des Great Ape Project nach personalen Grundrechten für die Großen Menschenaffen. Mit dem Appell an die UNESCO zieht sie gewissermaßen eine weitere Ebene ein, die die eminente Dringlichkeit des Anliegens unterstreicht: wenn nichts unternommen wird, könnten schon in zehn Jahren die letzten Orang Utans aus der freien Wildbahn verschwunden sein, bald darauf auch Gorillas, Bonobos und Schimpansen. Peter Singer unterstützt die Initiative ausdrücklich: “Die Großen Menschenaffen sind Teil unseres planetaren Erbes, das zu erhalten wir alles in unserer Macht stehende tun sollten.”

Die Anerkennung der Großen Menschenaffen als “Lebendiges Welterbe”, wie die PGS/GAP-Initiative fordert, könnte zu erheblich besserem Schutz der noch in Freiheit lebenden Menschenaffen beitragen, zu größerem Schutz ihrer natürlichen Heimaten sowie zu größerem Schutz der den Lebensraum mit ihnen teilenden lokalen und indigenen Bevölkerung. Zudem könnte sie beitragen zu besseren und würdevolleren Lebensbedingungen für die in Zoogefangenschaft lebenden und nicht wieder auswilderbaren Tiere sowie zur Schaffung von Auffangstationen und Reservaten für verwaiste oder beschlagnahmte Individuen. Sie könnte überdies beitragen zu einem Ende des Missbrauchs von Menschenaffen als Versuchsobjekte sowie einem absoluten Verbot ihres Einsatzes in Zirkussen oder zu sonstigen Unterhaltungszwecken; letztlich auch ihrer Zurschaustellung in Zoos. Die vom Great Ape Project geforderten Grundrechte für die Großen Menschenaffen kämen in greifbarere Nähe.   Im April 2015 hat die UNESCO die Bedeutung des Schutzes der natürlichen Lebensräume hervorgehoben, in denen die letzten Populationen Großer Menschenaffen leben: insbesondere den Virunga Nationalpark in der Demokratischen Republik Kongo, den Tai Nationalpark an der Elfenbeinküste, die Dia Faunal Reserve in Kamerun, den Gunung Leuser Nationalpark in Indonesien und zwölf weitere Nationalparks in Afrika und Asien, die, als World Heritage Sites (= Welterbegebiete) anerkannt, unter besonderem Schutz der Vereinten Nationen stehen: “Es ist unsere Aufgabe”, so Kishore Rao, Direktor des UNESCO World Heritage Centre, “die Welterbegebiete vor weiterem Raubbau und Lebensraumverlust zu beschützen, um die Sicherheit tragfähiger Populationen Großer Menschenaffen rund um den Globus zu gewährleisten”. Der konsequente nächste Schritt wäre, so die Forderung des Great Ape Project, die Großen Menschenaffen selbst zum UNESCO-Welterbe zu erklären.

Online-Kampagne

Obgleich unlängst erst lanciert, hat die Kampagne bereits mehr als 60.000 Unterstützer gefunden: zahlreiche Einzelpersonen, darunter renommierte Wissenschaftler und Philosophen, haben eine der bei SOSVOX bzw. change.org geschalteten Online-Petition unterzeichnet und/oder in eigenen Schreiben ihre Unterstützung bekundet; auch namhafte Tier-, Arten- und Naturschutzorganisationen sind als Unterstützer mit dabei, im deutschsprachigen Raum mithin der “Rettet den Regenwald e.V.”, der sogar eine eigene Online-Petition auf den Weg gebracht hat (wenngleich unter dem etwas irreführenden Signet “Projekt Menschenaffe”). Die Unterschriften werden gesammelt und nach Erreichen einer relevanten Anzahl - gedacht ist an eine Million - direkt an die UNESCO weitergeleitet.

Das Great Ape Project bittet alle TierfreundInnen darum, eine der angeführten Petitionen zu unterzeichnen und diesen Aufruf weithin zu verbreiten (auf Websites, Facebook usw.). Organisationen, Initiativgruppen usw. sind aufgefordert die Kampagne auf ihren Seiten zu verlinken und/oder mit eigenen Aufrufen und Aktionen zu unterstützen (bitte Mitteilung an info[at]greatapeproject.de).