Freiheit für Orang-Utan-Dame Sandra

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Sandra
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Endlich ist es soweit: Orang-Utan-Dame Sandra (39), die seit 23 Jahren im Zoo von Buenos Aires eingessen hatte, durfte diese Woche in das Center for Great Apes in Wauchula, Florida, umziehen. 1986 im Zoo von Rostock geboren, war Sandra erst an den Zoo Gelsenkirchen, dann 1995 an den Zoo von Buenos Aires veräußert worden, wo sie seit Jahren ein einsames Dasein in einer für Orang-Utans völlig ungeeigneten Umgebung zuzubringen genötigt war. Eingesperrt hinter Eisengitter und Panzerglas war sie der einzige Orang-Utan, den der Zoo Buenos Aires vorhielt. Der Orang-Utan-Mann, mit dem sie die erste Zeit zusammenlebte, war lange schon verstorben, ein Kind, das sie von ihm zur Welt gebracht hatte, war ihr weggenommen und an einen anderen Zoo verkauft worden. Sie hatte seither niemanden ihresgleichen mehr gesehen.

2014 hatte die argentinische Tierrechtsorganisation Association of Officials and Lawyers for Animal Rights (AFADA) sich des Falles angenommen. Nach mehreren vergeblichen Anläufen beantragte AFADA im November des Jahres eine richterliche Verfügung, analog zur gesetzlich vorgeschriebenen Haftprüfung bei Menschen eine Prüfung der Haftbedingungen Sandras anzuordnen. Die zugrundegelegte Rechtsnorm des sogenannten "Writ of Habeas Corpus" stellt die Mindestrechte eines Gefangenen sicher, wie etwa das Recht, von einem ordentlichen Gericht angehört zu werden; sieht das Gericht keinen hinreichenden Grund für die Fortdauer einer Gefangenhaltung, kann und muss es die sofortige Freilassung des Gefangenen verfügen. Nachdem der Antrag in einem ersten Rechtszug abgewiesen worden war, findet sich in der Begründung des Appellationsgerichtes der revolutionäre Satz: es sei "angemessen, dem Tier (=Sandra) die Eigenschaft eines juristischen Subjekts zuzugestehen". In anderen Worten: Orang-Utan Sandra ist, wie jeder Mensch, Rechtssubjekt.

Pablo Buompadre, Vorsitzender von AFADA, kommentierte die Verfügung des Gerichtes seinerzeit so: "Dies ist eine historische Entscheidung. Ein Schlag gegen die Säulen einer Rechtsordnung, deren zivilrechtliche Normen Tiere als Sachen bezeichnen. Sie öffnet neue Wege nicht nur für die Menschenaffen, sondern für alle fühlenden Wesen, die sich ungerechter- und willkürlicherweise der Freiheit beraubt in Zoos, Zirkussen, Aquaparks oder Versuchslabors befinden." Für Sandra selbst bedeute der Entscheid, dass nachrangige Gerichte keine andere Möglichkeit mehr haben dürften als ihre Freilassung, sprich: ihren Transfer in ein entsprechendes Refugium anzuordnen. In der Tat wurde kurz darauf dem Habeas Corpus-Antrag der AFADA entsprochen: am 28.1.2015 wurde verfügt, dass Sandra in ein anerkanntes Refugium überstellt werden müsse. Die Entscheidung fiel auf das Center for Great Apes in Wauchula, Florida, ein Primatenrefugium, in dem zahlreiche Orang-Utans und Schimpansen aus der Entertainmentindustrie leben.

Mit Sandra wurde erstmalig ein nicht-menschliches Tier von einem Gericht als Rechtssubjekt anerkannt.

Da allerdings die Stadtverwaltung von Buenos Aires kurze Zeit später ankündigte, den kommunalen Zoo binnen eines Jahres aufzulösen und die verbleibenden rund 2.500 Tiere entweder auszuwildern oder in eigens einzurichtende Reservate umzusiedeln, verblieb Sandra auf dem Zoogelände. Die rund fünfzig nicht auswilder- oder umsetzbaren Tiere, darunter sie selbst, sollten unter verbesserten Bedingungen auf dem Gelände verbleiben dürfen, würden aber nicht mehr zur Schau gestellt.

Foto: © Archiv GAP
Sandra, Foto: © Archiv GAP

In der Tat begann die Stadt relativ zügig mit der Auswilderung bzw. Umsiedelung ganzer Tiergruppen sowie der schrittweisen Umwandlung des knapp 18 Hektar umfassenden Zooareals in einen Ökopark. Für Sandra tat sich allerdings wenig, sie wurde weiterhin, wenngleich nicht mehr in öffentlichem Schaubetrieb, in dem ursprünglichen Gehege gehalten. AFADA-Anwälte zogen deshalb erneut vor Gericht und erreichten einen Beschluss, dass Sandra umgehend in einem größeren Gehege untergebracht werden müsse. Da die Stadtverwaltung Buenos Aires diesem Beschluss nicht nachkommen wollte oder konnte, wurde der sofortige Transfer Sandras in das Center for Great Apes in Florida verfügt. Am 26.9.2019 reiste Sandra per Direktflug in die USA ein, muss aber noch eine 40-tägige Quarantänezeit durchstehen, bis sie dann in ihr neues Zuhause einziehen kann.

Mit Sandra wurde – erstmalig in der Geschichte der Menschheit – ein nicht-menschliches Tier von einem Gericht als Rechtssubjekt anerkannt. Diese Anerkenntnis zeitigte nun auch Konsequenzen für Sandra: sie konnte den Zoo, in dem sie 24 Jahre ihres Lebens in einen Schaukäfig eingesperrt gewesen war, verlassen. Ihre verbleibende Lebenszeit kann sie nun unter ihresgleichen und in größtmöglicher Freiheit und Selbstbestimmung verbringen. Ein Meilenstein im Kampf um ein gerechteres Verhältnis von Mensch und Tier.