Nachruf auf Rainer Schepper

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Rainer Schepper (1927–2021)

Er war ein Liebhaber der Dichtkunst, der Natur und des westfälischen Humors: Im August ist der Münsteraner Autor und Rezitator Rainer Schepper im Alter von 94 Jahren verstorben.

Was einem in der Wohnung von Rainer Schepper gleich ins Auge sprang, waren die vielen gut gefüllten Bücherregale. Wenn man ein beliebiges Buch öffnete, konnte man sicher sein, darin Unterstreichungen und Randnotizen zu entdecken, die eine intensive und emotionale Auseinandersetzung mit dem Gelesenen verrieten.

Neben Scheppers Lesesessel, von dem aus er auch in hohem Alter noch Hörbücher einsprach, befand sich das von ihm gut gehütete Schränkchen mit dem Nachlass des Dichters Augustin Wibbelt. Als junger Mann hatte Schepper Wibbelt noch persönlich kennengelernt und stets in bewunderndem Ton von ihm gesprochen. Die Gespräche mit dem 65 Jahre älteren Wibbelt halfen Schepper durch eine dramatische Jugendzeit.

Wie er in seiner eindrücklichen Autobiographie "Lebensreport" schildert, war es dem jugendlichen Schepper gelungen, sich dem Kriegseinsatz durch eine vorgetäuschte Ohnmacht mit anschließender Flucht zu entziehen. Eine Reihe glücklicher Zufälle und mutiger Täuschungsmanöver sicherte ihm in der Folgezeit das Überleben.

Nach Kriegsende widmete sich Schepper zunächst journalistischen Tätigkeiten. Anschließend schlug er eine Laufbahn als Lehrer ein und engagierte sich für Schüler aus schwierigen Verhältnissen. Unterdessen publizierte der Autoritäten gegenüber skeptische Schepper religions- und kulturkritische Schriften, mit denen er nicht nur Freunde gewann.

Nach dem vorzeitigen Ende seiner Laufbahn als Lehrer konnte er sich fortan ganz auf seine Tätigkeiten als freier Autor und Rezitator konzentrieren. Über einen Zeitraum von 30 Jahren veröffentlichte er regelmäßig plattdeutsche Kolumnen unter dem Pseudonym Jans Gliewenkieker. Seine humorvoll gestalteten Leseabende führten ihn durch ganz Deutschland.

In seinem schriftstellerischen Werk widmete er sich insbesondere der Kultur seiner Heimatregion mit freundlich-ironischem Blick: So veröffentlichte er ein plattdeutsches Schimpfwörterbuch und eine "kleine Lektion über westfälischen Humor". Schepper machte sich jedoch nicht nur um die Pflege der niederdeutschen Sprache und Kultur verdient. Er kommentierte bis zuletzt aktiv das politische Geschehen und kritisierte vehement Formen von Religion, die eine leibfeindliche Sittenstrenge samt postmortaler Strafandrohung dem ethischen Engagement vorziehen. Seine glänzend geschriebene Satire "Gott beim Wort genommen. Das Alte Testament auf dem ethischen Prüfstand" ist dafür das beste Beispiel.

Der Freigeist Rainer Schepper hatte auch ernste Seiten. Das Leid von Mensch und Tier, die Befreiung von äußeren und inneren Zwängen sowie die Suche nach dem guten Leben beschäftigten ihn fortlaufend. Im Humanistischen Pressedienst veröffentlichte er 2015, bereits 88-jährig, einen Artikel über Schuld und Verantwortung aus deterministischer Sicht. Der philosophische Text endet mit folgenden Worten:

"Von allen diesen [menschlichen] Emotionen bleibt der Kosmos samt seinen ehernen Gesetzen unberührt. Des denkenden Menschen aber ist würdig, Tatbestände zu erkennen und anzuerkennen, ebenso gesetzmäßige Zusammenhänge ohne Illusionen und Fiktionen, die auf fehlgedeuteten Beobachtungen beruhen, frei von Selbstbetrug klar zu durchschauen sowie die ihm gesetzten Grenzen zu akzeptieren oder, um es mit Goethe (Maximen und Reflexionen, Erkenntnis und Wissenschaft) gültig zu formulieren: Das schönste Glück des denkenden Menschen ist, das Erforschliche erforscht zu haben und das Unerforschliche ruhig zu verehren."

Bei einem guten Rotwein und ansprechender Lektüre konnte man sich mit Rainer Schepper über so ziemlich jedes Thema unterhalten. Er schwärmte vom Kosmos, der Liebe und der Natur, freute sich über jeden gelungenen Witz und echauffierte sich über die "stümperhafte" Dramaturgie eines Friedrich Dürrenmatt. Rainer Schepper nahm gewiss kein Blatt vor den Mund. Noch bis zuletzt schmiedete er Pläne für neue Bücher – eines davon trug den Arbeitstitel "Genießen macht gemein". Gemeint war, wie er mit einem Augenzwinkern erläuterte, jedoch weniger die Gemeinheit als vielmehr die Gemeinsamkeit, die der Genuss zu stiften vermag. Sein umfangreiches Lebenswerk und die Erinnerung an geteilte Momente mit Rainer Schepper werden bleiben.

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