Missbrauchsaufarbeitung in der EKD

Neuer Anlauf, alte Probleme

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Fast genau ein Jahr nach dem ersten, gescheiterten Anlauf der EKD, den Missbrauchsskandal in den eigenen Reihen aufzuarbeiten, hat die evangelische Kirche einen zweiten Versuch gestartet. Doch wie schon 2021 hagelt es auch diesmal aus den Reihen der Betroffenen Kritik.

Ende April rief die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ein neues Forum zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch durch Kirchenangehörige ins Leben, das "Beteiligungsforum sexualisierter Gewalt". Dieses Gremium sollte nach Vorstellung der Kirche alle Fragen behandeln, "die sexualisierte Gewalt betreffen". Neben Kirchenvertretern und Fachleuten gehören ihm auch Menschen mit Missbrauchserfahrung an. Gerade ihnen kommt laut EKD eine entscheidende Rolle zu – nicht nur bei der Aufarbeitung, sondern auch auf auf den Gebieten "Prävention, Intervention, Unterstützung und Anerkennung".

Der Sprecher des Beauftragtenrates für das Thema in der EKD, Bischof Christoph Meyns aus Braunschweig, sieht in diesem Konzept eine stärkere Einbindung der Betroffenen als beim ersten Versuch. Damals, im Mai 2021, hatte die Kirche den Betroffenenbeirat kurzerhand aufgelöst, nachdem mehrere Mitglieder zurückgetreten waren und die restlichen wiederholt deutliche Kritik an der Zusammenarbeit mit der EKD geäußert hatten. Der Kirche warfen sie mangelnde Kommunikationsbereitschaft vor.

Gleichwohl sollen Mitglieder des aufgelösten Betroffenenbeirats auch im neuen Beteiligungsforum mitwirken, so die die EKD. Außerdem Kirchenleute und Vertreter der Diakonie sowie die EKD-Synodenpräses Anna-Nicole Heinrich und der EKD-Bevollmächtigte Martin Dutzmann.

Unter den früheren Mitgliedern des aufgelösten Betroffenenbeirats erntet der neue Vorstoß der EKD ein geteiltes Echo: Während zwei von ihnen, Nancy Janz und Detlef Zander, laut einer Meldung von BR24 von einem "entscheidenden Schritt zur angemessenen Beteiligung Betroffener" sprechen und eine Chance sehen, die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der EKD kritischer zu begleiten, hagelt es auch Kritik.

Katharina Kracht, die wie Janz und Zander bereits im Betroffenenbeirat dabei war, nennt eine ganze Reihe von Problemen. Eines entzündet sich ausgerechnet an der Fachfrau, die das neue Modell zur Mitwirkung von Betroffenen an der Aufarbeitung vorgeschlagen hat, Birgit Mangels-Voegt. Diese sei von der EKD einseitig als "Beteiligungsexpertin" in das neue Forum berufen worden, ohne den Auswahlprozess transparent zu machen oder die Betroffenen auch nur zu fragen. Diese seien nach Krachts Darstellung vielmehr vor die Wahl gestellt worden: "Mit ihr oder gar nicht".

Die Betroffene bemängelt außerdem, dass Mangels-Voegt "keine Expertise im Themenfeld 'sexualisierte Gewalt'" habe. Dagegen hätte der frühere Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs bei der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, seine Hilfe angeboten; bei ihm hätte sich die EKD in Krachts Augen fachkundige und "unabhängige Kompetenz" holen können.

Weiter kritisiert Kracht, dass das neue Gremium mehrheitlich mit Kirchenleuten besetzt sei. Zudem befänden sich sechs der acht Betroffenen in Dienst- oder Anstellungsverhältnis bei den Landesverbänden oder der Diakonie, stünden also in einem Abhängigkeitsverhältnis zur Kirche. Kracht fordert die Einrichtung von Ombudsstellen als externe Ansprechpartner für Betroffene, die in einem Konflikt mit der Kirche stehen. Darüber hinaus sei eine Aufarbeitungskommission auf Bundes- oder Länderebene notwendig.

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