Herero-Aufstand in "Deutsch-Südwestafrika" vor 120 Jahren

Rechtliche Aufarbeitung des Genozids steckt weiter fest

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Symbolbild
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Am 12. Januar 1904 lehnten sich die Herero in "Deutsch-Südwestafrika", dem heutigen Namibia, gegen die deutsche Kolonialherrschaft auf. Die rechtliche Aufarbeitung des darauffolgenden Genozids steckt unterdessen weiter fest.

"Die sogenannte 'Joint Declaration', in der die Bundesregierung den Völkermord als solchen benannt und Ausgleichszahlungen im Rahmen der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit versprochen hat, ist fast drei Jahre nach ihrem Zustandekommen noch immer nicht in Kraft", berichtet Christoph Hahn, Referent für Genozid-Prävention und Schutzverantwortung bei der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). "Die Nachfahren der Überlebenden kritisierten das Abkommen scharf, da sie an dessen Aushandlung nicht beteiligt wurden. Sie klagen derzeit gegen die namibische Regierung."

Im Februar 2023 hatten sieben Sonderberichterstatter der UN in einem Brief an die Bundesregierung ihre Sorge über die mangelnde Partizipation der Nachfahren ausgedrückt. Derweil befürchten Organisationen der Nachfahren, darunter die Nama Traditional Leaders Association und die Ovaherero Traditional Authorities, dass die namibische Regierung vor den Wahlen im November Fakten schaffen und das Abkommen noch in diesem Sommer unterzeichnen will. "Die Bundesregierung muss endlich anerkennen, dass ein angemessenes Abkommen nur durch direkte Verhandlungen mit den Herero und Nama geschlossen werden kann", betont Hahn. Zudem sei eine Aufstockung ohnehin geplanter Entwicklungsgelder in Höhe von 1,1 Milliarden Euro über 30 Jahre keine angemessene Kompensation.

Anfänglich war der lange geplante Aufstand der Herero zunächst erfolgreich. Die überforderte deutsche Kolonialadministration reagierte mit äußerster Brutalität: etwa 60.000 Herero und 20.000 Nama wurden zwischen 1904 und 1908 getötet. Die Geschichtswissenschaft sieht darin den ersten Genozid des 20. Jahrhunderts.

Das 2021 unterzeichnete Abkommen wurde ohne Beteiligung der Herero und der Nama ausgehandelt. Es sieht keine völkerrechtlich bindende Anerkennung des Genozides und auch keine echten Reparationszahlungen vor. Stattdessen sollten ohnehin geplante Entwicklungsgelder in geringem Umfang aufgestockt werden. Daher stand die "Gemeinsame Erklärung" von Anfang an in der Kritik. Das namibische Parlament hat sie bis heute nicht ratifiziert.

Die Nachfahren der überlebenden Herero und Nama gedenken jedes Jahr um den 22. April des Völkermordes und seiner Opfer. Bei den Feierlichkeiten in diesem Jahr wurde ein Gedenkstein für die Opfer enthüllt, den die GfbV auf Wunsch der Betroffenen finanziert hatte. Trotz expliziter Einladung waren keine Vertreter der Bundesregierung und auch keine Angehörigen der deutschen Botschaft zugegen.

Die Bundesregierung hat am 1. Juni 2023 auf die Gemeinsame Mitteilung der sieben Sonderberichterstatter des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen (VN) geantwortet. Darauf weist sie in ihrer Antwort (20/7905) auf eine Kleine Anfrage (20/7510) der Fraktion Die Linke zur Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit in Namibia hin.

Die Linke hatte unter anderem gefragt, wann die Bundesregierung auf das Schreiben geantwortet habe, dessen Beantwortungsfrist sie zuvor mit dem 8. Mai 2023 angegeben hatte. Außerdem hatte die Fraktion in der Vorbemerkung zu ihrer Anfrage darauf verwiesen, dass die VN-Sonderberichterstatter kritisiert hätten, dass die "Gemeinsame Erklärung" Namibias und Deutschlands von Ende Mai 2021 keine wirksame Wiedergutmachungsmaßnahme sei.

Die Bundesregierung bekennt sich hingegen in ihrer Antwort auf die Anfrage dazu, dass ihr die Aufarbeitung deutschen kolonialen Unrechts ein wichtiges Anliegen sei. Die Verbrechen an den Volksgruppen der Herero und Nama bezeichnet sie ausdrücklich als "Völkermord".

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