Internationaler "Safe Abortion Day"

Ein Schwangerschaftsabbruch ist kein Verbrechen

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Bei der Demonstration für sexuelle Selbstbestimmung in Berlin vor anderthalb Wochen wurde in einem getanzten Protest die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs gefordert.
Getanzter Protest für die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs

Einen Schwangerschaftsabbruch als Verbrechen zu brandmarken, verletzt das fundamentale Recht von Frauen auf körperliche Selbstbestimmung. Es missachtet ein Menschenrecht und gefährdet das Leben von Frauen. Anlässlich des heutigen Safe Abortion Days fordert Terre des Femmes die ersatzlose Streichung des Paragrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch und Doctors for Choice Germany startet die Kampagne "Ich mache Abbrüche, und Sie?".

Terre des Femmes begrüßt, dass der absurde Paragraf 219a von der Bundesregierung gestrichen wurde und erwartet nun die im Koalitionsvertrag angekündigte "Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin", die "Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches" prüfen soll.

Die Organisation fordert die Möglichkeit für alle ungewollt Schwangeren, Zugang nicht nur zu qualifizierten Informationen zu bekommen, sondern auch zu einem sicheren Schwangerschaftsabbruch – und zwar ohne Stigmatisierung und ohne jegliche behördlichen oder gesetzlichen Hürden. Auch ÄrztInnen, die diese durchführen, brauchen Schutz vor Anfeindungen.

Eine Abschaffung des Paragrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch würde auch die Versorgungslage für ungewollt Schwangere verbessern, denn aktuell sind die Methoden des Schwangeschaftsabbruchs nicht im Lehrpensum für angehende GynäkologInnen vorgesehen. In Niederbayern zum Beispiel gibt es aktuell nur eine einzige Praxis, die Abbrüche durchführt.

Weltweit beobachtet Terre des Femmes ein Verschlechterung der Situation für ungewollt Schwangere. In den USA wurde am 24. Juni "Roe v. Wade" gekippt – ein katastrophaler Wendepunkt, am selben Tag, an dem in Deutschland Paragraf 219a gestrichen wurde – und auch in anderen Ländern hat sich die Lage für die reproduktiven Rechte von Frauen in jüngster Zeit verschlechtert. Im EU-Land Polen zum Beispiel ist es lebensgefährlich, ungewollt schwanger zu sein.

Auch Frauen, die aus der Ukraine nach Polen geflüchtet sind und durch Vergewaltigung als Kriegswaffe schwanger wurden, können in Polen keinen legalen und sicheren Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen.

Doctors for Choice Germany startet Kampagne "Ich mache Abbrüche, und Sie?"

Ziel der Kampagne ist es, mehr ärztliche Kolleg*innen zu motivieren, selbst an der Versorgung ungewollt Schwangerer teilzunehmen und Abbrüche anzubieten.

Die Zahl der Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, sinkt in Deutschland stetig. Ärzt*innen, die jahrzehntelang die ambulante Versorgung gesichert haben, gehen in Rente. Krankenhäuser werden von konfessionellen Trägern übernommen und bieten diese Leistung nicht mehr an. 2003 verzeichnete das Statistische Bundesamt noch etwa 2.050 sogenannte Meldestellen, also Praxen und Kliniken, die den Eingriff durchführen. Ende 2020 waren es nur noch 1.109. Das entspricht einem Rückgang um 46 Prozent.

Um dem entgegenzusteuern, soll die neue Kampagne "Ich mache Abbrüche" ärztliche Kolleg*innen auf den Versorgungsnotstand aufmerksam machen und es ihnen erleichtern, Abbrüche selbst durchzuführen und ihre Patient*innen darüber zu informieren.

"In unseren Kursen zum medikamentösen Schwangerschaftsabbruch merken wir immer wieder: Viele Kolleg*innen wollen schon, aber es gibt so viele organisatorische und rechtliche Hürden, dass sie es dann doch lassen", sagt Jana Maeffert, Vorstandsmitglied von Doctors for Choice Germany.

Teil der Kampagne ist unter anderem die neue Seite "Ich mache Abbrüche, und Sie?", die Ärzt*innen mit wichtigen Informationen versorgt, um selbst Schwangerschaftsabbrüche anbieten zu können. Für verschiedene Zielgruppen wurden Fortbildungsmöglichkeiten, Literatur und Informationen zu Voraussetzungen gesammelt, die ab heute öffentlich abrufbar sind. Unter anderem werden dort Informationen zum operativen und medikamentösen Schwangerschaftsabbruch, der Begleitung von telemedizinischen Schwangerschaftsabbrüchen und dem Ausstellen von Beratungsscheinen zur Verfügung gestellt.

Nach Streichung des Paragrafen 219a im Juni 2022 dürfen Ärzt*innen außerdem auf ihren Webseiten über Schwangerschaftsabbrüche und die verwendeten Methoden informieren: um auch diesen Schritt für Ärzt*innen zu erleichtern, bietet die Webseite Textbausteine und Material für Ärzt*innen, um Informationen für ungewollt Schwangere leicht zugänglich bereitstellen zu können.

Auch auf den anstehenden Kongressen der gynäkologischen Fachgesellschaften wollen Mitglieder von Doctors for Choice mit Postkarten und Buttons passend zur Kampagne auf die schlechte Versorgungslage von ungewollt Schwangeren hinweisen und ärztliche Kolleg*innen direkt darauf ansprechen.

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