Warum ein US-Gefängnis jetzt säkulare Programme zum Suchtausstieg erlaubt

"Sieg für die Religionsfreiheit"

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Alcatraz, das (nicht mehr genutzte) Hochsicherheitgefängnis auf der Felsinsel in der Bucht von San Francisco. (Symbolbild)
Alcatraz

Es sei ein "unglaublicher Sieg für die Religionsfreiheit – und für die Freiheit von Menschen ohne Religion", schreibt der Aktivist Hemant Mehta im Blog Friendly Atheist: Der Häftling Andrew Miller wurde im Oktober auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen.

Millers Fall hatte im Frühjahr für Aufsehen gesorgt, weil er als Atheist erfolgreich vor einem Gericht in West Virginia gegen diskriminierende Bewährungsauflagen vorgegangen war.

Die unterlegene Partei, die Strafvollzugsanstalt West Virginia Division of Corrections and Rehabilitation (WVDCR), strich zudem die Auflage, dass Inhaftierte an religiös orientierten Programmen zum Suchtausstieg teilnehmen müssen, um eine vorzeitige Entlassung auf Bewährung zu erhalten, und überarbeitete das Handbuch für das staatlich finanzierte Residential Substance Abuse Treatment Program (RSAT), sodass es nunmehr ohne religiöse Elemente auskommt.

In den Vereinigten Staaten ist die vorzeitige Haftentlassung zur Bewährung in manchen Fällen an Auflagen geknüpft, beispielsweise an die Teilnahme an einem Suchtausstiegsprogramm. Viele dieser Angebote sind stark religiös geprägt; so werden die Teilnehmenden gezwungen, Gebete und andere christliche Texte zu rezitieren und sind zudem stetigen Appellen zum Gottvertrauen ausgesetzt. Die Organisation Anonyme Alkoholiker (AA) behauptet sogar, dass die Heilung von der Sucht nur auf spiritueller Grundlage zu erlangen sei. Eine agnostische oder atheistische Weltanschauung sei damit unvereinbar. Alternative, säkulare Angebote werden von den Behörden oft nicht anerkannt.

So war es auch in Andrew Millers Fall. Der Atheist und säkulare Humanist war 2021 wegen Einbruchs zu einer ein- bis zehnjährigen Gefängnisstrafe verurteilt und kurz nach Haftantritt in das Programm RSAT aufgenommen worden. Wie Hemant Mehta schreibt, wurden Insassen, die die Teilnahme an dem sechs- bis zwölfmonatigen Kurs verweigerten, als Sicherheitsrisiko eingestuft und konnten nicht mit einer vorzeitigen Entlassung rechnen.

Während der Haft stellte Miller wiederholt Anträge auf eine Suchtbehandlung durch Therapien, Medikamente oder Teilnahme an säkularen Angeboten wie SMART Recovery oder LifeRing. Dabei berief er sich auf seine atheistische Überzeugung, die im Gegensatz zum religiösen Charakter von RSAT stehe. Doch die Strafvollzugsbehörde WVDCR lehnte all diese Anträge ab. Sie argumentierten, dass es sich bei RSAT nicht um ein religiöses, sondern um ein spirituelles Programm handele. Der Richter zeigte sich davon nicht überzeugt. Vielmehr habe die Behörde durch ihre Einlassung eingeräumt, dass das RSAT den Teilnehmenden bestimmte spirituelle Überzeugungen aufzwingt, und damit die verfassungsgemäß festgeschriebenen Rechte von Atheisten verletzt. Zudem verpflichtete das Gericht die Behörde, den Abschluss des RSAT-Programms aus dem Katalog der Voraussetzungen für Andrew Millers Haftentlassung auf Bewährung zu streichen.

Nach Einschätzung des Anwalts Geoffrey T. Blackwell von der Organisation American Atheists, der Miller beim Prozess vertrat, komme es in Haftanstalten häufig zu derartigen Angriffen auf die Rechte von Atheisten, Humanisten und anderen Menschen, die nicht dem christlichen Glauben angehören. "Für viele Strafvollzugsbeamte ist die Verbreitung von religiöser Propaganda wichtiger als die Achtung der Rechte der Menschen oder der Verfassung", so der Anwalt weiter.

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