Kommentar

So werden wir die Corona-Krise im Herbst nicht unter Kontrolle halten können

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Wir nähern uns der kalten Jahreszeit und somit dem verstärkten Aufenthalt in Innenräumen. Was uns der Sommer noch verzieh, wird uns im Herbst auf die Füße fallen, wenn wir uns nicht zusammenreißen. Mitdenken und auch mal Zurückstecken ist nach wie vor gefragt in der Corona-Pandemie.

Wir nähern uns dem Halbjahres-"Jubiläum" der Corona-Krise in Deutschland. Die aktuelle Lage ist überschaubar: Zwar sind die Zahlen wieder angestiegen, jedoch mit weniger schweren Verläufen, weil vor allem junge Menschen erkranken. Wir haben uns ganz gut im Pandemie-Alltag eingerichtet und vieles geht wieder seinen gewohnten Gang. Das viele Draußensein im Sommer verzieh uns die ein oder andere Nachlässigkeit.

Nun jedoch steuern wir unaufhaltsam auf den Herbst zu und mit den sinkenden Temperaturen werden wir uns zwangsläufig wieder mehr in geschlossenen Räumen aufhalten müssen. Dann ist wieder deutlich mehr Disziplin gefragt – und Eigenverantwortung. Die lässt nämlich zu wünschen übrig. Das konnte man schon an der Haltung des ein oder anderen Mitbürgers erkennen, als die ersten Anti-Corona-Maßnahmen wieder gelockert wurden. "Das darf man ja jetzt wieder", hieß es da von so manchem.

Hier liegt ein Denkfehler vor: Nur, weil man etwas wieder darf, heißt das nicht, dass es auch sinnvoll ist, es zu tun. Der demokratische Staat ist kein Elternteil, der einen an der Hand nimmt und einem sagt, was man tun soll. Wir dürfen nicht nur mitdenken und eigenverantwortlich handeln – wir müssen es auch. Konkret bedeutet das: Der Staat kann nur Vorgaben machen. Jeder Einzelne muss in seinem Alltag aber selbst abwägen, was er tut oder lieber nicht und ob etwas unbedingt sein muss.

Da wäre zum Beispiel das Thema private Feiern: Derzeit dürfen sie – je nach Bundesland – mit zwischen 25 (Hamburg) und 1.000 Personen (Brandenburg) stattfinden. Aber heißt das, dass man das auch zwingend in Anspruch nehmen muss? Wäre es nicht denkbar, einen runden Geburtstag im nächsten Jahr nachzuholen oder vorerst im kleinen Kreis standesamtlich zu heiraten, um dann im nächsten Jahr die große Party stattfinden zu lassen? Denn diese Veranstaltungen haben einen erheblichen Anteil an den jetzt wieder erhöhten Zahlen. Weil man bei längerem Zusammensein und steigendem Alkoholpegel halt irgendwann doch keinen Abstand mehr hält, die Gläser verwechselt und sich unter maximalem Aerosolausstoß anschreit, wenn die Musik zu laut ist.

Ein anderer Punkt ist der Umgang mit Positiv-Fällen im eigenen Umfeld. Da erzählte mir neulich eine Bekannte, wie beim Freund eines Teammitglieds auf ihrer Arbeit eine Infektion festgestellt wurde. Das ging dann so. Eine Kollegin meinte zu ihr: "Ich habe schlechte Neuigkeiten. Aber ich will dir jetzt nicht den Abend versauen." Erst auf Nachfrage wurde berichtet. Die dahinterstehende Grundhaltung ist fatal, mit einer Kopf-in-den-Sand-Mentalität kommen wir nicht weiter. Es bringt ja nichts, die Augen zu verschließen, um einen unbeschwerten Abend zu verbringen – und womöglich in der eigenen Unwissenheit noch andere Leute anzustecken.

Man wollte erst mal das Testergebnis des Teammitglieds abwarten (das glücklicherweise sofort nach Hause geschickt wurde – immerhin), bevor weitere Maßnahmen ergriffen werden, die das Projekt gefährden könnten. Genau andersherum müsste es sein: Wenn man verstanden hat, wie dieser Pandemie beizukommen ist und man zu etwas Eigeninitiative in der Lage ist, hätte sich sofort das gesamte Team von sich aus testen lassen und bis zum Erhalten des Ergebnisses in Quarantäne begeben müssen. In dem Fall hätte das unkomplizierterweise einfach bedeutet, das Wochenende zu Hause zu verbringen. Stattdessen ging man abends erst einmal in den Biergarten, ohne zu wissen, ob man selbst ansteckend ist.

Und dann wäre da noch das Problem der Testgeschwindigkeit: Sie ist zu langsam. Potenzielle Covid-19-Fälle müssen den Umweg über den Arzt nehmen und sind an dessen Öffnungszeiten und Terminkapazitäten gebunden. Wenn dieser Freitagmittag ins Wochenende geht, bekommt man sein Ergebnis halt erst am Montag (und dann sind wir wieder bei der Disziplin und der Eigeninitiative). Die Wege müssen kürzer werden und die Tests schnellere Ergebnisse liefern. Die aktuelle Wartezeit von mehreren Tagen ist kontraproduktiv. Die Labore brauchen eine höhere Personalausstattung, so dass sie die ganze Woche über testen können und das "Wochenendloch" bei der Weitergabe von Testzahlen und -ergebnissen geschlossen werden kann. Denn durch diese Verzögerung geht die Infektionskette immer weiter.

Die Gesamtmischung all dieser Faktoren der aktuell vorherrschenden Handhabung lässt einen nicht gerade optimistisch auf die nächsten Monate blicken. Besagtes Team hatte übrigens Glück: Der Test des Kollegen war negativ.

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