Was, wenn Wissenschaft kostenlos wäre?

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Die Coronapandemie hat gezeigt, dass der freie und verständlich aufbereitete Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen Gesellschaften zusammenhält. Wo er beschnitten oder übermäßig monetarisiert wird, greift gesellschaftliche Fragmentierung um sich. Doch was, wenn Wissenschaft nicht hinter Verlagspaywalls versteckt bliebe, sondern der Öffentlichkeit konstenlos zur freien Weiterverarbeitung angeboten wird? Die Initiative cOAlition S hat da einen Plan.

Vor drei Jahren staunte die gesamte wissenschaftliche Community nicht schlecht, als ein Konsortium von überwiegend europäischen Geldgeber:innen ankündigte: Wir finanzieren ab 2021 nur noch Forscher:innen, die ihre Ergebnisse über Open-Access-Plattformen oder -Magazine veröffentlichen. "Wissenschaft, im Sinne einer Institution des organisierten Diskurses, kann nur ordentlich funktionieren, wenn Ergebnisse der Community frei zur Verfügung gestellt werden, sodass die Resultate von anderen kritisiert und auf die Probe gestellt werden können", schreibt die Organisation Plan S.

Open Access bedeutet hierbei, dass die Autor:innen zwar die Rechte an ihrer Arbeit behalten, diese jedoch für andere kostenlos weiterverwendbar ist. Plan S empfiehlt die Creative-Commons-Lizenz, zugrunde liegt die bereits 2003 ins Leben gerufene "Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen".

Zur Initiative Coalition S gehören unter anderem die im biomedizinischen Bereich profilierten Organisationen Wellcome Trust und Howard Hughes Medical Institute, die Bill-und-Melinda-Gates-Stifung, mehr als 15 nationale europäische Foschungsfonds – und die Europäische Kommission. Foscher:innen steht es frei, ob sie ihre Arbeiten dabei direkt in kostenlos zugänglichen Bibliotheken, sogenannten Repositories, zum Download anbieten, oder ob sie Verträge mit Wissenschaftsverlagen abschließen, welche die Ergebnisse wiederum "paywall-frei" veröffentlichen.

Seit Anfang des Jahres gelten die Regeln der Initiative, doch der Knall, den sich manche erhofft hatten, ist bisher ausgeblieben. In den drei Ländern, die die meisten Papers produzieren – China, Indien und die USA – haben die staatlichen Stellen der Wissenschaftsförderung zwar ihre generelle Unterstützung für Open Access bekundet, doch ein klares Bekenntnis zu den Prinzipien von Coalition S per Unterschrift bisher gescheut.

Daher entfallen auf die Foscher:innen unter dem Dach von Coalition S im Jahr 2017 nur etwa sechs Prozent aller wissenschaftlichen Publikationen weltweit, schätzt die Analytikfirma Clarivate. Johan Roorcyck, Generaldirektor von Coalition S, ist dennoch optimistisch: "Die Gelder von Coalition S gehen an höchst rennomierte Wissenschaftler:innen, deren Arbeit immense Reichweite hat", sagte er im Magazin Science.

Dieser Optimismus ist begründet. Coalition S startet in einer Zeit, in der die jahrzehntelang unantastbaren, weil kaum sichtbaren, Wissenschaftsverlage zunehmend in die Kritik geraten. In Deutschland beispielsweise teilen sich drei Verlage – Elsevier, Springer Nature und Taylor & Francis – etwa die Hälfte des gesamten Markts für wissenschaftliche Publikationen. Weltmarktführer Elsevier ist in Deutschland schon öfter mit Wissenschaftsorganisationen über die Preisgestaltung aneinander geraten. Springer Nature wiederum übt sich im Internet Chinas auch mal an Zensur. Und neuerdings setzen die Verlage sogar Trojaner ein, um Wissenschaftler:innen zu tracken. Die Zeiten standen also selten besser für eine Open-Access-Revolution in der Wissenschaft.

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