Eine Welt nach USAID und der WHO

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Kurz nach seinem Amtsantritt ließ Donald Trump das Entwicklungshilfeministerium abwickeln (Symbolbild)
USAID

Die ersten Konsequenzen des abrupten Stopps des US-amerikanischen Entwicklungshilfebudgets werden langsam deutlich. In einer von Medico International organisierten Pressekonferenz berichteten NGOs, dass sie bereits Personal entlassen und Hilfsprojekte auf Eis gelegt hätten. Das Center for Disease Control (CDC) hat derweil die Zusammenarbeit mit der WHO eingestellt.

Es ist zunächst einmal festzuhalten, dass kein Staat Entwicklungshilfe aus reinem Altruismus heraus betreibt. Jedes Entwicklungshilfeministerium, so nobel dessen Zweck und Ziele auch sein mögen, ist ein Instrument der "soft power", der weichen Macht. Die deutsche Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze nannte Entwicklungspolitik einen "Türöffner, auch für die deutsche Wirtschaft". So sichern wir unseren Nachschub an kritischen Rohstoffen, besonders seltenen Erden, die wir unter anderem für die Industrie und auch für die Energiewende brauchen – welche wiederum ebenfalls ein Beispiel für ein Instrument der weichen Macht ist.

Entwicklungshilfeabkommen mit Nationen, die solche Ressourcen besitzen, stärken also die geopolitische Situation Deutschlands nicht nur durch lokale und internationale Allianzen, sondern auch durch Hebeleffekte auf unsere eigene Energiepolitik. Für eine Nation mit eingeschränktem Rohstoffreichtum ist Entwicklungshilfe ein unverzichtbares Mittel zur Stärkung der eigenen Lieferketten und Versorgungssicherheit.

Die Vereinigten Staaten sind zwar reich an fossilen Energieträgern, doch ihnen fehlen in der heutigen Welt kritische seltene Erden. Wie an den Drohgebärden in Richtung Kanada sowie in den aktuellen Ukraine-Verhandlungen deutlich wird, haben sich die Vereinigten Staaten von der Strategie, soft power zur Ressourcengewinnung einzusetzen, verabschiedet. Statt mit Entwicklungshilfe und internationaler Kooperation arbeitet man heute lieber mit Erpressung und Invasionsdrohungen.

Die humanitäre Hilfe beginnt, zu zerbröseln

In einer von Medico International organisierten Pressekonferenz sprachen vergangene Woche einige humanitäre NGOs zur Frage, wie die de facto-Abwicklung des US-Entwicklungshilfeministeriums USAID (dessen Website es einfach nicht mehr gibt) ihre Arbeit beeinträchtigt. Zwar schweben noch unzählige Fragezeichen über dem genauen Abwicklungsprozess, doch bereits jetzt wird deutlich, dass sich die Landschaft, vor der humanitäre und zivilgesellschaftliche Arbeit stattfinden, massiv verändert.

Ghulam Sahki, Forschungsdirektor der Afghanistan Human Rights and Democracy Organisation (AHRDO) im kanadischen Exil, nannte den abrupten Stopp der Zahlungen ein "gottgegebenes Geschenk an die Taliban". Die Organisation habe seit der Anordnung der Aussetzung der Zahlungen durch die US-Regierung nur etwa die Hälfte der erwarteten und vertraglich vereinbarten Gelder erhalten und daher bereits begonnen, Angestellte zu entlassen und investigative Projekte in Afghanistan zu streichen, so Sahki.

Die Organisation habe dahingehend ein Schreiben erhalten, in dem ein mit sofortiger Wirkung eintretender, neunzigtägiger Zahlungsstopp angekündigt wurde. In diesem Zeitraum sollen bestehende Verträge überprüft und schlussendlich entschieden werden, welche Verträge aufgelöst und welche weitergeführt würden, erklärte Sahki. In dieser Zeit allerdings verliere man Arbeitskräfte, Bürogebäude und Betriebsmittel, was einige Organisationen wohl kaum überleben dürften. Es sei noch zu früh, um die Folgen genau abschätzen zu können, doch mit Sicherheit werde die Streichung des US-Entwicklungshilfebudgets einen "direkten und ziemlich katastrophalen Effekt auf alle Menschenrechtsorganisationen, Medien und humanitären Hilfskräfte im Land" haben, so der Forschungsdirektor weiter.

Für die in Nordost-Syrien tätige NGO Kurdish Red Crescent (KRC) sprach Projektmanager Muhammad Sulaiman über die kritische Versorgungslage Vertriebener und Geflüchteter vor dem Hintergrund des syrischen Regimewechsels. KRC betreibt etwa 40 Gesundheitseinrichtungen, darunter Krankenhäuser, und führt medizinische Notfalltransporte durch. Es solle zwar eine Ausnahme vom Zahlungsstopp für die Katastrophenhilfe geben, doch bisher sei keine klare Entscheidung kommuniziert worden, welche Programme davon betroffen sind, so Sulaiman. Man habe sich daher gezwungen gesehen, Programme zur Nahrungsmittel- und Trinkwasserverteilung einzufrieren sowie die Bestellung von Medikamenten und anderen medizinisch essentiellen Gütern stark herunterzufahren.

Abdullah Hersi von der Organisation Nomadic Assistance for Peace and Development (NAPAD), deren Fokus auf von Klimakrisen, Krieg und Armut betroffenen nomadischen Gemeinschaften in Somalia und Kenia liegt, beschrieb einen ähnlich desolaten Zustand. Zwar werde NAPAD nur zu geringen Teilen von USAID finanziert, die Organisation habe aber beginnen müssen, die Arbeit anderer NGOs zu übernehmen, die auf US-Gelder angewiesen sind. "Die Finanzierung ist effektiv eingefroren", sagte Hersi. Aufgrund dieser Neustrukturierung habe man bereits Angestellte entlassen, Mietverträge kündigen und Nahrungsmittelhilfsprogramme einstellen müssen.

In Kenia werde die kritische Rolle USAIDs besonders deutlich, betonte Medico Internationals Nothilfeberaterin Radwa Khaled-Ibrahim. 72 Prozent des Bruttoinlandsprodukts werde für die Bedienung ausländischer Schulden aufgewendet, während die einheimische Wirtschaft aufgrund einseitig nachteiliger Handelsabkommen unter anderem mit der EU am Boden läge. USAID spielte eine tragende Rolle bei der Verhandlung von Schuldenschnitten und faireren Handelsabkommen – ein transnationaler Interessenausgleich, der nun wegfällt. Auch Khaled-Ibrahim wies auf die tragende geopolitische Rolle der Entwicklungspolitik hin und warnte, die Abwicklung USAIDs sei nicht nur ein Angriff auf eine Behörde, sondern symbolisiere einen ideologischen Wandel hin zu mehr Nationalismus.

Jenseits der WHO liegt die nächste Pandemie

Eines der unzähligen Dekrete, die Donald Trump am 20. Januar hurricaneartig auf die Welt losließ, trägt den prägnanten Titel "Austritt der Vereinigten Staaten aus der Weltgesundheitsorganisation". Zwei Sektionen dieses Dekrets sind hier von besonderem Interesse:

"Sektion 2. Absatz d) Der Außenminister und der Direktor des Büros für Management und Budgetfragen sollen, mit aller gebotenen Geschwindigkeit, die geeigneten Maßnahmen ergreifen, um

(i) den zukünftigen Transfer aller Zahlungen, Unterstützungsleistungen und Ressourcen der Vereinigten Staaten an die WHO einzufrieren".

Außenminister ist Marco Rubio, Direktor des Büros für Management und Budgetfragen (OMB) ist der kürzlich vom Kongress bestätigte Projekt 2025-Co-Autor Russel Vought. Vought ist das einzige Kabinettsmitglied aus Trumps erster Amtszeit, das die gleiche Position erneut ausfüllen wird und gilt als eine der zentralen Säulen von Projekt 2025 sowie als Architekt der Aushöhlung der US-Administration per Massenentlassung.

"Sektion 4. Während des Austrittsprozesses wird der Außenminister sämtliche Verhandlungen über das Pandemiebekämpfungsabkommen der WHO sowie Ergänzungen zu den Internationalen Gesundheitsrichtlinien aussetzen, und alle Maßnahmen, die dieses Abkommen oder diese Richtlinien durchsetzen sollen, werden keine Gewalt in den Vereinigten Staaten haben."

Heißt übersetzt: Die Vereinigten Staaten haben die Leitung zwischen ihnen und der WHO gekappt und damit die Leitung zwischen ihrem Gesundheitssystem und dem des Rests der Welt. Das CDC wurde in einem Memo bereits angewiesen, sämtliche Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation einzustellen.

Der Austritt aus der WHO geschieht dabei vor beunruhigender gesundheitspolitischer Kulisse. Bereits seit einiger Zeit arbeitet sich das Vogelgrippevirus H5N1 durch die Hühnerställe und Rinderfarmen der Vereinigten Staaten und hat mittlerweile das erste menschliche Todesopfer gefordert. Datensätze des CDC verschwinden auf mysteriöse Weise. Und angesichts der Tatsache, dass der Bundesstaat Kansas gerade mit einem der größten Tuberkuloseausbrüche der jüngeren Geschichte zu ringen hat, wäre ein funktionierendes CDC im Moment von entscheidender Wichtigkeit – gewesen. So allerdings haben die Vereinigten Staaten weder Zugriff auf die Forschung noch auf die Ressourcen der restlichen Welt und vice versa, was die Bekämpfung künftiger Epi- und Pandemien ganz ohne Zweifel massiv behindern wird.

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