Werden Masernepidemien wieder zur Normalität?

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Die Masern sind wieder auf dem Vormarsch, trotz gestiegener Impfraten. Auch auf den Philippinen und in den USA gibt es einen Ausbruch. Der Grund: Impfskeptizismus. Deutschland bildet dabei eine Ausnahme: Hier waren die Zahlen im vergangenen Jahr rückläufig.

2016 konnte die World Health Organization (WHO) in Europa noch einen Niedrigrekord an Masernerkrankungen verzeichnen, 2018 jetzt das Gegenteil: Es wurde ein Zehn-Jahres-Rekord bei den Erkrankungen erreicht, gleichzeitig sind aber auch die Impfraten auf einem Allzeit-Hoch: 2017 lagen sie bei 95 Prozent für die erste Masernimpfung und bei 90 Prozent für die zweite. Der Fortschritt der einzelnen Länder jener Region, die die WHO als Europa zusammenfasst, ist allerdings sehr unterschiedlich. 53 Länder, darunter neben den EU-Staaten auch die Türkei, Israel, Russland, Uzbekistan und Aserbaidschan, zählen dazu. In 47 davon erkrankten insgesamt 82.596 Menschen an Masern, das entspricht einer Verdreifachung gegenüber 2017. 72 Personen starben. Am schlimmsten wütete die Krankheit in der Ukraine, dort befiel sie über 53.000 Menschen.

Dieses Paradoxon zwischen gestiegenen Impfraten und Masernfällen erklärt die Direktorin des Europabüros der WHO, Zsuzsanna Jakab, mit Lücken in der Impfversorgung auf lokaler Ebene, die "dem Virus immer noch Tür und Tor öffnen". Deshalb müsse auch vor Ort mehr getan werden. "Wir werden es auf globaler Ebene nicht zu gesünderen Gesellschaften bringen, wie es die WHO für die kommenden fünf Jahre verspricht, wenn wir nicht lokal arbeiten. Wir müssen mehr tun und wir müssen es besser tun, um jeden einzelnen Menschen vor Krankheiten zu schützen, die leicht vermieden werden können." In Deutschland ist der Trend ein anderer: Hier sind die Zahlen rückläufig. Nur etwa 500 wurden 2018 gemeldet.

Einen weiteren Grund für die weltweite Wiederausbreitung des Masern-Virus sieht die WHO im Impfskeptizismus, den sie dieses Jahr auf die Liste der größten Gesundheitsgefahren für die Menschheit setzte.

Wie dramatisch ein Masernausbruch in Folge von Impfverweigerung verlaufen kann lässt sich derzeit auf den Philippinen beobachten: Dort sind innerhalb weniger Tage mindestens 22 Menschen an der Krankheit gestorben, berichtet die Süddeutsche Zeitung (SZ). Im Großraum der Hauptstadt Manila gab es in diesem Jahr bereits über 440 gemeldete Fälle. Im Jahr 2017 hatte es in dem asiatischen Land einen Skandal um einen Impfstoff gegen Dengue-Fieber des Herstellers Sanofi gegeben. Das hatte zur Folge, dass die Menschen generell von Impfungen Abstand nahmen.

Auch die USA haben mit Impfgegnern zu kämpfen: Bereits vor 20 Jahren seien die Masern dort als Gefahr für die öffentliche Gesundheit für ausgerottet erklärt worden. Diesen Winter haben sie dort mit 79 Fällen seit Jahresbeginn ihr Comeback. Und zwar genau dort, wo es den Eltern überlassen ist, ob sie ihre Kinder impfen oder nicht. Wie ansteckend die Krankheit ist, konnte eine jüdisch-orthodoxe Community in Brooklyn feststellen, als ein nicht-geimpftes Kind das Virus von einem Besuch aus Israel mitbrachte und damit 64 andere Fälle auslöste, wie die New York Times berichtet. Am schlimmsten traf es allerdings die Region Clark County in der Nähe von Portland, in der vergangenen Monat der medizinische Notstand ausgerufen wurde. Clark County hat mit 78 Prozent eine der niedrigsten Impfraten im gesamten Bundesstaat Washington. Damit es nicht zu einem Ausbruch der Krankheit kommt, müsste sie laut Experten bei mindestens 93 Prozent liegen. Portland sei laut New York Times ein Hotspot der Impfgegner. "Eine nicht-geimpfte Gesellschaft ist, als würden Sie ein Streichholz in einen Benzinkanister werfen", bringt es der Gesundheitsbeauftragte der Region, Alan Melnick, auf den Punkt. Seit dem Ausbruch würden Eltern nun zunehmend wieder Impfungen in Anspruch nehmen.

Peter Hotez, Vizedirektor des Zentrums für die Entwicklung von Impfstoffen im Kinderkrankenhaus von Texas, sagte laut New York Times, er sei sehr besorgt, dass Masernepidemien wieder zur Normalität werden könnten. Es seien Fehlinformationen über Impfungen verbreitet worden und diese hätten ihren Weg auch in die Gesetzgebung von Bundesstaaten gefunden.

Ein Krankenhaus in Vancouver (Bundesstaat Washington) hat derweil in Folge der Masernepidemie drastische Maßnahmen ergriffen: Im Eingangsbereich steht ein Schild, das Kinder unter zwölf Jahren, Menschen mit geschwächtem Immunsystem und Nicht-Geimpfte höflich bittet, "die Einrichtung sofort zu verlassen".