Konferenz Transhumanismus

Hirnchips für alle?

BERLIN. (hpd) Um “Humanistische Kritik am Transhumanismus” ging es am 15. November auf einer gut besuchten wissenschaftlichen Tagung der Humanistischen Akademie Berlin-Brandenburg (HABB). Auffällig und erfreulich für den Veranstalter war die überdurchschnittlich hohe Teilnahme von jungen Menschen und auch von Nichtmitgliedern des Humanistischen Verbandes (HVD). Es war also ein Thema gewählt worden, das wohl doch eine breitere Öffentlichkeit anspricht. Trotz des sperrigen Titels.

Vielleicht hätte man sogar besser und provokanter titeln sollen mit “Hirnchips für alle?”, meinte Akademie-Direktor Dr. Ralf Schöppner in seiner Anmoderation. Diese Frage trat übrigens später, teilweise etwas anders formuliert, in weiteren Debattenbeiträgen auf. Schöppner spitzte aber noch selbst weiter zu, indem er die Frage in den Raum stellte, ob denn Transhumanisten Bösewichter seien.

Was soll man eigentlich unter dem Begriff “Transhumanismus” verstehen? In einer ersten knappen Antwort bezog er sich auf den Biologen und Eugeniker Julian Huxley, der 1957 in seinem Buch “New Bottles for New Wine” erstmalig diesen Begriff formulierte und postuliert habe: Ein Transhumanist sei ein “Mensch, der Mensch bleibt, aber sich selbst, durch Verwirklichung neuer Möglichkeiten von seiner und für seine menschliche Natur, überwindet.” Es gehe also Transhumanisten um die physische Verbesserung des menschlichen Körpers durch technische Mittel und um die Steigerung der geistigen Leistungsfähigkeit des menschlichen Gehirns ins Unendliche, z.B. durch den berühmten Chip im Kopf. Dieses angeblich hehre Ziel der Transhumanisten veranlasste Schöppner zu den Fragen: “Welche technischen Möglichkeiten sind wünschenswert und vor allem, welche humanistischen Kriterien sollten hier gelten?”

Damit man nicht nur über Transhumanismus rede, sondern vor allem mit Transhumanisten selbst, war Dr. Stefan Lorenz Sorgner, Direktor des Beyond Humanism Network, gebeten worden, sein Plädoyer für einen von ihm so genannten “schwachen Transhumanismus” vorzustellen. Sorgner selbst ist über Nietzsche zum Transhumanismus gekommen und sieht in diesem Begriff eine “Umwertung der Menschenwürde”. Gegen den evolutionären Humanismus gewandt, behauptete er, dieser sei gar kein Humanismus. Anderseits hieß es von ihm, dass “Transhumanismus sogar über Humanismus hinausgehe”. Abschließend formulierte Sorgner zwölf sehr provozierende Punkte zum Thema. Im elften geht es ebenfalls um den bereits erwähnten “Hirnchip für alle”, bei ihm allerdings nicht mit einem Fragezeichen versehen. Er verdeutlichte das mit dem Slogan, dass man eine solche Entwicklung so auffassen könne: “Von der Playstation zur Brainstation”.

Sorgners Vortrag bewegte sich auf hohem intellektuellen, abstrakten Niveau, wobei er aber teilweise wie ein Verkäufer wohlfeiler Werbebotschaften auftrat. Es wimmelte darin von Begriffen, die nicht immer genauer definiert wurden: Humanismus, Posthumanismus, Transhumanismus, Metahumanismus…

Das führte schon bald zu deutlichem Widerspruch aus dem Publikum, vor allem wehrte man sich gegen Sorgners Abwertung des evolutionären Humanismus. Und es wurde zum Ausdruck gebracht, dass Transhumanismus letztlich nur zu einer weiteren und noch gravierenderen Spaltung der Gesellschaft, ja der Menschheit, in Reiche und Arme führe.

Prof. Dr. Joachim Fischer, Technische Universität Dresden, beleuchtete dann den Transhumanismus aus philosophisch-anthropologischer Perspektive, sich dabei auf Helmuth Plessners Theorie der exzentrischen Positionalität beziehend.

Eingangs stellte Fischer klar, dass für ihn die philosophische Anthropologie der Platzhalter des Humanismus in Zeiten von dessen Infragestellung sei, also z.B. durch den Transhumanismus.
Beider Bewertungen müssten sich an den drei anthropologischen Gesetzen orientieren. Fischer gestand den transhumanistischen Autoren durchaus richtige Befunde zu, er bezweifelte aber sehr dezidiert, ob deren daraus resultierenden Angebote zu akzeptieren seien. Seine Ausführungen illustrierte er anhand seines Buches “Soziologie der Weltraumfahrt”. Dabei wollte er weniger ethische Fragen behandeln, sondern vielmehr ausgehend von einer Analyse transhumanistischer Schriften zwei Fragen stellen: “Was behaupten sie und vor allem, worauf beziehen sie sich?”

Sehr prononciert zugespitzt war der nachfolgende Vortrag von Prof. Dr. Enno Rudolph von der Universität Luzern schon im Titel: “Transhumanismus – Version oder Perversion des Humanismus?”. Rudolph, der erkrankt war, wurde via Skype zur Konferenz zugeschaltet und konnte auf diese Weise seinen Vortrag dennoch halten. Für ihn hat die Vokabel “Transhumanismus” das “Niveau eines Modewortes noch nicht überwunden”. Besorgt mache ihn die Ideologisierung des Begriffes als “neue Weltanschauung Transhumanismus”.

In den Mittelpunkt seiner Ausführungen stellte er jedoch die für ihn alles entscheidende Frage, was denn das Präfix “Trans” eigentlich besagen soll. Denn dieses Präfix sei mehr als mehrdeutig. Den transhumanistischen Autoren warf er daher “Selbstmissverständnisse” im Umgang mit der Vokabel vor: “Was ist, was soll das nun Humanistische im Transhumanismus sein?” Vor allem aber macht er Fehlschlüsse bei diesen aus und bestätigte hier Fischers Ausführungen.

Akademiepräsident Prof. Dr. Frieder Otto Wolf gab seinerseits einen kurzen “ergänzenden Beitrag” über die diversen Kategorienfehler in der gesamten Transhumanismus-Debatte. Transhumanisten würden vor allem konsequent alle gesellschaftlichen Verhältnisse ausblenden. Und er dachte laut darüber nach, welches denn der Nährboden sei, auf dem so etwas wie der Transhumanismus gründe. Für ihn sei dieser nur etwas für “abgehobene Eliten” und/oder ein Fluchtangebot aus individuellen Krisen. Für Humanisten müsse es daher heißen: “Was können wir dagegen setzen? Wie wollen wir leben und welche Probleme im Leben aller lösen? Wie weit dürfen sich Wissenschaft und Technik verselbständigen?” Und vor allem dürfe es keine Abgabe der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung an “Techniker” geben.

Das von Ralf Schöppner moderierte abschließende Podiumsgespräch mit Dr. Sorin Antohi (Bukarest), Frieder Otto Wolf, Joachim Fischer, Stefan Lorenz Sorgner und dem zugeschalteten Enno Rudolph fasste noch einmal das Pro und Kontra der Debatte auf dieser Konferenz zusammen. Fertige Antworten konnte es natürlich nicht geben, es blieben vor allem viele Fragen und auch noch zu bewältigende Aufgaben seitens der Humanisten. Hierfür gab das Impulsreferat von Sorin Antohi “Humanismus und Utopie” einen guten Ausgangspunkt. Vier seiner Fragen sollen hier unbedingt hervorgehoben werden: “Sind die Zukunfts-Spekulationen von gestern und heute erbaulicher, fruchtbarer, ergiebiger als die vergangene Geschichte und die Zukunftsspekulationen von damals? Weisen eine ungezügelte Säkularisierung und ihr Gegenstück, die Re-Säkularisierung, auf ein Grundproblem der menschlichen Natur und menschlicher Vernunft hin? Ist Humanismus eine Utopie? Welche Zukunft haben gesellschaftliche Entwürfe, d.h. Utopismus und Humanismus?”