Vom 5. bis 21. August 2016 werden in Rio de Janeiro die XXXI. Olympischen Sommerspiele der Neuzeit ausgetragen. hpd-Autor Erik Dorn hat keine Lust mehr auf diese fragwürdigen Sportspektakel.
Nach den Worten des ehemaligen Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Jacques Rogge, steht der Sport für ethische und humanistische Werte. "Der Olympismus ist eine Lebensphilosophie", heißt es in der Olympischen Charta von 2014. "Ziel des Olympismus ist es, den Sport in den Dienst der harmonischen Entwicklung der Menschheit zu stellen, um eine friedliche Gesellschaft zu fördern, die der Wahrung der Menschenrechte verpflichtet ist." Es gehe um Freude an der Leistung, gesellschaftliche Verantwortung und die Achtung fundamentaler moralischer Prinzipien.
Was schon vor Jahrzehnten verlogen klang, ist 2016 zur reinen Utopie verkommen. Die Leitmotive des Olympismus sind angesichts von Korruption, Kommerzialisierung, Hooliganismus, Menschenrechtsverletzungen, Doping etc. nur noch Wortklingelei. Die viel gepriesene Freundschaft, Solidarität und das Fairplay unter den fünf Ringen kann in Rio nur stattfinden, weil 85.000 Soldaten und Polizisten, Internetüberwacher, Taschenkontrolleure das Konstrukt Olympiade zusammenhalten. Noch nie waren Olympische Spiele so verlogen.
Aus der Idee des französischen Pädagogen Pierre de Coubertin (1863-1937), der 1896 die Olympischen Spiele der Neuzeit initiierte, ist ein schlechter Witz geworden. Der Franzose hatte die antiken Spiele, bei denen nur der Sieger zählte, nur bedingt als Vorbild genommen, seine Ideale und Ziele speisten sich aus anderen Quellen. Für den adligen Coubertin war der Sport ("Feste für die Jugend der Welt") einerseits "eine Religion mit Kirche, Dogmen, Kult…", andererseits deutete er diesen religiösen Charakter um, indem er ihn durch Demokratie und Internationalismus umformte. Olympia als Wanderzirkus – zu dieser Idee inspirierte Coubertin die Weltausstellungen am Ende des neunzehnten Jahrhunderts, die ein internationales Publikum in die städtischen Metropolen zogen. Der Franzose setzte auch darauf, dass die olympischen Wettkämpfe der Unterhaltung und Geselligkeit dienen sollten.
Waren kommerzielle Nebenabsichten anfangs nur Begleiterscheinung, so beherrscht der Gigantismus der Unterhaltungsindustrie die Spiele. Rund neun Millionen Euro kostet die Olympia-Expedition der deutschen Mannschaft nach Rio. 5,5 Millionen Euro davon werden vom Bund, als vom Steuerzahler, getragen. Rund eine halbe Million Euro steuert das IOC bei, inklusive Unterkunft und Verpflegung, die restlichen drei Millionen Euro decken Sponsoren ab. ARD und ZDF erledigen den Rest, indem sie das Sportspektakel in bunten Bildern in die Wohnzimmer liefert.
Der einst in den Regularien der Olympischen Spiele verankerte Amateurgedanke ist seit langem obsolet. Olympioniken sind heutzutage finanziell vom Staat geförderte Profis und ohne Sponsoren geht nichts. Olympia bedeutet ein Milliardengeschäft für das IOC. Ein Teil der Einnahmen der Olympischen Spiele geht, das muss fairerweise angemerkt werden, in die Entwicklungshilfe und den Breitensport.
In einem Punkt allerdings kommt der Sport heute ohne Diskriminierung aus. Noch zu Zeiten Coubertins waren Frauen von den olympischen Wettkämpfen ausgeschlossen. "Persönlich halte ich nichts vom Frauensport in der Öffentlichkeit, was nicht heißen soll, dass sie sich nicht in großen Zahlen sportlich betätigen sollen, aber eben ohne sich öffentlich zur Schau zu stellen. Bei den Olympischen Spielen sollte ihre Rolle die sein, die sie auch schon bei den antiken Wettkämpfen hatte, nämlich die Sieger zu bekränzen", so der französische Baron. Das antike Vorbild war kein Modell für die Moderne.
Mit einer gehörigen Menge Weihrauchnebel werden uns die Spiele in Rio von Sponsoren und Medien als ein Kräftemessen der besten Athleten der Welt verkauft. Schneller, höher, weiter ist die Maxime der heilen Sportwelt. Doch hat die olympische Idee nicht zuletzt durch das staatlich gelenkte Doping in Russland jede Glaubwürdigkeit verloren. Die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada hat in seinem fast 100-seitigen Bericht festgehalten, wie unter staatlicher Führung und unter Beteiligung des russischen Inlandsgeheimdienstes systematisch mit Medikamenten manipuliert wurde. Und wie geht der IOC-Präsident Thomas Bach mit dieser Tatsache um? Statt durch ein entschlossenes Handeln, Glaubwürdigkeit und Transparenz wieder herzustellen und die Einhaltung der Prinzipien des Olympismus durchzusetzen, spielt er auf Zeit und delegiert die Verantwortung für unangenehme Entscheidungen an den Internationalen Sportgerichtshof (Cas) und die einzelnen Sportverbände.
Doping ist ein Problem, dass Athleten, Sportfunktionäre und Politik nicht in den Griff bekommen. Schon die DDR schuf einst ein umfangreiches Dopingsystem. Wie die Russen bei den Winterspielen in Sotschi 2014 ihre Medaillen gewannen, ist ein sportpolitischer Worstcase. Dass dem Missbrauch auch in Zukunft keine wirklichen Grenzen gesetzt sind, macht allein die Tatsache deutlich, dass die Trefferquote von Dopingtests bei olympischen Sportarten bei einem Prozent liegt. So kann es nicht verwundern, dass die Partei der Humanisten einen dopingfreien Sport für idealistisch hält. In ihrem Grundsatzprogramm vom 22. Mai 2016 fordert sie, dass für Doping die gleichen Bedingungen herrschen müssen wie für andere Drogen. "Wie die einzelnen Wettkämpfe damit umgehen, ist Sache der jeweiligen Sportverbände." Das IOC wird erfreut sein.
Der olympische Sport befindet sich in einem "Todeskampf", so Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. Der Abgesang auf die olympische Idee ist wohl nur zu stoppen, wenn das Publikum die Lust auf das große Olympia-Ereignis verliert und die Sportler weltweit sich auf neue ethische Werte des Sports verständigen und diese auch leben. Es gibt kein Gesetz, dass das IOC zur Austragung der Olympischen Spiele verpflichtet. Eine Stunde Null nach Rio könnte ein wichtiger erster Schritt sein.
20 Kommentare
Kommentare
Mustafa am Permanenter Link
Wo wir schon bei der DDR und Russland sind, darf nat. nicht die systematische Unterstützung von Doping in der Bundesrepublik durch das Innenministerium fehlen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Doping_in_der_Bundesrepublik_Deutschland
Wolfgang am Permanenter Link
Null Bock auf Olympia! Die Götter müssen doch in ihren Gräbern rotieren. Wer hat die besten Dopingmittel und wie stets um die Kostüme?
schlechter wie ein Kirchentag. Olympia, nein danke!
Petra Pausch am Permanenter Link
Auch ich versuche, diese Weltschau des Dopings zu ignorieren (funktioniert ja nicht so ganz, weil in Nachrichten und Zeitungen darüber berichtet wird...)
In Brasilien gibt es derzeit soziale und politische Unruhen... und man feiert, als wäre nichts.
Doch es wird ja auch eine Fussballweltmeisterschaft in Katar geben - deutlicher kann die Verlogenheit des "Sports" nicht gezeigt werden.
Elke am Permanenter Link
Mir war schon zu Schulzeiten dieses Gegeneinander widerlich, das den Grundgedanken des Sports ausmacht.
Bei Bundesjugendspielen war ich grundsätzlich mit Entschuldigung meiner Eltern (danke ihr Guten!!!) abgemeldet, so dass ich nie eine Sieger- oder Ehrenurkunde von H.Lübke oder G.Heinemann erhielt.
Martin Weidner am Permanenter Link
Danke für diese Ergänzung des Artikels. Ich bin aber der Meinung, dass es Sport auch ohne dieses Vergleichen gibt.
Kay Krause am Permanenter Link
Der Grundgedanke des Sports war in Urzeiten sicherlich ein anderer als das, was heute - in erster Linie im sogenannten Profisport - darunter verstanden wird.
durch ihre Sucht nach spannender Unterhaltung von den eigentlichen Problemen des Staates abgelenkt werden!
Martin Weidner am Permanenter Link
In wdr5 wird sehr kritisch über Olympia informiert. Aber ein Sportredakteur hat die Meinung vertreten, dass Olympia nötig ist, um junge Menschen für den Sport zu begeistern.
kappert peter am Permanenter Link
Olympische Spiele sind mit der grösste Betrug am deutschen Steuerzahler. Was hat der Normalbürger von einem Olympiasieg? Nichts. Er ist nur 50000Euro ärmer.
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Von Olympia habe ich nur zur Kenntnis genommen, was die Brasilianer, deren wirtschaftliche und soziale Situation seit der Fußball-WM sich weiter verschlechtert hat, deswegen hinnehmen müssen.
Hierzu ein interessantes Dossier der Heinrich-Böll-Stiftung:
https://www.boell.de/de/dossier-olympische-spiele-2016-rio-de-janeiro
Zudem ist diese Veranstaltung alles andere als international, nämlich ein Tummelplatz nationaler Interessen und Befindlichkeiten. Der beste Beweis dafür ist die durchweg staatliche Förderung und Vertuschung des Doping.
Treffen der Jugend der Welt - dass ich nicht lache. Ein Treffen sicher talentierter Sportler, die einmal als Idealisten angefangen haben und jetzt von einem kommerzialisierten moralfreien Moloch als Aushängeschilder benutzt werden.
Nein, danke.
Joachim Müller am Permanenter Link
Mich würde interessieren, gibt es bei den Humanisten eigentlich Leute, die Freude am Sport haben, und Freude an der eigenen sportlichen Leistung nachvollziehen können? Ich vermute nicht viele.
Aber es gibt sicher viele Sportler, die sich an ihrem Sport erfreuen und der ihnen im Leben eine Hilfe ist.
Ich habe ein Problem damit, wenn Leute, denen Sport gar nichts bedeutet, sich kritisch mit dem Sport beschäftigen. Es ist ungefähr so, als wenn Päpste und Bischöfe sich über Sex auslassen.
Frank Nicolai am Permanenter Link
Hier spricht niemand im Allgemeinen GEGEN den Sport - hier geht es einzig und allein um die vollständige Kommerzialisierung des Sportes.
Viele Humanisten engagieren sich in Sportvereinen und treiben Sport.
Sicherlich kann Sport Lebenshilfe sein... Leistungssport aber ganz sicher nicht.
Elke am Permanenter Link
Doch, ich tue das schon, ich spreche allgemein GEGEN den Sport.
Sport ohne Konkurrenz - sprich: ohne das Ziel, einen anderen übertrumpfen oder besiegen zu müssen - gibt es nicht, das wäre per definitionem kein Sport.
Gegen körperliche Bewegung mit Freude und Spaß an der Bewegung und ohne in einem Konkurrenzkampf gegen andere (oder auch gegen sich selbst) gewinnen zu wollen oder zu müssen, habe ich gar nichts, aber das ist wiederum per definitionem kein Sport.
Sport ist immer Wettkampf, und dagegen habe ich entschieden was. Weil er neben dem Sieger immer auch den Verlierer produziert. Das Wesen des Sports ansich macht (psychisch) krank.
Joachim Müller am Permanenter Link
Wenn Sport psychisch krank macht, würde das auch für Musiker gelten, für Künstler, für Ärzte und sonstige Berufe, generell für all die Menschen, die mit Freude versuchen, ihr Können zu verbessern.
Es wäre falsch, Freude am eigenen Können als negative Eigenschaft hervorzuheben. Die Mitarbeiter des hpd bringen auch jeden Tag Leistung, zwar auf einem anderen Gebiet, aber ohne großen Einsatz wäre die Leistung nicht möglich.
Siegrun am Permanenter Link
Ich finde Sport ohne Wettkampf ist schön, aber nicht unbedingt ausreichend. Es liegt in der Natur des Menschen, sich weiterentwickeln zu wollen.
Sportler am Permanenter Link
Sie schlagen gerade vehement auf ihren selbstgebastelten Strohmann ein.
Wozu? Offensichtlich ist Ihr Problem doch die Konkurrenzsituation, nicht Sport.
Im Übrigen ist Konkurrenz ein allgemein menschliches Prinzip, nicht immer und überall, aber weit verbreitet und unausweichlich. Sich dem grundsätzlich entziehen zu wollen und eine sehr gute Möglichkeit, den Umgang damit zu lernen, auszuweichen, erzeugt vermutlich eher psychische Probleme als Sporttreiben.
Joachim Müller am Permanenter Link
Hallo Herr Nicolai,
Frank Nicolai am Permanenter Link
Na gut, wenn Sie das so definieren, dass ist meine Aussage nicht korrekt.
Ich meine mit "Leistungssportler" sicherlich nicht Fußballspieler der Oberliga oder die Zehntausend, die beim Berlin-Marathon mitmachen.
Sportler am Permanenter Link
Auch mit der Einschränkung auf "Hochleistungssport" wird Ihre unbedingte Aussage nicht richtig. Es gibt z. B.
Mir scheint auch hier, dass es nicht um Sport geht, sondern allenfalls um mglw. problematische Aspekte, die es a u c h im Sport gibt. Aber ich wundere mich immer wieder, dass so gerne pauschal auf "den" (Hochleistungs)Sport eingeschlagen wird.
Franz Reinartz am Permanenter Link
Guten Tag zusammen,
Von den aktiven Sportlerinnen und Sportlern ganz zu schweigen, die im Grunde genommen nur mehr schmückendes Beiwerk einer durch die Medien "gehypten" Werbeveranstaltung diverser Konzerne einschließlich des IOC geworden sind und sich in einigen Jahren als Sportinvaliden in den Wartezimmern der entsprechenden Fachärzte die Klinken in die Hand geben dürften.
Doch da finde ich dann den Passus: "Ein Teil der Einnahmen der Olympischen Spiele geht, das muss fairerweise angemerkt werden, in die Entwicklungshilfe und den Breitensport." bemerkenswert und hätte da gerne mehr erfahren.
Lieber Herr Dorn, handelt es dabei wirklich um substanzielle Beträge oder doch eher um versteckte "Schmiergeldzahlungen" zugunsten der möglichen Wiederwahl verdienter Funktionäre? Oder muss ich mir das so vorstellen, wie die berühmte Spende für die lokale Tafel beim Wohltätigkeitsdiner? Wenn jemand da Näheres wüsste und hier eine Quelle nennte? Denn grundsätzlich wäre eine wohlverstandene Förderung des Breitensports durchaus löblich, wenn ich mir die zunehmende Anzahl zumindest "leicht" adipöser Menschen, leider zu viele Kinder und Jugendliche darunter, anschaue.
Ich selbst habe erst spät mit "Leibesübungen" wieder angefangen - nachdem der Schulsport der 1970er Jahre alles dazu getan hat, mir den Sport zu verleiden -, merke aber, dass lockeres, gelegentliches Radfahren und Gymnastik in Verbindung mit einer bewussteren Ernährung meinem Wohlbefinden sehr gut tun. Olympische Spiele (darf man den Begriff noch benutzen, ohne eine Wortmarke des IOC zu verletzen?) haben dazu aber nichts beigetragen.
Ich stelle fest, dass - zumindest in meinem privaten und beruflichen Umfeld - niemand mehr Sportereignisse zum Thema macht. Das war vor ca. 20 Jahren doch noch anders. Und auch die Tatsache, dass die Menschen in Hamburg und den von möglichen Winterspielen in Bayern Betroffenen die Ausrichtung von olympischen Spielen mehrheitlich abgelehnt haben, legt die Vermutung nahe, dass den Menschen klar wird, zwar nachhaltig zahlen zu dürfen, aber keinen Nutzen ziehen zu können. Dazu kommen die gerne kolportierten "Staats"doping-Geschichten. Der Gedanke des fairen Wettkampfs ist auf der Strecke geblieben.
Für mich jedenfalls war's das.
Willi am Permanenter Link
Olympia gehört abgeschafft. Lug und Trug, und dazwischen Funktionäre die nicht wissen wie sie sich die Taschen mit Geld voll stopfen sollen. Ach ja, da ist ja auch noch ein Präsident namens Bach.
Vorschlag macht doch Dopingspiele, je nachdem welchen Medikamentenpegel ein Sportler hat wir er in eine Dopingkategorie eingeteilt und da tritt er an :)).