CETA gewinnt, die SPD verliert

Am 18. September 2016 wurde in Berlin gewählt. Die SPD verlor im Vergleich zur letzten Abgeordnetenhauswahl fast 7 Prozent und landete bei 21,6 Prozent. Die Kommentatoren überschlugen sich in der Feststellung, dies sei das schlechteste Wahlergebnis für die SPD seit 1946, und dies in der Hauptstadt und der Stadt Willy Brandts.

Ein Tag später, am darauffolgenden Montag, fand in Wolfsburg der kleine Parteitag der SPD statt. Es ging um CETA, das Freihandelsabkommen mit Kanada. Obwohl viele Delegierte und ganze Parteigliederungen dem Abkommen ablehnend gegenüberstehen, stimmte der Parteitag mit rund zwei Drittel der Stimmen dem Leitantrag zu, der CETA mit rechtsverbindlichen Anpassungen ergänzen soll. Der Vertrag als solcher stand gar nicht mehr zur Debatte. Somit wird die SPD unter Sigmar Gabriel beim EU-Handelsministerrat für das CETA Abkommen mit "Ja" stimmen. Zuvor wurde ein Kompromiss ausgehandelt, dass noch vor der Entscheidung des EU-Parlaments ein ausführlicher Anhörungsprozess (!) mit den nationalen Parlamenten und der Zivilgesellschaft durchgeführt werden sollte.

Ähnlich wie beim TTIP Abkommen zwischen den USA und der EU droht auch mit CETA ein massiver Abbau von Demokratie, öffentlicher Daseinsvorsorge und Umweltschutz (attac). Es geht nicht einfach darum Globalisierung zu regeln, wie Sigmar Gabriel behauptet, sondern um die neoliberale Variante der Globalisierung, die vor allem den großen Konzernen nutzt.

So sieht der Vertrag eine Paralleljustiz vor, die es den Investoren erlaubt, Staaten zu verklagen, wenn ihre Profitinteressen durch Gesetze eingeschränkt werden. CETA wird völkerrechtlich bindend, quasi "ewig" gültig sein, und lässt sich kaum zurücknehmen. In der sogenannten "Zombieklausel" wird für den unwahrscheinlichen Fall der Kündigung geregelt, dass die Klagerechte der Konzerne für weitere zwanzig Jahre gültig bleiben.

Ein weites Feld wird dem Zwang zu Privatisierung und Deregulierung überlassen. Privatisierte Bereiche dürfen nicht mehr zurückgenommen werden. Ökologische und soziale Bestimmungen in der öffentlichen Beschaffung und Sozial- und Arbeitsstandards drohen ausgehöhlt zu werden. Schon die unter zwanghafter Geheimhaltung abgehaltenen Verhandlungen sollten deutlich machen, dass die BürgerInnen und ihre Parlamente das CETA Abkommen rundweg ablehnen müssten.

Was war auf dem kleinen Parteitag der SPD passiert, dass die Delegierten wider besseres Wissen mit zwei Drittel der Stimmen für das Abkommen stimmten? Neben anderen Aspekten hat wohl vor allem der massive Einsatz des Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel für CETA bewirkt, dass viele Delegierte ihre Vorbehalte beiseite geschoben haben. Der Parteivorsitzende und potentielle Kanzlerkandidat durfte nicht beschädigt werden. D.h. nichts anderes, als dass viele Delegierte kurzfristige und machttaktische Überlegungen vor das Interesse der BürgerInnen gestellt haben. Die Partei der "sozialen Gerechtigkeit" hat sich erneut selbst demontiert.

Mit dieser Entscheidung ein Tag nach der Wahlniederlage in Berlin stellt sich die Frage, wann die SPD die Interessen der BürgerInnen wieder an die erste Stelle setzen wird? Wann wird die Partei Willy Brandts die Herstellung sozialer Gerechtigkeit wieder in das Zentrum ihrer Politik rücken? Bei einem Wahlergebnis von 15 oder 10 Prozent oder um die Fünf Prozent Hürde?