Do-it-yourself-Reformationsjahr

Luther-Statuen zum Bekritzeln freigegeben

Dreißig weiße, überlebensgroße Skulpturen säumten am Samstagabend den Prinzipalmarkt im westfälischen Münster. Es handelte sich dabei nicht etwa um Dekorationen für das anstehende Grusel-Fest Halloween, sondern um Verkörperungen des umstrittenen Reformators und Verfassers nicht minder gruseliger Schriften Martin Luther.

Ab 19 Uhr wurden das Historische Rathaus von Münster sowie einige der etwa zweieinhalb Meter hohen weißen Luther-Figuren Gegenstand einer Lichtinstallation des Medienkünstlers Jürgen Scheible, Professor für Electronic Media an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Für die Aktion zeichnen die Evangelischen Kirchenkreise im Münsterland verantwortlich. Sie bildet den Auftakt zu ihren Veranstaltungen im Rahmen des Jubiläumsjahrs "500 Jahre Reformation" 2017 unter dem Motto "Einfach frei".

Laut einer Pressemitteilung des Evangelischen Kirchenkreises Münster möchten die Evangelische Kirche im Münsterland sowie die Evangelische Kirche von Westfalen mit diesem Kampagnenmotto den zentralen Begriff der Freiheit in den Vordergrund stellen. "Freiheit meint seit Luthers Erkenntnis vor allem die Freiheit von der allgegenwärtigen Angst, nicht zu genügen; dass der Mensch sich im Tiefsten von Gott angenommen weiß, macht ihn frei, sich anderen zuzuwenden und Verantwortung zu übernehmen - ohne die Angst, dabei zu kurz zu kommen", erklärt Superintendent Joachim Anicker vom Evangelischen Kirchenkreis Steinfurt-Coesfeld-Borken.

Was das mit den dreißig weißen Luther-Statuen auf dem Prinzipalmarkt von Münster zu tun hat? Sie sollen "als Projektions- und Aktionsflächen zu verstehen sein", so der Initiator der Aktion und Pfarrer des Evangelischen Kirchenkreises Münster Jens Dechow. Unter dem Motto "Sie haben die Freiheit – Wir haben Vertrauen" würden die Luther-Statuen bewusst im öffentlichen Raum ausgestellt und für beliebige Gestaltung freigegeben: "Die Statuen sind nicht auf eine Botschaft oder auf eine Umgehensweise mit ihnen festgelegt". Die Menschen hätten vielmehr die Freiheit, an den Figuren tätig zu werden, sich mit ihnen auseinanderzusetzen – egal in welcher Form.

Dieser Einladung folgten bereits am Samstagabend viele Menschen und beschrieben die aufgeschlagenen "Bücher", die jede Figur in Händen hielt. Neben einigem Zuspruch und Banalitäten fielen vor allem zahlreiche kritische Stimmen und Zitate auf, die auf Luthers Kriegshetze und Antisemitismus aufmerksam machten. Eine Person, offensichtlich ein Tourist aus den Niederlanden, schrieb: "Godsdienst is opium voor het volk" ("Religion ist Opium für das Volk"). Bereits am ersten Abend der Aktion zeigte sich also, dass viele Menschen die Frage aufwerfen, ob die Verehrung Martin Luthers überhaupt noch in die heutige, aufgeklärte Zeit passt.

Unmittelbar nach der Lichtinstallation wurden die Statuen abtransportiert, um sie auf verschiedene Orte im Münsterland zu verteilen. Es ist zu hoffen, dass viele Menschen diese Gelegenheit nutzen, um Luther ihre Meinung mitzuteilen.