Tag der genitalen Selbstbestimmung

WWDOGA 2025: Aktionstag im Regen

wwdoga_2025_koelner_dom.jpg

Die Teilnehmenden der Demo zum WWDOGA 2025 im Regen vor dem Kölner Dom
WWDOGA 2025

wwdoga_25-02.jpg

Der Demonstrationszug zum WWDOGA 2025 durch Köln
WWDOGA 2025

Am vergangenen Samstag wurde in Köln anlässlich des 13. Jahrestags des "Kölner Urteils" vom 7. Mai 2012 wieder für Kinderrechte demonstriert. Die Teilnehmenden ließen sich von dem plötzlichen Wetterumschwung nicht erschüttern und brachten den Demozug sowie die Kundgebung teils in strömendem Regen zu Ende.

Der heutige 7. Mai (Worldwide Day of Genital Autonomy – WWDOGA) ist in diesem Jahr ein Mittwoch, darum hatte man die Live-Veranstaltung in Köln auf das vorangehende Wochenende gelegt. Erstmalig wurde nachmittags statt vormittags demonstriert, wohl in der Hoffnung, mehr Laufpublikum zu erreichen. Die Kölner Behörden hatten den Ort für die Kundgebung zudem kurzfristig vom Heumarkt auf den Roncalliplatz verlegt. Als die Demonstrierenden kurz nach 15 Uhr am Rudolfplatz aufbrachen, marschierten sie bei sommerlichen Temperaturen und im Sonnenschein. Dabei wurde laut skandiert: "Wir sind hier, wir sind laut, weil man Kids die Vorhaut klaut!" / "Foreskin is fabulous" / "Vulva is a wonderland". Etwa auf der Hälfte der Strecke brach dann der Regen los. Nach kurzer Unterbrechung durch die Polizei ging es weiter. Wer eine Regenjacke dabei hatte, warf sie sich über, alle vorhandenen Regenschirme wurden aufgespannt und alle setzten sich wieder in Bewegung. Wer für genitale Selbstbestimmung demonstriert, der lässt sich nicht von ein bisschen Regen abhalten. "Ich bin süß, aber nicht aus Zucker!", entgegnete die Aktivistin Lilith einem Polizisten, der sich über das Durchhaltevermögen der Demonstrierenden zu wundern schien.

Am Roncalliplatz angekommen flüchteten die meisten aber doch erstmal unter das nächste Dach. Mit etwas Verspätung wurde die Kundgebung inklusive Live-Stream abgehalten. Das Publikum war entsprechend spärlich, die Reden aber nicht minder enthusiastisch. Die Redner*innen kamen aus Deutschland, den USA, Großbritannien, Australien und der Schweiz.

Wie beim Schwerpunktthema "Genitale Selbstbestimmung und Gleichstellung" nicht anders zu erwarten, stand bei nahezu allen Reden die Forderung nach Anerkennung des durch Genitalverstümmelung erlittenen Schadens des betroffenen Kindes – unabhängig vom Geschlecht – im Vordergrund.

Foto: © intaktiv e.V.
Die Demo vor dem Regen, Foto: © intaktiv e.V.

Gute Neuigkeiten gab es dazu aus England: Alejandro Sanchez von der National Secular Society (London) berichtete von einem Fall, in dem Mohammad Siddiqui im Januar in London zu fünf Jahren Haft verurteilt worden war. Ihm wurden Kindesmisshandlung und -missbrauch nachgewiesen, da seine "Beschneidungen" an Jungen regelmäßig schwerwiegende Komplikationen nach sich gezogen hatten: Blutungen, angeordnete Nachbehandlungen, Krankenhaus-Aufenthalte und Spätfolgen waren an der Tagesordnung. Siddiqui war Arzt, dem bereits 2015 seine Approbation entzogen worden war, nachdem er ein Baby während einer rituellen "Beschneidung" fast getötet hatte. Schlimm ist, dass jemand, der wegen eines solchen Vorfalls nicht mehr als Arzt praktizieren darf, dennoch weiter Kinder "beschneidet". Der Fall Siddiqui bekam große Beachtung in den Medien. Der Richter sagte in seinem Urteil, dass man Jungen besser schützen müsse. Die Regierung erkannte erstmals Schmerzen und Trauma einer (männlichen) "Beschneidung" an. Der Fall zog gar die Aufmerksamkeit des Royal College of Paediactrics and Child Health auf sich. Es bleibt zu hoffen, dass dies in Großbritannien einen Diskurswandel hin zu mehr Kinderschutz auslösen wird und nach dem "Kölner Urteil" endlich ein weiteres wichtiges Signal zum Umdenken senden kann.

Eine neue Perspektive brachte Frank Kensy ein, der über eine "Variante der Geschlechtsentwicklung", nämlich die Hypospadie sprach. Eine Hypospadie liegt vor, wenn sich die Mündung der Harnröhre weiter auf der Unterseite des Penis befindet als üblich. Der Redner legte den Fokus auf den Hypospaden im Patriarchat. Er hänge zwischen den Stühlen und das ohne Auffangnetz. Äußerlich könne er den cis* Männern zugerechnet werden, habe aber keine strukturellen Vorteile durch das Patriarchat. Hier wäre sicherlich ein Feld, dem sich Gender-Forschende zukünftig stärker widmen könnten.

Die Stimmung in Köln war insgesamt gut. Die britische Delegation alberte fröhlich herum, dass sie versehentlich ihr Wetter importiert hätten. Menschen mit Pollenallergie fanden positive Aspekte am Regen und die internationalen Bande von Helsinki bis Sydney konnten vertieft werden. Einige auch von weit angereiste Aktivist*innen sagten bereits nach der Veranstaltung zu, im nächsten Jahr wiederzukommen.

Einzig die Tonqualität des Live-Stream ließ zu wünschen übrig. Es ist anzunehmen, dass dies am Wetter lag. Die einzelnen Reden werden in den nächsten Tagen auf den YouTube-Kanal des WWDOGA hochgeladen – womöglich kann die Technik dort nachkorrigiert werden.

Und à propos Social Media: Der Instagram-Kanal des Aktionstags wurde in diesem Jahr von der jungen Generation der Genital-Autonomy-Bewegung übernommen. Der Kanal wird gleichzeitig aus Deutschland und Australien bespielt. Das Sahnehäubchen zum Schluss: Der WWDOGA ist jetzt auch auf TikTok. Damit dürfte die Bewegung nicht mehr aufzuhalten sein.

Unterstützen Sie uns bei Steady!