Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Säkulare Grüne in Hamburg offiziell gegründet

BAG "Säkulare Grüne" nimmt Arbeit auf

Diana Siebert und Walter Otte als frisch gewähltes Sprecherpaar der neuen Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Säkulare Grüne haben viel Arbeit vor sich. Die alte säkulare grüne Arbeitsgemeinschaft ist Vergangenheit. Der offizielle Status einer Bundesarbeitsgemeinschaft bringt neue Chancen, macht aber auch mehr Arbeit. So werden künftig die einzelnen Landesverbände, der Bundesvorstand und die Bundestagsfraktion an der Arbeit der neuen BAG beteiligt. Alle wollen künftig umfassend informiert, mit Protokollen versorgt und zu den einzelnen Veranstaltungen eingeladen werden: viel Schreib- und Organisationsarbeit, aber auch eine große Chance, säkulares Denken in der Partei weiter zu verbreiten. Der Mehraufwand wird sich lohnen. Von der Hamburger Versammlung ging eine große Zuversicht aus.

Als Erstes gilt es, den nächsten Parteitag vorzubereiten, der bereits im November in Münster stattfindet. Dort wird erstmals seit Bestehen der Grünen Partei grundlegend über das Thema "Religions- und Weltanschauungsfreiheit in der offenen Gesellschaft" debattiert und ein Grundsatzpapier verabschiedet. In Münster werden auch die Weichen für das Programm für die Bundestagswahlen 2017 gestellt. Insofern steht der Partei mehr als eine Art Selbstbesinnungsprozess bevor. Es geht auch ganz praktisch um die Richtung für die kommende Wahlperiode mit ihrer möglichen Regierungsbeteiligung. Die Vorbereitung des Wahlprogramms hat längst begonnen.

Der grüne Bundesvorstand hat einen Grundsatzbeschluss vorbereitet, der eine solide und gute Grundlage für die Debatte auf der BDK in Münster ist. Die Beschlussvorlage hat – glücklicherweise - ein lebhaftes Echo in der Partei ausgelöst. Über 60 Änderungsanträge aus ganz unterschiedlichen Richtungen zeigen, wie groß das Diskussionsbedürfnis zu Fragen der Religions- und Weltanschauungspolitik ist. Es zeigt sich vielerorts, wie dringend die Auseinandersetzung mit diesen komplexen Fragen ist. Viele merken erst nach und nach, wie hochpolitisch und aktuell die aufgeworfenen Fragestellungen sind, beispielsweise der Umgang mit dem Islam.

Die Beschlussvorlage des Bundesvorstands setzt den Abschlussbericht der Kommission "Weltanschauungen, Religionsgemeinschaften und Staat" in praktische Politik um. Auf der Grundlage dieses Kommissionsberichts, der in der säkularen Szene viel Zustimmung erhielt, hat der Bundesverstand seinen Leitantrag entwickelt.

Während die Programmarbeit in der nächsten Zeit im Zentrum der Aufmerksamkeit der neuen BAG stehen wird, gilt es aber auch, die säkulare Vernetzung innerhalb der Partei, aber auch über ihre Grenzen hinaus, deutlich hinaus zu verbessern. Die Grüne BAG ist die erste anerkannte Arbeitsgemeinschaft einer der großen Parteien im Bund. Es genügt uns aber nicht, mit Stolz den eigenen Pionierstatus wie eine Monstranz vor sich her zu tragen. Erfolgreich werden wird nur dann sein, wenn auch anderswo Säkulare die Initiative ergreifen und aktiv Einfluss nehmen auf die Programmatik ihrer Parteien. Leider wurden in der SPD bisherige säkulare Vorstöße recht rüde abgeblockt. Es ist zu hoffen, dass es dort gelingen wird, diese Blockade von oben zu überwinden. Auch bei den Linken regt sich immer mal wieder säkulares Denken, bleibt aber dann doch immer wieder in den Niederungen der politischen Ebene stecken.

Ob sich die FDP wieder an ihre alte Tradition erinnern wird, ist z.Z. nicht ersichtlich. Es wäre wirklich hilfreich, blieben säkulare Überlegungen nicht auf das eher linke politische Lage beschränkt. Wichtiger als der unvermeidliche politische Futterneid der Parteien untereinander ist hier der Erfolg in der Sache. Ohne die breite gesellschaftliche Debatte zur Reform des "Staatskirchenrechts" von 1919 und seinen bizarren Auswüchsen wird es keine Veränderungen geben.

Wer Reformen voranbringen will, muss zunächst einmal bei sich selbst anfangen, sowohl beim politischen Selbstverständnis wie auch bei der Selbstorganisation. Die BAG versteht sich nicht als Bund grüner Atheisten, auch nicht als BAG Humanisten, sondern ausdrücklich als Bündnis höchst unterschiedlicher Kräfte. Neben Atheisten und Agnostikern arbeiten auch Christen, Pagane, liberale Muslime und Buddhisten mit. Wir hoffen, dass diese Vielfalt noch weiter anwächst. Hier hat die alte Arbeitsgemeinschaft Säkulare Grüne einige Vorarbeit geleistet. Bei einer Anhörung im Juli 2016 waren 22 Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in der grünen Bundesgeschäftsstelle. Diese im politischen Raum ziemlich einzigartige Runde unter Einschluss der römisch-katholischen- und der evangelischen Kirche hat uns viele neue Erkenntnisse gebracht. Darauf wollen wir auch als BAG weiter aufbauen.

Ein Hauptaugenmerk säkularer Politik bei den Grünen gilt der Stärkung reformorientierter Muslime. Hier haben Säkulare einen wichtigen Beitrag geleistet, den Einfluss orthodoxer Verbände in der Partei einzudämmen und liberale Kräfte wie das Muslimische Forum Deutschland zu stärken. Daher setzen wir uns mit Nachdruck dafür ein, dass diese Haltung auch von der gesamten Partei als ihre offizielle Politik in Münster beschlossen wird.

Am Herzen liegt uns besonders, kleinen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften mehr Gehör zu schaffen, sofern sie menschenrechtlichen Ansprüchen genügen. So wollen wir der gesellschaftlichen und politischen Übermacht der christlichen Amtskirchen mehr gelebte Vielfalt gegenüber stellen. Es kann und darf selbstverständlich nicht darum gehen, religiöse Überzeugungen aus dem öffentlichen Leben verbannen zu wollen, dies widerspräche dem Menschenrecht auf Glaubensfreiheit. Überfällig ist vielmehr, der wachsenden religiösen und weltanschaulichen Vielfalt in Deutschland einen neuen Ordnungsrahmen zu schaffen. Dazu gehört auch eine angemessen Stärkung der universitären Forschung und Lehre für kleinere Religionsgemeinschaften ebenso wie für Humanisten.

Weiterhin eine zentrale Rolle bei der Arbeit der BAG wird auch künftig die Auseinandersetzung um eine Beschneidung der privilegierten Stellung der Amtskirchen durch das längst überholte "Staatskirchenrecht" aus dem Jahre 1919 sein. Hier geht es um den Rückbau ungerechtfertigter Privilegien im Rahmen eines gesellschaftlichen und politischen Diskussionsprozesses. Die Kirchen machen viele gute und nützliche Dinge, nehmen wir hier als Beispiel die Hilfe für Flüchtlinge. Sie schmücken sich aber noch immer mit Kleidern, die ihnen längst zu groß geworden sind. Hier gilt es, diese anachronistische Garderobe der Neuzeit anzupassen. Da sind wir uns mit vielen Reformkräften innerhalb der Kirchen einig.

Um all diese Arbeit zu leisten, bedarf es vieler kreativer Köpfe. Grüne Bundesarbeitsgemeinschaften sind auch offen für Interessierte, die der Partei nicht angehören. Insofern würden wir uns sehr freuen, wenn auch von außen Menschen mit uns gemeinsam an die Arbeit gehen würden.