Gelungener Auftakt des Humanistischen Salons in Nürnberg

Michael Schmidt-Salomon las aus "Grenzen der Toleranz"

Am 13. November las Michael Schmidt-Salomon in Nürnberg vor vollem Saal aus seinem neuen Buch "Grenzen der Toleranz". Etwa 130 Zuhörer waren bei diesem ersten Termin des Humanistischen Salons in den großen Saal des Stadtparkrestaurants "Parks" gekommen, um die Gedanken des GBS-Vorstandssprechers zu einem der brennendsten Fragenkomplexe der Zeit zu hören.

Wie können wir dem Einfluss eines politischen Islam genauso Grenzen setzen wie dem Aufstieg der selbsternannten Retter des christlichen Abendlandes? Vor allem aber: Wie ziehen wir diese Grenzen, ohne das Gebot der Toleranz zu verletzen, das unsere offene Gesellschaft ausmacht?

Es war die Premiere des Humanistischen Salons, einer neuen fränkischen Veranstaltungsreihe, die unter dem Motto "Starke Themen, steile Thesen, markante Charaktere", nun im monatlichen Turnus zu Lesungen, Vorträgen und Diskussionen lädt, bei sonntäglicher Brunch-Gemütlichkeit und Klavier-Livemusik des Pianisten Claus Gebert.

Cover

Sind die Fragen, die Michael Schmidt-Salomon stellt, zu politisch für ein Veranstaltungsformat, das an die Traditionen der Aufklärung anknüpfen möchte? An die Salons von Adel und Bürgertum, in denen Erfolge der Wissenschaft und Argumente der Philosophie gewürdigt und aus dem Blickwinkel des Humanismus diskutiert werden?

Nein. Denn natürlich kann der Humanismus und insbesondere der weltliche Humanismus in politischen Fragen Orientierung geben. Er muss es sogar in Zeiten wie diesen. "Make enlightenment great again", forderte Moderator und Mit-Organisator Helmut Fink daher auch am Anfang der Veranstaltung augenzwinkernd und eröffnete damit den Beitrag in der Rubrik "Podium der brisanten Bücher".

Der Autor Schmidt-Salomon zeigt in seinem neuen Buch einen Ausweg aus der moralischen Verunsicherung, die so viele in der heutigen Debatte um Islamismus und Rechtspopulismus befällt. Auch auf der Nürnberger Station seiner Lesereise erntete Schmidt-Salomon daher viel Beifall für sein Plädoyer für mehr humanistisches Selbstbewusstsein, denn es gelte, wichtige Werte gegen diese beiden Bedrohungen zu verteidigen.

Freiheit und Gleichheit, Individualität und Säkularität seien nichts, für das man sich in irgendeiner Weise schämen müsste, betonte Schmidt-Salomon. Sie seien vielmehr bedeutendste Früchte und wichtigste Motoren des zivilisatorischen Fortschritts.

Die Verteidigung dieser Werte sei jedoch schwierig, solange die beiden Grenzen der Toleranz nur so unscharf wahrgenommen werden, wie derzeit oft. Um diese Grenzen wieder zu schärfen, stellte er ein abgestuftes Konzept vor, das von Akzeptanz über Toleranz bis zum Nicht-mehr-Tolerierbaren geht.

Akzeptanz sei hier von Toleranz zu unterscheiden. Nur, was in Übereinstimmung mit den eigenen Werten steht, gelte es zu akzeptieren. Toleranz dagegen sei erst dort gefragt, wo man etwas nicht akzeptieren könne.

Ohne diesen Unterschied zwischen Toleranz und Akzeptanz sei Demokratie nicht denkbar. Denn sie lebt davon, dass wir uns starke Meinungen bilden, dabei aber Andersdenkende tolerieren. Damit ist nur eine Duldung ihrer Meinung gemeint, nicht ein Gutheißen ihrer Argumente: "Ein fruchtbarer Widerstreit der Ideen ist nur unter der Voraussetzung möglich, dass es unterschiedliche Meinungen gibt, die sich gegenseitig nicht akzeptieren, sondern allenfalls tolerieren können".

Foto: © Karin Becker
Foto: © Karin Becker

Auf der anderen Seite der Toleranz fällt es Menschen heute oftmals schwer, die Grenze zwischen Tolerierbarem und Nicht-mehr-Tolerierbaren eindeutig zu ziehen. Dabei sollte klar sein, dass die andere Grenze der Toleranz dort erreicht ist, wo Menschenrechte missachtet und Leute mit Gewalt und Tod gedroht wird. Ein Rechtsstaat darf dies nicht mehr tolerieren.

Innerhalb der beiden Grenzen der Toleranz zeigt sich jedoch die paradoxe Natur der Toleranz. Denn auch für Demagogen gilt, dass mögliche Eingriffe in ihre Freiheitsrechte selbst eine Einengung von Freiheit darstellen würden und damit eine Bedrohung der offenen Gesellschaft.

Gefragt ist hier daher stattdessen eine gute und leidenschaftliche Streitkultur. Für diese sei es kontraproduktiv, wenn Menschen ihre Haltung nicht auszudrücken wagen - aus Angst vor Applaus von der falschen Seite, so Schmidt-Salomon. Denn ein gutes Argument werde ja nicht dadurch ungültig, dass der politische Gegner es gutheiße.

Andersherum dürfe man die AfD nur für die Aussagen kritisieren, die wirklich problematisch sind. Ihre autoritären und antiliberalen Ideen etwa und ihr Wunsch nach einem Christentum als Bollwerk gegen Überfremdung. Zuzustimmen sei ihnen aber dort, wo sie Recht haben.

Laut Schmidt-Salomon ist eine der Ursachen für den Erfolg der Rechtspopulisten, dass sie regelmäßig auch für Aussagen verteufelt werden, die zutreffen - wie die Aussage, dass vom politischen Islam eine Gefahr ausgehe. Was Medien und politische Gegner mit einer solch undifferenzierten und pauschalen Verteufelungsstrategie erreichen, ist leider nur, dass ihre eigene Glaubwürdigkeit leidet.

Es ist zu hoffen, dass Schmidt-Salomons unpopuläre, aber notwendige Warnungen noch zur rechten Zeit kommen. Vor einem aufkommenden Wahlkampf, bei dem es für viele Parteien heißt, die richtige Strategie gegen die doppelte Bedrohung durch Fundamentalisten und Rechtspopulisten zu finden.

Die nächsten Veranstaltungen

In Nürnberg lädt der Humanistische Salon künftig monatlich zur Diskussion kontroverser Themen ein - in so gemütlicher, wie anregender Atmosphäre. Am 11. Dezember lockt in der Rubrik "Forum der heißen Debatten" ein Streitgespräch zwischen den beiden Philosophen Andreas Edmüller und Gerhard Engel über "Christliche Werte? - Streit um ein schwieriges Erbe". Am 22. Januar wird es mit Prof. Gerd Ganteförs Lesung "Heute Science Fiction, morgen Realität?" einen weiteren Beitrag in der Rubrik "Podium der brisanten Bücher" geben.

Anton Pototschnik referiert dann am 12. Februar in der Rubrik "Kasino der forschen Rede" über den "Bauplan der Freiheit - Europas Werte und ihre Verankerung". Und in einer abschließenden "heißen Debatte" am 19. März diskutieren der frisch gewählte DGHS-Vorsitzende Dieter Birnbacher und der Neurologe Frank Erbguth über Medizinethik: "Entscheidungen über Leben und Tod - Embryonenschutz, Organspende und Suizidbegleitung".

Alle Termine finden sich auf der Website des Humanistischen Salons: http://humanistischer-salon.de/termine/ und werden bei Twitter (https://twitter.com/HumSalonNbg) und Facebook (https://www.facebook.com/HumSalonNbg/) angekündigt.