Islam und Rechtspopulismus

Demagogen gegen Asylflüchtlinge und Muslime

BERLIN. (hpd) Im Moment gibt es eine breite gesellschaftliche Debatte darüber, ob vom Islam eine Gefahr für westliche Demokratien ausgeht. Auf der anderen Seite erstarken rechtspopulistische Parteien und Gruppierungen. In der Serie über “Islam und Rechtspopulismus” schreibt Prof. Dr. Hajo Funke über Pegida und andere Demagogen.

Deutschland vor dem Untergang

Die so genannten patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (Pegida) sind wie Dügida in Düsseldorf rechtspopulistische Organisationen. Rechtspopulistisch sind sie deswegen, weil sie unterschiedlichste Ängste, Sorgen und Wut aufgreifen und mit der Mobilisierung von Vorurteilen gegen den Islam und die Muslime im Land zum Ressentiment aufladen. Ausgerechnet der fordert in Dresden Null-Toleranz gegenüber angeblich Straffälligen, der selbst ein vorbestrafter Wiederholungstäter, vor den Strafverfolgungsbehörden geflohen ist und sich im Internet mit rassistischen Äußerungen abfällig über Frauen äußert.

Die Organisatoren und ihre politischen Unterstützer eint, dass sie Ängste, Bedenken, Kritik rücksichtslos zum aggressiven Ressentiment zunächst gegen Muslime, und nun verstärkt auch gegen Zuwanderer und Asylflüchtlinge machen.

Es gehört zum klassischen Repertoire des Rechtspopulismus nicht nur in Deutschland, sondern in den erfolgreicheren Bewegungen des Rechtspopulismus in Österreich, den Niederlanden oder in Frankreich, dass sie solche Ängste aufgreifen, sich als Antwort begreifen und da sie die Ängste nicht lösen können, die aufgeschäumte Wut auf den vermeintlichen und von ihm definierten Feind richten und dabei maßlos übertreiben.

Im Rausch der vermeintlichen Macht der größeren Masse entsteht eine kollektive Wut gegen den, der dieses Kollektiv nicht teilt: die kritisch fragenden Medienvertreter, die Eliten, vor allem aber die Muslime oder die Asylflüchtlinge, woher und aus welchen Gründen sie auch immer kommen. In diesen Massensituationen wird Differenzierung zu Gunsten einer Beschwörung des Untergangs der eigenen Identität, des Deutschseins oder des christlichen Abendlands zum Verschwinden gebracht. Es ist diese quantitative und qualitative Erweiterung und Radikalisierung, die da, wo sie auftritt, für das Zusammenleben in gegenseitigem Respekt, Anerkennung oder sogar Empathie bedrohlich werden kann.

Mitreden, ernst genommen und einbezogen werden wollen – und Resignation

Ängste und Wut aber kommen oft von woanders her. Aus der Erfahrung, dass man nicht angehört wird und Politik ihnen nicht antwortet; dass über sie verfügt worden ist, ohne dass sie dies als gerecht empfunden haben; mit denen verfahren wurde; die politisch und ökonomisch enttäuscht worden sind und die deswegen nicht mehr zur Wahl gehen, wie an die 40 bis 50 Prozent in ostdeutschen Ländern.

Noch bis Ende der Neunzigerjahre waren es zwei Drittel der Ostdeutschen, die sich als Bürger zweiter Klasse gefühlt haben, etwas, worauf Helmut Schmidt nicht müde wurde, darauf hinzuweisen. Es lohnt dem weiter nachzugehen und auch danach zu fragen, ob diese tief eingelagerten Erfahrungen, oft Kränkungen gerade bei den Älteren, die an den diesjährigen Montagsdemonstrationen teilnehmen, nicht auch eine Rolle spielen.

Aber dies ist nicht nur eine Frage von Ost und West. Nach der Studie Fragile Mitte – Feindselige Zustände von Andreas Zick und Anna Klein (herausgegeben für die Friedrich Ebert Stiftung) Bonn 2014) haben über zwei Drittel Demokratiezweifel: Die demokratischen Parteien zerreden alles und lösen die Probleme nicht (Zustimmung eher oder voll und ganz: 73,1 Prozent). Drei Viertel sehen die Demokratie durch politische Eliten missachtet: Politiker nehmen sich mehr Recht heraus als normale Bürger. Ähnliche drei Viertel gehen davon aus, dass letztendlich die Wirtschaft in unserem Land und nicht die Politik entscheidet. Genauso viele meinen, dass gegen soziale Missstände in Deutschland zu wenig protestiert wird. Auch wenn dem nicht immer Erfahrungen entsprechen mögen – das Ausmaß der Enttäuschung darüber, wie Demokratie funktioniert, von Politik- und Demokratieverdrossenheit ist dramatisch. Vor allem, dass es trotz relativen Wohlergehens Deutschlands nicht abgenommen, sondern zum Teil noch sich verstärkt hat.

Die Verwandlung von Angst und Enttäuschung in die Aggression gegen Schwächere

Mit der Erfahrung, ökonomisch doch nichts ändern zu können und sich abgehängt zu sehen, nehmen Einstellungen zu, ihre Wut an Schwächeren auszulassen. Mit der resignativen Hinnahme, dass der Stärkere sich ohnehin durchsetzt, in der Ökonomie wie im gesellschaftlichen Leben, verbinden sich dann Formen einer Identifizierung mit diesen Erfahrungen, im Sinne eines Sozialdarwinismus. Dann heißt es, dass es wertes und unwertes Leben gebe und Langzeitarbeitslose selbst Schuld haben. Zu diesen autoritären Reaktionen gehören Aggressionen gegenüber Schwächeren, eben gegenüber den Langzeitarbeitslosen, aber auch gegenüber jenen, die man als nicht zugehörig zur deutschen Nation, zu der man sich bekennt und mit der man sich, gerade weil man selbst sich schwach sieht, identifiziert.

Es fügt sich, dass die politischen Einstellungen der AfD-Sympathisanten einen erhöhten Chauvinismus und eine stärkere Verharmlosung der NS Zeit aufweisen. Nach jenen, die die NPD präferieren, zeigen sich in der AfD Anhängerschaft die zweithöchsten Zustimmungswerte zu Ausländerfeindlichkeit, Chauvinismus und Verharmlosung des Nationalsozialismus. Auch eine Anti-Europa-Haltung ist deutlicher ausgeprägt als bei anderen (so die Studienergebnisse in einer Mitteilung der Friedrich-Ebert-Stiftung vom 20.11.2014).