Die Diskussion über das Kreuz auf der Kuppel

Wer krönt das Berliner Stadtschloss?

In Berlin tobt gerade eine heftige Debatte darüber, ob dem neuen Humboldt-Forum nach dem Vorbild des ehemaligen Stadtschlosses noch ein Kreuz aufgedrückt werden soll oder nicht.

Der Platz im Herzen der Bundeshauptstadt ist kein Ort wie jeder andere. Einst setzten die Hohenzollern-Fürsten gegen die Bürgerschaft die Errichtung ihres Eigenheims mitten in der Stadt direkt an der Spree durch. Im Laufe der Jahrhunderte wurde ihr Hauptquartier immer größer und prächtiger. Nach dem Zweiten Weltkrieg stand das beschädigte Gebäude Walter Ulbricht und Genossen für ihre Massenaufmärsche zur Huldigung von Stalin und seinen Nachfolgern im Weg. Die SED-Führung löste das städtebauliche Problem mit allerhand Dynamit. Die so entstandene Brache war dann aber auch nicht das Gelbe vom Ei. Weil auch Marxisten-Leninisten ihr piefiges Spießertum gerne mit einem Glas Rotkäppchen- Sekt in der Hand zur Schau stellen wollten, baute der Arbeiter- und Bauernstaat seinen berühmt-berüchtigten Palast der Republik. In "Erichs Lampenladen" wurde dann auch der Abschied nach 40 Jahren begangen und das Licht der Republik ausgeknipst.

Nach der Wende bekamen – nicht allein - die nunmehr gesamtdeutschen Würdenträger Augenkrebs von dem verlassenen Mahnmal real-sozialistischer Aluminium- und Asbest-Ästhetik. Kurzum: Die Hütte musste weg! Zugestellt mit neuen Gebäuden im Stil der 90er Jahre ertönte in Stadt und Land der Ruf nach Alt-Bewährtem. Der Kaiser war jedoch unauffindbar verschwunden und die alte Nutzung obsolet geworden. Was tun? Statt der preußischen Cäsaren sollten nun die Kulturen der Welt das neue-alte Gebäude zieren. Das Humboldt-Forum war geboren.

Mit dem großen Forscher vorneweg knüpft der Bau zwar an die Gestaltung des zerstörten Berliner Stadtschlosses an, ist jedoch keine originalgetreue Attrappe. Die vielen kleinen Amtsräume fleißiger Beamter werden nicht mehr gebraucht. Gehuldigt wird nicht mehr den Herrschern von Gottes Gnaden, sondern den Kulturen der Welt. Diese brauchen aber nun einmal mehr Platz als ein kaiserlicher Geheimrat in seinem Kämmerlein. Der Innenausbau des Gebäudes ist deshalb nicht von früher. Auch die Außenfassade geht eigene Wege. Ihre Ostseite hat keinen historischen Bezug. Sie trägt die depressiven Züge zeitloser Ausdruckslosigkeit "moderner" Architektur. Glücklicherweise ist dieses Bild des Jammers der Spree zugewandt. Die Gäste der Ausflugsboote können dann bei der Vorbeifahrt getrost ihren Latte macchiato schlürfen.

Aus dem Symbol der Macht preußischer Herrscher wird jedenfalls so nach doch noch ein Ort religiöser Vielfalt und interkultureller Toleranz. Doch nicht so ganz: Statt den historischen Bruch auch in der äußeren Gestaltung des Humboldt-Forums zu dokumentieren, soll sich das Gebäude genau wie die verblichene Hohenzollern-Residenz bekreuzigen

Der oberste Berliner Schlossritter, Wilhelm von Boddien, verkauft das neue Kreuz als Ausdruck christlicher Demut. Er unterschlägt dabei aber dessen historischen Bezug. Das Schlosskreuz wurde in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts errichtet. Ein Schelm wer darin nicht das Sinnbild der brutalen Unterdrückung der Revolution von 1848 erblickt. Das absolutistische Gottesgnadentum hat jedenfalls mit christlicher Demut so viel zu tun wie Donald Trump mit der Nächstenliebe.

Will das künftige Humboldt-Forum seinem Anspruch als Heimstadt der Kulturen dieser Welt gerecht werden, darf weder ein bestimmtes religiöses- noch weltanschauliches Symbol darüber stehen. Das Kreuz ist aber allen gegenteiligen Märchenerzählern zum Trotz das Symbol einer Religion, nämlich des Christentums. Es würde eine Deutungs- und Bedeutungshoheit gegenüber allen anderen Religionen und Weltanschauungen festschreiben.

Der Staat hat die grundrechtlich garantierte religiöse und weltanschauliche Freiheit sowie deren öffentliche Betätigung zu schützen. Er darf gerade deshalb aber kein bestimmtes religiöses Symbol als Wahrzeichen öffentlicher Gebäude über andere erheben. Die Verpflichtung zur weltanschaulichen Neutralität des säkularen Staates verkommt sonst (noch mehr) zur beliebigen Floskel.

Die Berliner Kreuzritter mit Herrn von Boddien an der Spitze kehren beflissen unter den Teppich, dass das Humboldt-Forum kein Sakralbau ist, sondern ein öffentliches Gebäude. Zugegeben: Das Kreuz wird von privaten Spendern bezahlt und nicht aus öffentlichen Mitteln. Gemeinwohl und Demokratie sind jedoch unverkäuflich. Die Gestaltung der Stadt an derart herausgehobenen öffentlichen Gebäuden darf nicht vom Geldbeutel edler Spender abhängen, sondern vom demokratischen Entscheidungsprozess.

Angesichts der erhitzten öffentlichen Diskussion sollte bei der Errichtung der Kuppel vorerst auf jedwedes Symbol verzichtet werden. Das gilt auch für Vorschläge, beispielsweise ein Mikroskop als Ausdruck des wissenschaftlichen Anspruch Humboldts auf der Kuppel zu installieren. Auch andere Vorschläge mögen gut gemeint sein, helfen aber nicht weiter. Die Debatte über ein angemessenes Symbol – oder auch auf dessen Verzicht – sollte ohne Entscheidungsdruck weitergehen. Ein allgemein akzeptiertes Kunstwerk auf der Kuppel kann auch noch nach Jahren errichtet werden.