Katholische Kirche

Vertuschte Missbrauchsfälle in Chile

In Chile gab es unzählige sexuelle Übergriffe auf Minderjährige in der katholischen Kirche. Und alle schauten weg. Jahrzehntelang. Nun endlich dringt etwas Licht in ein Dickicht aus Verbrechen, Ignoranz und Vertuschung.

Nachdem sich Papst Franziskus bei seinem Chile-Besuch im Januar noch vor die chilenischen Kirchenvertreter gestellt und Missbrauchs-Beweise von den Opfern, den Überlebenden der Taten und ihren Unterstützer*innen gefordert hatte, folgte im April dann eine kleinlaute Entschuldigung des Papstes und seine Aufforderung an die chilenische katholische Kirche, für Transparenz zu sorgen. Er selbst entsandte einen Vertreter des Vatikan, welcher einige der Opfer interviewen sollte.

Nicht der katholischen Kirche, sondern den Bemühungen derer, die die Untaten erlebt haben, ist es zu verdanken, dass bezüglich des jahrzehntelangen sexuellen Missbrauchs und der Vergewaltigungen in mindestens 266 Fällen – davon 178 minderjährige Betroffene – ermittelt wird. Juan Carlos Cruz zeigt anhand seiner Leidensgeschichte auf, wie sein Vergewaltiger von Vorgesetzten gedeckt wurde. Seit vielen Jahren erzählt er, was ihm zugestoßen ist. Priester Karadima belästigte und vergewaltigte Cruz acht Jahre lang. Und das teilweise direkt neben seinem Vorgesetzten. In Anwesenheit von Bischof Barros konnte Karadima seinen Schutzbefohlenen Cruz anfassen und küssen. Weder hinderte Barros Karadima an den Übergriffen, noch leitete er Konsequenzen irgendeiner Art ein. Genauso wenig rührten Kardinal Errazuriz sowie der Nuntius einen Finger, obgleich sie von den Übergriffen gewusst haben sollen. Errazuriz rechte Hand, Muñoz soll gar selbst beteiligt gewesen sein.

Im April lud der Papst Betroffene der Verbrechen ein, drei sagten zu. Im Juni zitierte er 34 Mitglieder der Bischofskonferenz in den Vatikan, die anboten, ihre Ämter niederzulegen. Aktuell hat der Papst fünf Rücktrittsgesuche von Bischöfen (unter ihnen auch Barros) akzeptiert, Karadima darf keine Messen mehr abhalten. Von Transparenz und endgültiger Aufklärung, sowie Maßnahmen zur Verhinderung künftiger Übergriffe jedoch ist man noch weit entfernt. Und das, obwohl erstmals Razzien in religiösen Stätten stattfanden – und damit eine staatliche Einmischung in die Welt der Kirche.

Staatsanwalt Emiliano Arias ist mit dem Fall betraut und sieht sich einem historischen Prozess gegenüber. Neben der Schuld der katholischen Priester und ihrer Vorgesetzten sieht er an der langjährigen Vertuschung der Verbrechen jedoch auch Schuld bei Teilen der religiösen Bevölkerung Chiles, die Beweise für den Missbrauch zerstört habe.

In Chile haben es Betroffene der Gewalt und ihre Mitstreiter geschafft, das Unrecht publik zu machen. Sie erhoffen sich nun weitreichende Konsequenzen und Verbesserungen für die Zukunft. Dem schließen sich Opfer, Überlebende, ihre Familien und Unterstützer*innen in der ganzen Welt an. Die Aufdeckung von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche ist mittlerweile weltumspannend. So wird derzeit zum Beispiel in Australien von der Kirche ein Handeln nach chilenischem Vorbild gefordert. In Australien wurde jüngst Erzbischof Wilson zu 12 Monaten Haft verurteilt, weil er den Missbrauch zweier Minderjähriger in den 1970ern vertuscht hatte. Ob Wilson sein Amt niederlegte oder der Papst ihn entließ, ist schwer zu sagen. Jedenfalls erhoffen sich die Menschen in Chile, Australien und dem Rest der Welt, dass die katholische Kirche endlich Verantwortung übernimmt, Verbrechen nicht deckt und zukünftige Verbrechen verhindert.