Sexuelle Übergriffe, Vertuschung, Schweigen. Die chilenische katholische Kirche hatte über mehrere Jahrzehnte den Missbrauch, vor allem Minderjähriger, durch ihre Amtsinhaber gedeckt und verschwiegen. Nach halbherzigen Versprechen zur Kooperation mit Behörden bei der Aufarbeitung der Fälle hat die chilenische Kirche nun ein neunseitiges Handbuch zum Umgang mit Kindern und Jugendlichen für ihre Würdenträger herausgebracht. Doch binnen Stunden verschwand das Dokument wieder vom Webauftritt der Kirche.
Das Handbuch mit dem Namen "Orientaciones que fomentan el buen trato y la sana convivencia pastoral" (in etwa: Orientierungshilfen zum guten Umgang und gesundem priesterlicheren Zusammenleben) war nur wenige Stunden online, denn es empörte nicht nur Kinderschützer. Die Broschüre sollte der Entwurf für ein bis April 2019 endgültig fertigzustellendes Dokument sein. Sie erklärte den Geistlichen, welche Handlungen mit und an Kindern und Jugendlichen verboten sind. Dies beinhaltet z. B. zu feste Umarmungen, Schläge auf den Oberschenkel, Berührungen der Genitalien oder Brust, Massagen, Küsse auf den Mund, sich mit Jungen, Mädchen oder Jugendlichen zusammen hinlegen oder einschlafen, Fotos nackter, sich anziehender oder duschender Kinder und Jugendlicher zu machen oder explizit sexuelles bzw. pornographisches Material mit ihnen zu teilen.
In einem Kapitel, welches sich mit dem Zeigen von Zuneigung beschäftigt, werden auch Umarmungen von hinten und Raufereien, bei denen man sich in inakzeptabler Art und Weise berührt, aufgeführt. Den Geistlichen und Angestellten der Kirche wird empfohlen, dem eigenen Taktgefühl zu folgen und nur Handlungen durchzuführen, die durch die lokale Kultur erlaubt seien.
Patricia Muñoz von der staatlichen Stelle zur Verteidigung der Kinderrechte erklärte, dass das Pamphlet ein komplettes Unverständnis der Situation aufzeige. Sexueller Missbrauch sei nirgends erwähnt, während immer wieder nur von missverständlichen Blicken oder Handlungen die Rede sei. Ähnlich sehen es Betroffene der Übergriffe und Vergewaltigungen. Für sie sind die aufgezählten Handlungen nicht Zeichen von Zuneigung, die womöglich missverstanden werden könnten, sondern sexuelle Übergriffe und Verbrechen gegen Kinder und Jugendliche.
Nach Löschung der Broschüre gab der Erzbischof eine Entschuldigung bekannt, verteidigte aber das Heft weiter, da es mit internationalen Standards konform sei. Er kündigte ferner die rasche Veröffentlichung einer korrigierten Version an.
4 Kommentare
Kommentare
Arno Gebauer am Permanenter Link
Moin,
wenn die Chilenen sexuelle Übergriffe kirchlich Bediensteter unterbinden wollen,
dürfen sie ihre Kinder nicht mehr in Kirchenhände geben!
Viele Grüße
Arno Gebauer
Kay Krause am Permanenter Link
Genau so ist es, Arno Gebauer: Ein weises Wort gelassen ausgesprochen! Wenn man doch nur mit dieser Empfehlung alle erreichen könnte, die es direkt angeht, dann wäre schon einem großen Übel vorgebeugt!
David See am Permanenter Link
tja wenn man anfängt zu reagieren anstelle des regierens. hoffentlich werden alle Regierungen durch die gesunden menschen entmachtet und die menschen werden mündig und wir leben in einer gesunden welt.
Matthias am Permanenter Link
Ich verstehe nicht so ganz, was das Problem an dem Heftchen war. Der Artikel erweckt in mir den Eindruck, das Problem sei, dass man nicht hineingeschrieben habe, dass Kindesmisshandlung untersagt sei.
Wenn ich fordern würde, dass die Kirche nun die Untersagung von bekannten Straftaten in irgend welchen Ratgebern für Geistliche aufführen muss, dann müsste ich mit derselben Logik auch fordern, dass auf atheistischen Konferenzen in den Teilnahmebedingungen untersagt wird, kleine Kinder zu essen. Und in beiden Fällen bin ich der Meinung, dass die Vermeidung von Straftaten hier nicht gesondert aufzuführen sei.
Es würde mich interessieren, was genau die Kinderschützer nun an diesem Dokument empört hat. Vielleicht ist da ja was dran, aus dem Artikel geht es aber leider nicht hervor. Aber den Priestern nahezulegen, Kinder nicht von hinten zu umarmen, sich nicht mit ihnen zu raufen und keine halbnackten Kinder zu fotografieren -- das finde ich im Hinblick auf die aktuelle Lage der bekannten Straftaten durch Geistliche absolut vernünftig.
Und wohlgemerkt: Ich habe was gegen die Kirche und wünsche mir, dass man der Leitung dieses Vereins nun nach den schrecklichen Verbrechen ihrer Kollegen das Geschäft verbietet. Doch ich muss auch nicht auf jeden Zug aufspringen. Dieser Artikel nennt mir keinen Grund, irgend etwas schlechtes an dem genannten Pamphlet zu sehen -- obwohl es von der Kirche kommt.
Man muss doch fair bleiben.