Religionen vermitteln Sinn-, Gemeinschafts- und Trostgefühle, die für Einzelne nachweisbar nützlich sind. Ist Religion deswegen unverzichtbar? Zwei unterschiedliche Standpunkte zu dieser Frage trafen bei einer Veranstaltung der Ludwig-Feuerbach-Gesellschaft Ende Oktober zusammen.
Im jährlich stattfindenden Tagesseminar der Ludwig-Feuerbach-Gesellschaft Nürnberg, zu der der Verein am Samstag, den 27.10. ins Nachbarschaftshaus Gostenhof geladen hatte, ging es in fünf Vorträgen um die Vertiefung des Wissens über den einflussreichen Religionskritiker des 19. Jahrhunderts, sowie um die Relevanz seiner Erkenntnisse für heutige Debatten.
Letzteres wurde vor allem Thema in der vom Vereinsvorsitzenden Helmut Fink moderierten Podiumsdiskussion zur Zukunft der Religionskritik. In ihr trafen am späten Nachmittag zwei Referenten aufeinander, die zur Frage der emotionalen Bedürfnisse des Menschen und ihrer Befriedigung durch Religion gegensätzliche Positionen entwickelt haben.
Zum Start ging es jedoch erstmal um die Frage, welche heutigen evolutionsbiologischen Erkenntnisse zur Religion durch Feuerbach vorweggenommen wurden. Der Gießener Biologieprofessor Eckart Voland gab dafür in seinem Vortrag einen Überblick über die inzwischen bekannten evolutionären Vorteile religiösen Verhaltens – etwa in den Bereichen soziale Bindung und Identitätsbildung. Anders als Feuerbach damals schrieb, gehöre zum Wesen von Religion auch, teure Signale zu fordern. Funktionell erlaube das die Lösung von Schwarzfahrer-Problemen in Gruppen. Feuerbachs berühmtester Satz "Der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde" sei heute jedoch noch so aktuell wie damals, schloss Voland.
Die Berliner Lebenskunde-Lehrerin Dr. Claudia Dalla Rosa Soares sprach anschließend über die Ergebnisse ihrer Dissertation zur Rolle der Ästhetik in Feuerbachs Philosophie. Zwar habe Feuerbach keine Kunstphilosophie vorgelegt, erklärte sie, doch habe er über ästhetische Wahrnehmung im Zusammenhang mit dem geschrieben, was wir heute religiöse Projektion nennen. Das, was früher als göttlich verehrt wurde, sollte als menschlich erkannt werden, fand Feuerbach. Und die Kunst diente ihm dabei als Beispiel. Denn ein Werk, das nur für Christen schön sei, könne keine besondere Kunst sein. Umgekehrt lenke der künstlerische Wert eines Heiligenbildes die Aufmerksamkeit vom Heiligen weg auf die Schönheit der Kunst selbst.
Die pensionierte Lehrerin und Schriftführerin der Feuerbach-Gesellschaft Ulrike Ackermann-Hajek stellte in ihrem Vortrag als nächstes ein heute wenig bekanntes Frühwerk von Feuerbach vor, das er selbst später als einen wichtigen Schritt ansah auf seinem Weg zu einem "mit den Sinnen versöhnten Denker". Auch wenn "Abälard und Heloise" heute vielleicht wie eine der vielen Aphorismen-Sammlungen dieser Zeit wirkt, sei das Werk mit seinen humorvollen Betrachtungen zum Verhältnis zwischen Geist und sinnlichem Leben für Feuerbach als Teil seiner Selbstfindung als Autor bedeutsam gewesen.
Im nächsten Vortrag von Dr. Frank Schulze, dem zweiten Vorsitzenden der Feuerbach-Gesellschaft, der unter anderem auch als weltlicher Trauer- und Feierredner tätig ist, ging es um Georg Herwegh und seinen Einfluss auf Feuerbach. Der erfolgreiche Dichter des Vormärzes wurde ein enger Freund Feuerbachs und war stark durch dessen Welt- und Menschenbild geprägt. Schulze erzählte aus Herweghs bewegtem, unangepassten Leben und über die belebende Wirkung, die er auf Feuerbachs Schaffen hatte. Die freche Respektlosigkeit des Freiheitsdichters Herwegh begeisterte und motivierte Feuerbach.
Der emeritierte Nürnberger Informatik-Professor Bernd Schmidt, der heute als regelmäßiger Referent im Caritas-Pirckheimer-Haus, einem Bildungszentrum der katholischen Stadtmission, tätig ist, erläuterte im Anschluss seine Kritik der Religionskritik. Er zeigte sich überzeugt, dass Feuerbach heute nicht Atheist, sondern liberaler Christ wäre. Denn so sehr fundamentalistische Religion abzulehnen sei, so sehr sei doch Religion in ihrer liberalen Ausprägung zu begrüßen, findet Schmidt.
Er leugne nicht, dass Verbrechen im Namen der Religion geschähen, aber man müsse auch sehen, dass Gutes, Barmherziges und Mitmenschliches im Namen der Religion getan werde. Obwohl er selbst nicht an Gott glaubt, wie er auf Nachfrage einräumte, lehnt Schmidt eine Fundamentalkritik der Religion daher ab.
In der folgenden Podiumsdiskussion debattierte Schmidt mit dem ersten Referenten des Tages, Eckart Voland zum Thema "Zukunft der Religionskritik – Religionskritik der Zukunft". Dabei ging es vor allem um die Frage, wie eine Religionskritik zu bewerten ist, die darauf abzielt die Religion völlig zurückzudrängen. Obwohl beide nicht-gläubige Professoren aus den Naturwissenschaften sind, die sich als kritische Rationalisten verstehen, waren sie sich nicht einig über die Auswirkungen des Fehlens von Religion auf die Menschen.
Während Voland ein großes Problem im hegemonialen Anspruch von Religion sieht und daher die emanzipatorische, befreiende Wirkung betonte, die ein Wegfallen von Religion hat, ist für Schmidt ein Religionsverlust gleichbedeutend mit dem Verlust von Sinn und Trost für den Einzelnen. Die säkulare Weltanschauung mit einem trostlosen Universum sei kein Ersatz und erfülle die menschlichen Bedürfnisse nicht. Die Vorstellung des Lebens nach dem Tod aufzugeben sei der Mehrheit der Menschen nicht zuzumuten, meint Schmidt: "Das ist inhuman."
Nicht nur auf dem Podium, sondern auch bei den säkular eingestellten Zuhörerinnen und Zuhörern stießen die Vorstellungen Schmidts erwartungsgemäß auf Widerstand. Die Referentin und Feuerbach-Kennerin Dalla Rosa Soares widersprach leidenschaftlich Schmidts Ansicht, Feuerbach wäre heute liberaler Christ. Und in emotionsgeladenen Kommentaren aus dem Publikum wurde deutlich, dass eine Fundamentalkritik an Religion auch weiterhin als notwendig angesehen wird – nicht zuletzt aufgrund des anhaltenden Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche.
Aufgrund der hochschießenden Emotionen blieb aber die durchaus relevante Frage letztlich offen, wie säkulare Humanisten mit den emotionalen Bedürfnissen umgehen können und sollen, die bei Gläubigen durch die Religion befriedigt werden. Denn wie auch Voland in seinem Vortrag erklärt hatte, gibt es ja tatsächlich ernstzunehmende empirische Evidenz dafür, dass Gläubige mit Ausnahme-Situationen des Lebens, die von Angst, Stress und Schmerz geprägt sind, im statistischen Mittel besser fertig werden.
Folgt man Feuerbach, der in seinem Werk dafür warb, Menschen nicht nur als Vernunftwesen, sondern auch als Wesen mit emotionalen Bedürfnissen zu verstehen, müssen Schmidts Schlussfolgerungen also nicht nur provozieren, sondern können auch zum Anlass genommen werden, um zu fragen: Gibt es wirklich keinen Ersatz für Religion in dieser emotionalen Funktion? Und wenn doch: Was wirkt außer Religion noch emotional stabilisierend in möglichen Krisen? Und: Habe ich persönlich genug dieser haltgebenden Faktoren in meinem Leben?
Ausführliche Informationen über Aktivitäten und Veröffentlichungen der Ludwig-Feuerbach-Gesellschaft (LFG) e. V. Nürnberg finden sich auf der Website des Vereins. Wer über die Arbeit der LFG informiert bleiben möchte und sie unterstützen möchte, findet dort auch den Antrag, um Mitglied zu werden.
42 Kommentare
Kommentare
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
zum Artikel von Brynja Adam-Radmanic: Es gibt genug haltgebende Faktoren im Leben eines jeden Menschen, man muss diese nur sehen.
Haben Sie schon einmal das berauschende Gefühl der Verbundenheit bei einem klassischen
Konzert oder einem super Rockkonzert erlebt, oder das Verbundenheitsgefühl bei einem
Ostermarsch gegen Atomare Aufrüstung, Umweltverschmutzung oder Tierquälerei u.s.w.
Auch die Fähigkeit begabter Menschen zur Schaffung von Kunstwerken oder die Gabe von
Schriftstellern, Forschern, Ärzten u.s.w. die Menschheit kann eigentlich stolz sein auf ihre Leistungen, wenn nicht diese dunkele Seite der Religionen währe (...) welche ständig nur Konflikte und Kriege auslöst. Schaut in die Zukunft mit Zuversicht und den Glauben an EUCH SELBST und wir werden die dunklen Mächte auflösen und ein Friedliches miteinander
ohne Angst erleben. Wir alle waren vor unserer Geburt schon Milliarden von Jahren (tot)
und werden nach der kleinen Spanne unseres Lebens wieder (tot) sein, also erfüllt diese kurze Zeit positiv zum nutzen aller und euerer eigenen Zufriedenheit. Wer sich krampfhaft
an den Glauben eines erdachten Gottes klammert, wird am Ende enttäuscht sein und hat sein Leben verschwendet anstatt es nutzvoll und genussvoll zu leben.
Rainer Bolz am Permanenter Link
Ergänzend kann ich hinzufügen: Wer eine kluge, selbstbewusste Frau, oder auch Partner, an seiner Seite hat, benötigt absolut keinen Gott.
Junius am Permanenter Link
"Religionen vermitteln Sinn-, Gemeinschafts- und Trostgefühle, die für Einzelne nachweisbar nützlich sind. Ist Religion deswegen unverzichtbar?"
Ist das wirklich so? Gemeinschaftsgefühl? Wir sprechen vom Christentum hier in Deutschland, wo kaum 10% der Kirchenmitglieder regelmäßig den Gottesdienst besuchen, von wöchentlich gar nicht zu reden, und die, die es tun, sprechen davon, daß sie zu den wenigen in der Bank kaum persönlichen Kontakt haben.
Trost? Gemeint ist doch wohl der Glaube ans Jenseits. Aber wer glaubt das noch, bzw. wen tröstet das? Die allermeisten Menschen haben keine Angst vor dem Tod, sondern vor dem Sterben, und vor allem davor, nicht rechtzeitig sterben zu können. Bei ersterem hilft der Glaube nicht, und bei letzterem stehen die Kirchen sogar im Wege.
Und Sinn? Wer von den Kirchenmitgliedern definiert sein Leben noch religiös?
Sinn-, Gemeinschafts- und Trostgefühle vermittelt das Christentum nur denen, die ihr Leben vollständig religiös orientieren, Fundamentalisten auf der einen Seite, Konvertiten auf der anderen, und die bezahlen es mit Realitätsverlust.
Die Liberalen, die Lauen und Kulturchristen (im menschlichen Umgang die bei weitem angenehmeren Zeitgenossen) sind religiös zu wenig engagiert, um ein wesentlich anderes Gefühlskostüm zu tragen als ihre nichtreligiösen Zeitgenossen.
Sind also Religionen unverzichtbar? Wie man tagtäglich beobachten kann, eindeutig nein, dafür gibt es einfach zu viele Menschen, die ganz normal ohne Religion leben, ohne in Sinn-, Gemeinschafts- oder Trostlosigkeit zu verfallen.
Wird das Christentum verschwinden? Dort wo, es christliche Traditionen gibt, wird es sich wohl noch eine Zeit halten, wo nicht, da nicht. Aus dem praktischen Leben der meisten Menschen ist es dagegen in den letzten 50 Jahren, die ich überblicken kann, weitgehend verschwunden.
Ockham am Permanenter Link
Hallo Junius,
Ihr Zitat: "Sind also Religionen unverzichtbar? Wie man tagtäglich beobachten kann, eindeutig nein, dafür gibt es einfach zu viele Menschen, die ganz normal ohne Religion leben, ohne in Sinn-, Gemeinschafts- oder Trostlosigkeit zu verfallen."
In Deutschland fallen 2017 37% der Bevölkerung unter "Konfessionsfreie / ohne Religionszugehörigkeit".
(Quelle: https://fowid.de/meldung/religionszugehoerigkeiten-deutschland-2017)
Insofern ist Ihre Aussage "zu viele" unpräzise. Ganz anders sieht es aus, wenn man es global betrachtet…
Hans Trutnau am Permanenter Link
Religion ist (zumind. mir) fundamental verzichtbar. Dass das jemand, der bei der kath. Stadtmission tätig ist, anders sieht, ist nachvollziehbar, aber für mich völlig irrelevant.
flunra39 am Permanenter Link
Besonders der letzte Absatz und die darin offen gebliebenen Fragen sollten stärker beachtet werden und eine Fortsetzung der Diskussion erfahren.
Auch weiterführende Literatur wünschte ich mir an dieser Stelle, ggfs. auch zur Ästhetik-Religions-Beziehung.
Ob Frau Adam-Radmanic vielleicht noch nachliefern kann ?
Dafür schon mal besten Dank.
Wolfgang Graff am Permanenter Link
"Wer ein Warum lebt, erträgt jedes Wie".
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"... ist für Schmidt ein Religionsverlust gleichbedeutend mit dem Verlust von Sinn und Trost für den Einzelnen."
Natürlich können Lügen trösten. Viele lügen ihre Kinder an, wenn deren Hamster während der Schulzeit verstarb. Doch müssen wir erwachsene Menschen anlügen? Wenn man ihnen einen "Sinn" vorgaukelt und falschen Trost spendet?
"Die säkulare Weltanschauung mit einem trostlosen Universum sei kein Ersatz und erfülle die menschlichen Bedürfnisse nicht."
Ja und? So ist es halt. Warum sollten sich Menschen nicht mit den Gegebenheiten abfinden können, wie sie dies in all den Millionen Jahren ihrer Entwicklung taten? Das Universum wird nie trösten, das können nur wir Menschen uns gegenseitig. Das Versprechen auf höhere Mächte, die diesen Trost spenden, ist eine Lüge.
"Die Vorstellung des Lebens nach dem Tod aufzugeben sei der Mehrheit der Menschen nicht zuzumuten, meint Schmidt: "Das ist inhuman.""
Es ist also human, sie fortlaufend anzulügen und ihr Leben auf ein unerreichbares Ziel hin ausrichten zu lassen, weil es dieses Ziel schlicht nicht gibt? Was ist das für eine schräge Vorstellung von Humanität?
Natürlich würde man einen Menschen gereifteren Alters nicht mehr geistig umtopfen wollen. Aber es geht um die nachfolgenden Generationen, die ohne diese Volksverdummung selbstbewusster aufwachsen könnten.
Religion beleidigt menschliche Möglichkeiten und negiert menschliche Notwendigkeiten. Und genau da sollte Religionskritik ansetzen. Es geht eben nicht um ein völlig beliebiges "Christentum light", um eine Inspirationsquelle für gute Taten. Die kann auch durch die Akzeptanz der eigenen Empathie ersetzt werden.
Religionskritik zielt für mich darauf ab, was an Religionen schädlich und menschenverachtend ist. Es geht um deren schriftlich fixierten Wesenskern, der immer wieder Fundamentalisten auf den Plan rufen kann, diese Botschaften und Gebote tätlich umzusetzen. Es geht um das Selbstverständnis von Religiösen, die sich und ihren Glaubenskonzern als abgekapselten Teil einer Welt sehen, in der der Teufel herrscht. Ein Selbstverständnis, das zu Missbräuchen aller Art führt, zu finanziellem Gebaren, das bei jedem Konzern dieser Größenordnung den Staatsanwalt auf den Plan rufen würde. Zu einem Demokratieverständnis, das abenteuerlich ist - freundlich ausgedrückt.
Religion ist viel zu gefährlich, um sie noch länger wirken zu lassen. Und sie ist eine überflüssige Lüge, derer wir, die sich erwachsen nennen, nicht mehr bedürfen. Kleinen Kindern mag man nach der Schule einen neuen Hamster als den alten präsentieren - damit die Kleinen nicht weinen. Ich hingegen würde gerne wissen, dass er tot ist, so wie "Gott", seit wir ihn nicht mehr brauchen...
flunra39 am Permanenter Link
Religionskritik erforderlich ? -ja, und ob ! Das ist hier nicht die Frage.
Aber die Frage ist, wie und wodurch emotionale Erfahrungen, wie ehrfürchtiges Verstummen und Trostgefühle in der Natur oder tiefes Ergriffensein vor einem Kunstwerk, wie das von Vielen beschriebene erhabene Erschauern (von anderen ideologisiert "das Göttliche" genannt), auf z. B. materialistischen bzw. neuropsychischen Wegen "hergestellt" wird bzw. werden kann.
Sehr hilfreich wäre es für Menschen, hierüber mehr zu wissen und zu können, statt dem unglaubwürdigen transzendenten Hoffnungsversprechen der Religion folgen zu müssen..
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Aber die Frage ist, wie und wodurch emotionale Erfahrungen, wie ehrfürchtiges Verstummen und Trostgefühle in der Natur oder tiefes Ergriffensein vor einem Kunstwerk, wie das von Vielen beschriebene erhabene Ersc
Genau so! Es sind neurale Verschaltungen in unseren Gehirnen, entwickelt in einer Millionen Jahre langen Evolution, die uns Gefühle vermitteln. Diese sind wichtig, um die Umwelt zu sortieren. Bei einfachen Lebewesen gibt es einfache Sortierkästen, je komplexer das Gehirn, desto mehr Emotionen kann es entwickeln.
Für nichts davon brauche ich einen Glaube an Geister im Weltraum. Kleine Kinder, die noch nie den religiösen Unsinn und diese Lügen gehört haben, können viel kreatürlicher Staunen, viel unmittelbarer reagieren, lachen und weinen. Es gibt einen YouTube-Clip, in dem sich ein Kind tierisch über ein einfaches Geschenk freut: eine Büroklammer!
Wir haben Fantasie, wir können "Kunst", wir können auch lügen und uns trösten, aber auch ärgern. Das macht uns Menschen aus. Die Religion ist dabei eher hinderlich, wie die Geschichte lehrt. Religionen haben immer wieder kulturell zerstörerisch gewirkt, durch Ikonoklasmen, durch Bilderverbote, durch Denkverbote, durch "Monokulturisierung".
"Sehr hilfreich wäre es für Menschen, hierüber mehr zu wissen und zu können, statt dem unglaubwürdigen transzendenten Hoffnungsversprechen der Religion folgen zu müssen.."
Genau so! Doch solange Religionen eine kulturelle Deutungshoheit für sich in Anspruch nehmen - und von der Politik darin bestärkt werden - wird es schwer sein, öffentlich unsere evolutionären "Grundfähigkeiten" zu vermitteln. Immer wieder stoße ich auf dieses klassische Vorurteil: Ohne Religion sei die Welt ein trüber Ort mit rein materialistisch denkenden Menschen. Dagegen gilt es zu argumentieren...
Kay Krause am Permanenter Link
Exzellent formuliert, Bernd Kammermeier! Danke für Ihren Kommentar!
Andreas am Permanenter Link
@ Bernd Kammermeier Das ist ja schon wieder total negativ. Schreiben Sie doch mal, was der "Humanismus" anzubieten hat. Positiv.
Vielleicht könnte der hpd auch gratis Drogen zur Verfügung stellen? Damit wir alles Blausa sehen?
Ockham am Permanenter Link
Hallo Herr Kammermeier,
im Großen und Ganzen bin ich bei Ihnen.
Sind Sie atheistisch sozialisiert? Meiner Meinung nach spielt dies eine nicht zu unterschätzende Rolle (ich verstehe mich selbst als Atheisten). Ist jemand mit dem Glauben groß geworden, ist es viel schwieriger, Ihn von den "Wahrheiten eines Atheisten" zu überzeugen. Die Eigenschaft der Skepsis könnte zum Großteil sozialisiert sein, was erklären könnte, warum Hans nicht lernt, was Hänschen gelernt hat.
A.S. am Permanenter Link
Versuch einer Analyse der emotionalen menschlichen Bedürfnisse:
Wann ist ein Mensch in einer Gruppe akzeptiert? Wenn er das Wohlwollen des Gruppen-Bosses genießt. Also schleimt sich ein schutzsuchender Mensch beim Gruppen-Boss ein.
Bei der Wahl zwischen verschiedenen Gruppen: Welche bietet den besten Schutz? Die mit dem mächtigsten Anführer.
Menschliche Anführer sind nicht besonders mächtig. Spätestens mit deren Tod ist jegliche Macht vorbei. Da muss eine idealisierte, allmächtige Fantasiegestalt die Vakanz füllen.
Das ist meiner Meinung nach die emotionale Seite der Religion. Sollte mit guten menschlichen Gruppen und Aufklärung herstellbar sein.
Die andere Seite ist die Rüstungsseite: Die Vorstellung eines Lebens nach dem Tode und von einem unsichtbaren Beschützer ist meiner Ansicht nach ein nützlicher Selbstbetrug, reduzieren sie doch die Angst vor absehbar gefährlichen Situationen.
Gefährlich wirds, wenn der Schutz und das ewige Leben angeblich nur bei bestimmtem Verhalten gewährt werden. Hier ist dann die die Grenze zur Manipulation überschritten.
Es ist die Realität im 21. Jahrhundert westlicher Zeitrechnung, dass mit Religion Menschen dazu manipuliert werden, andere Menschen zu töten, sogar unter Verbrauch seines eigenen Lebens, nur um Gott zu gefallen.
Ich finde es bedenklich, dass selbst vergleichsweise aufgeklärte Menschen wie die von der Feuerbach-Gesellschaft den militärischen Nutzen von Religion und ihre Eignung zur Massenmanipulation übersehen. Sie diese Leute vielleicht viel zu sehr auf ihren "Propheten Feuerbach" fixiert?
Ockham am Permanenter Link
Hallo A.S.,
Ihr Zitat: "Es ist die Realität im 21. Jahrhundert westlicher Zeitrechnung, dass mit Religion Menschen dazu manipuliert werden, andere Menschen zu töten, sogar unter Verbrauch seines eigenen Lebens, nur um Gott zu gefallen."
Können Sie aufzeigen, wie das von statten gehen soll, dass religiöse Menschen manipuliert werden, andere Menschen zu töten? Welche Rolle spielt hier die Religiosität? Fundamentalismus kann zum Terrorismus führen, muss er aber nicht!
A.S. am Permanenter Link
Hallo Ockham, nach meiner Ansicht spielt die menschliche Fantasie eine entscheidende Rolle. Wir können dank unseres begrenzten Gehirns nicht die Welt erfassen wie sie ist, sondern nur in Bruchstücken.
Wenn in dieser Fantasiewelt die Vorstellung von einem Leben nach dem Tod herrscht, in welchem man für seine Taten im diesseitigem Leben belohnt oder bestraft wird, wird man sein diesseitiges Leben danach ausrichten. Wenn jenseitige Belohnung für die diesseitige Tötung Ungläubiger versprochen wird, werden gläubige Menschen Ungläubige töten.
Betrachten Sie jetzt bitte mal einen typischen IS-Attentäter. Aufgrund seiner kleinkriminellen Vergangenheit droht ihm Höllenstrafe im Jenseits. Im Diesseits hat er nicht mehr viel vom Leben zu erwarten. Diesem Menschen versprechen Prediger, dass, wenn er im Kampf gegen Ungläubige sterben würde, Allah ihm seine kleinkriminellen Sünden vergeben würde und er ins Paradies mit mit besagten Jungsfrauen käme. Ist es in dieser schrägen Vorstellungswelt, in dieser Fantasie, nicht eine "vernüftige" Entscheidung, sich inmitten von Ungläubigen in die Luft zu sprengen?
Die Entscheidungen, die wir treffen, erfolgen alle auf der Basis unserer Weltbilder. Wer unsere Weltbilder, unsere Fantasien, bestimmt, der steuert uns.
Im wissenschaftlichen Prozess werden die aktuellen Weltbilder immer auf Evidenz geprüft. Dadurch findet eine Korrektur falscher Weltbilder statt.
Die Religionen schützen ihre (i.d.R.) falschen Weltbilder durch regelmäßige Auffrischung (Beten, Gottesdienst, Rituale).
Zu Ihrer Frage nach dem Mechanismus der Manipulation: Die Manipulation erfolgt in dem Moment, in dem uns ein unverifiziertes Weltbild eingeprägt wird. Religiöse Erziehung ist in meinen Augen Manipulation, besonders wegen der Belohnung/Bestrafung im Jenseits. Religionsunterricht in der Schule ist Massenmanipulation.
Eine Ethik, die im Unterricht hinsichtlich ihrer Eignung für ein friedliches Zusammenleben frei diskutiert werden kann, wäre meiner Ansicht nach keine Massenmanipulation.
Zugegeben, ganz einfach zu verstehen sind meine Ansichten nicht.
Willie Stenzel am Permanenter Link
Mir kommen zwei Gedanken, die letztendlich darin münden, dass man immer nur vom Bekannten, vom hier und jetzt ausgeht.
Zu: "Der Gießener Biologieprofessor Eckart Voland gab dafür in seinem Vortrag einen Überblick über die inzwischen bekannten evolutionären Vorteile religiösen Verhaltens – etwa in den Bereichen soziale Bindung und Identitätsbildung."
Hier wird "religióses Verhalten" als Prämisse gesehen/gesetzt, da wir keine anderen, wichtigen Gesellschaftsformen ohne Religion und deren Verhalten kennen. Letztendlich geht es hier doch um ein gemeinschaftliches Ausleben der sozialen Kompetenzen, die auch nichtreligiös begründet sein könnten.
Bsp. zur relig. Prämisse: Kleinkinder haben imaginäre Freunde, was automatisch aus unsere Allgemeinkenntnis heraus mit religiós in Verbindung gebracht wird, obwohl dort mMn (bin kein Evo-Biologe) nur selbstlernende, evolutionäre Programme ablaufen, so wie ein Sprechen, ein Laufen, ein Denken lernen auch. Oder Grabfunde aus der Vergangenheit, als estes wird nach relig. Anhaltspunkten gesucht, da man dieses "religiös sein" so verinnerlicht hat und selten bis garnicht nach einer rein weltlichen Erklärung, z.B. dass best. Grabgegenstände nur von dieser Person genutzt werden sollte -durchaus emotional bedingt, wie mancher Ehegatte den Ehering oder ein sonsitiges Teil mitbestatten läßt.
Zu: "... blieb aber die durchaus relevante Frage letztlich offen, wie säkulare Humanisten mit den emotionalen Bedürfnissen umgehen können und sollen, die bei Gläubigen durch die Religion befriedigt werden."
Auch hier bewegen wir uns "nur" auf dem bekannten Feld, in einem "jetzt und hier". Ist durchaus sinnvoll, da wir ja gerne die Religionen jetzt zurückdrängen möchten, verkennt aber mMn die jahrhundertelang aufgebauten Machtverquickungen zwischen Kirche und Staat und damit die starke Verinnerlichung eines "Religion hilft/Reigion muss".
Wenn, abgesehen von Tod und unabwendbares Krankenleid, die Verhältnisse für alle Menschen in einem gleich guten und hohen Bereich angesiedelt wären (das meine ich nicht im kommunistischen Sinn, eher fiktional wie in Star Trek), gäbe es auch weniger Nowendigkeit für Trost und Verbesserung des emotionalen Wohlbefindens. Sogar das soziale miteinander wúrde verbessert werden, wenn der Neidfaktor weitgehend beseitigt wäre. (Trauer über Verstorbene, also Verlust ansich beinhaltet für mich auch diesen Neidfaktor, zu sehen an einem sehr oft geäußerten "Warum er/sie/es und nicht xy" oder einem "Was hätten wir noch alles erleben können"). Je mehr Freiraum für soziales Verhalten besteht, desto mehr wird dieses auch gepflegt bzw. angenommen werden. Sei es gemeinsames Spielen, gemeinsames, freiwilliges Weiterlernen, gemeinsames Tanzen, Reden, Diskutieren .... Und ja, ich bin der Meinung, dass auch das digitale sich zurückziehen dann zurückgehen wird, da dauerhaft nicht befridigend genug. Die Angebote müssen gemacht werden, und da ist dann eben auch der Staat/die Gesellschaftsleitung fördernd gefragt.
Bzgl. des Todes findet man doch mehr Trost z.B. in den Kindern und Verwandten, d.h. in ihrer weiterlebenden Ähnlichkeit zu den bekannten, familiären Verstorbenen, als in einem oft leidenden (physisch wie psychisch), nahen Verstorbenen. Dies zu erkennen und dies zu fördern, eben auch im sozialen Miteinander, gilt es stärker umzusetzen. Das relig. Gegenstück ist einfach nur glauben wollen, d.h. dann auch, dass man den Verstorbenen genau so wiederzutreffen wünscht (glaubt), wie man gerade an ihn denkt. Der eine als Baby, der andere als Alter, ein dritter als 15jähriger, ein weiterer in einer andere Lebensetappe oder -situation.... Und bei den längst Verstorbenen auf einen selbst bezogen das Gleiche nocheimal. Das ist doch Chaos und aneinander vorbeinachleben und keine erhoffte Harmonie oder Befriedigung.
Ockham am Permanenter Link
Hallo Herr Stenzel,
Ihr Zitat: "Wenn, abgesehen von Tod und unabwendbares Krankenleid, die Verhältnisse für alle Menschen in einem gleich guten und hohen Bereich angesiedelt wären (das meine ich nicht im kommunistischen Sinn, eher fiktional wie in Star Trek), gäbe es auch weniger Nowendigkeit für Trost und Verbesserung des emotionalen Wohlbefindens."
Ihren Hinweis auf die soziale Ungleichheit finde ich sehr wichtig. Es gibt z. B. eine Verbindung zwischen Ungleichheit und Bildung - und damit den Aufstiegschancen. Auch müssen die psychosozialen Folgen von Ungleichheit berücksichtigt werden. In ungleichen Gesellschaften herrscht weniger Vertrauen, weniger sozialer Zusammenhalt. Zugleich steigt die Tendenz zu mehr Gewalt. Die Politik müsste z. B. Einkommensunterschiede abbauen.
(Quelle: https://www.zeit.de/2010/13/Wohlstand-Interview-Richard-Wilkinson/seite-3)
Emmerich Lakatha am Permanenter Link
"Die weltweit verstreuten Höhlenmalereien bezeugen nicht nur, dass Drogen die Menschheit jedenfalls bereits seit der Steinzeit begleiten.
Zitat aus Dr. Emmerich Lakatha in Philosophischer Gesprächskreis, https://imhausmariajacobi.blogspot.com (Benützte Quelle:zdf.de ,Doku , Terra X Drogen - Eine Weltgeschichte (1/2), Moderator Professor Harald Lesch
https://www.google.at/search?q=Lesch+Drogen&oq=Lesch&aqs=chrome.2.69i57j69i61j69i59j0l3.5295j0j8&sourceid=chrome&ie=UTF-8)
Ockham am Permanenter Link
Hallo Emmerich Lakatha,
Ihr Zitat: "In einem kontrolliertem Experiment wurde der Werdegang eines durch Pilze hervorgerufenen Drogenrauschs durch MRT aufgezeichnet. Die Gehirnströme gerieten durcheinander und es entstanden bizarre Bilder. Mangels einer anderen Erklärung wurden von den damaligen Menschen solche Erscheinungen als Verbindungsglieder zu den Göttern angesehen. Im Drogenrausch trifft sich das Irdische mit dem Außerirdischen, grob gesagt: der Mensch trifft sich mit den Göttern. Ob das die Geburtsstunde der Religionen war?"
Insbesondere im Deutschen wird zwischen "Religion(en)" und "Religiosität" unterschieden. Während eine Religion die religiöse Lehre und die zugehörige Institution bezeichnet, bezieht sich Religiosität auf das subjektive religiöse Empfinden (Ehrfurcht vor dem "Großen Ganzen", transzendente Welterklärung) und Wünschen (Erleuchtung, Religionszugehörigkeit) des Einzelnen. Mit der Entstehung des abstrakten Denkens entstand auch die Religiosität als Voraussetzung für die Entwicklung der Religion.
(Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Religion)
Der französische Anthropologe und Religionsphilosoph Pascal Boyer erklärt die Neigung zu religiösen Überzeugungen und Riten aus Besonderheiten unseres Gedächtnisses, aus unserer Bereitschaft, Beziehungen zu fiktiven Gestalten herzustellen, aus unserer Fähigkeit, Bündnisse unter gegenseitigem Vertrauen einzugehen, und aus unserer Neigung zu zwanghaftem Verhalten. Danach liegt uns religiöser Glaube sehr nahe, während Unglaube das Ergebnis mühevoller bewusster Arbeit ist (Quelle: Im Lichte der Evolution, G. Vollmer, 2017, S. 281).
Im Drogenrausch wurde die Fähigkeit, eine Beziehung zu fiktiven Gestalten herzustellen, sicherlich erleichtert!
Emmerich Lakatha am Permanenter Link
Hallo Ockham!
„Der Begriff Religion entstand zu einer Zeit, in der bereits mehrere Religionen nebeneinander wirkten. Im Mittelalter gab es ihn noch nicht. [7] Seit dieser Zeit versucht man vergeblich, für ihn eine allgemeingültige Definition zu erstellen. [8] Ein Einsteigen in diese Debatte halte ich für sinnlos. Religionsgemeinschaften sind dagegen greifbare Wirklichkeiten. Es lohnt sich, sich mit ihnen zu befassen. Die heute in unserem Kulturkreis bekannten Religionen bestehen aus einer oder mehreren miteinander verbundenen Gemeinschaften. Sie sind Vereinigungen von Menschen. [9] Ihr Entstehen und Wachsen sowie ihr ideologisches Selbstverständnis werden von ihrer natürlichen Umgebung sowie von ihrer inneren und äußeren Entwicklungsgeschichte geformt. [10] Religionsgemeinschaften bestehen aus ihren Mitgliedern. Das einigende Band sind der gemeinsame Glaube, die gemeinsam gelebten und erlebten Rituale sowie das gemeinsame natürliche und kulturelle Umfeld, welches insbesondere durch das Brauchtum im Sinne des Glaubens geformt wird. Merke:
„Religion ist ein facettenreiches Phänomen, welches sich in seiner Gesamtheit auf alle Lebensbereiche menschlichen Denkens du Handelns erstrecken kann.“ [11]
Eine befriedigende Definition von Religion existiert nicht. [12]
Religionsgemeinschaften sind natürlich entstandene und gewachsene Vereinigungen von Menschen. Das einigende Band sind der gemeinsame Glaube, die Rituale und das Brauchtum im engeren und weiteren Sinn.“
Kann man bei der Tätigkeit der Schamanen die hier angeführten Merkmale einer Religionsgemeinschaft erkennen?
Anmerkungen:
7) Kilian, Andreas, Die Logik der Nicht-Logik, Alibri Verlag, 1. Aufl. 1010, im Folgenden kurz Logik der Nicht-Logik genannt, S 12
8) Ebenda, S 22
9) Auch wenn sie daran glauben, dass sie von einem übernatürlichen Wesen eingerichtet wurden. So hat nach der Erzählung der Bibel (2. Buch Moses (Exodus) 19ff) Gott die Israeliten zu seinem auserwählten Volk gemacht. Als Volk hatten sie aber eine durchaus menschliche Entstehungsgeschichte.
10) Vgl. Logik der Nichtlogik, S 139f
11) Logik der Nicht-Logik, S 22
12) Logik der Nicht-Logik, S 10
Kay Krause am Permanenter Link
1,) genau so gut (oder besser?) könnte man fragen: "Gibt es einen Ersatz für Kirchen?" Antwort: JA! Der Begriff"Nachbarschaftshaus" (Gostenhof, s.o.) ist schon mal ein wunderbarer Kirchen-Ersatz!
2.) Die Frage ist doch vielmehr: "BRAUCHEN wir einen Ersatz für Religion?" Da wir alle ohne jegliches Wissen über Religion aus dem warmen Mutterleib auf diese kalte Welt geworfen werden, würden wir - angenommen, unsere Umwelt würde uns nicht religiös indoktrinieren - mit Sicherheit nicht nach einem Ersatz für Religion fragen oder suchen! Da das ständige "Warum?-Fragen" zum Wesen des Menschen gehört, würden wir uns ohne Religionswissen wohl eher der Forschung, der Wissenschaft zuwenden, diese jedoch nicht als Religions-Ersatz betrachten, da dieses Religions-Denken uns - wiegesagt - völlig fremd wäre!
3.) Den Sinn des Lebens in der Religion finden zu wollen, halte ich für (gelind gesagt): geistig irregeleitet! Für den Sinn des Lebens gibt es keine allgemeingültige, pauschale Formel. Der Mensch ist ein Individuum und kann letztlich den Sinn SEINES Lebens nur ganz allein für sich finden,definieren und (vor allem) selbst gestalten!
4.)Und wenn - bei aller berechtigter Kirchenkritik auch hier der gern benutzte Satz wiederholt wird, dass "die Kirche doch auch viel Gutes und Barmherziges tue", dann muß man doch nur hintergründig erfragen: Ja, aber warum tut sie das? Weil es Mittel zum Zweck ist: um die seit 1.700 Jahren andauernden Untaten der Kirche aus dem Vordergrund zu drängen, um Macht- und Geldgier auch weiterhin zu befriedigen, denn an all diesen sozialen und caritativen "Guttaten" der Kirche verdient diese nicht schlecht!
5.) Ich denke: wenn man gelernt hat, ein nützliches Mitglied der Gemeinschaft zu sein, und ein sozial verträgliches Leben zu führen, braucht man weder eine Religion, noch einen Ersatz dafür
6.) Auch der Vergleich der säkularen Weltanschauung mit einem trostlosen Universum scheint mir doch sehr weit weg geholt! Schaue ich in den mit milliarden Sternen übersäten Nachthimmel, erscheint mir das Universum durchaus nicht trostlos! Angenommen, es wäre tatsächlich trostlos, so ergibt sich doch die Frage: Wäre das Universum weniger trostlos, wenn man einen von Menschen erfundenen Geist namens GOTT dort hinein platziert?
flunra39 am Permanenter Link
nur zum Letzten: der Nachthimmel MIT Gott wäre für Gläubige sicher WENIGER trostlos, weil da doch ein bewusstes Handeln von einem angenommen Wohlwollenden mitgeglaubt wird
Sascha Rother am Permanenter Link
Die Philosophie in ihrer ursprünglichen Tradition als "ganzheitliche" Lebensführung kann m.E. eine wichtige Quelle der Inspiration für säkular denkende Humanisten sein.
https://www.youtube.com/watch?v=jx2NY9KIVzU
Kay Krause am Permanenter Link
Danke für den Hinweis, Sascha Rother!
Nächstes Treffen bei uns: 16. Nov. 2018, Thema:" Neid und Eifersucht, die schlimmsten Krankheiten der Menschheit"
struppi am Permanenter Link
Ob Religion "verzichtbar" ist, solte für eine humanistische Fragestellung kein Thema sein. das können Psychologen erörtern.
Was Menschen zu Hause tun und was sie denken, geht andere Menschen erstmal nichts an.
Ockham am Permanenter Link
Hallo struppi,
welche Rolle die Religion im öffentlichen Leben spielen darf, zeigt sich in den notorischen Steitfällen zum Kopftuch und Kreuz im Klassenzimmer oder Gerichtssaal, Schwimmunterricht für muslimische Mädchen, Zulassung des Schächtens, Tragen der Burka, Abdruck von Mohammed-Karikaturen oder z. B. in der Beschneidungsdebatte.
struppi am Permanenter Link
Ich bezog meinen Kommentar auf den Artikel. Dort wurde die Frage gestellt.
Ihre Antwort ist genau das was ich meine. Religion sollte bei solchen Themen keine Rolle spielen dürfen, weil sie für reale Dinge irrreale Erklärungen hat.
Thomas am Permanenter Link
Religion ist das Urverbrechen gegen die menschliche Vernunft und die Quelle fast allen vermeidbaren Leides auf der Erde, denn sie be- und verhindert zutreffende Erkenntnis und ethische Entwicklung.
Ockham am Permanenter Link
Hallo Thomas,
Ihr Zitat: "Religion ist das Urverbrechen gegen die menschliche Vernunft und die Quelle fast allen vermeidbaren Leides auf der Erde, denn sie be- und verhindert zutreffende Erkenntnis und ethische Entwicklung."
Nun müssten Sie erst einmal genau definieren, was unter "Religion" zu verstehen ist.
Ihr Zitat: "Jedenfalls hat sie nichts Positives zu bieten, das ihre Verheerungen auch nur im Entferntesten aufwiegen könnte."
Das ist falsch. "Religion" kann neben ihrem Potenzial zur Gewalt auch Frieden stiften. Wer da Gewalt stiftet sind diejenigen, die Konflikte auslösen durch Intoleranz, Bigotterie, Extremismus, Fundamentalismus, Fanatismus, politischen Ehrgeiz, Herrschsucht und durch einen Mangel an Achtung vor dem Nächsten usw. (Quelle: https://de.richarddawkins.net/articles/gott-im-fadenkreuz-eine-rezension).
Ihr Zitat: "Einem Bedürfnis nach Irrationalismus müßte also schon aus ethischen Gründen mit Verzicht begegnet werden."
Ihr Zitat unterstellt ein bewusstes Wollen des Irrationalismus. Über dem Wahrheitsgehalt religiöser Überzeugungen ist durch die Zuweisung vermuteter oder gar nachgewiesener Vor- und Nachteile natürlich noch nichts gesagt; schließlich kann auch eine irrige Auffassung nützlich, eine richtige gelegentlich sogar schädlich sein. So beruhen die Regentänze mancher Indianerstämme auf der Überzeugung, dass ihre Tänze - über ihren Einfluss auf die Götter - Regen hervorrufen. Wir halten diese Meinung für irrig, die Tänze aber dennoch für nützlich, weil sie dem Stamm als sozialer Kitt dienen (Quelle: Im Lichte der Evolution, G. Vollmer, 2017, S. 285).
Thomas am Permanenter Link
"Nun müssten Sie erst einmal genau definieren, was unter "Religion" zu verstehen ist."
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"Ihr Zitat: "Jedenfalls hat sie nichts Positives zu bieten, das ihre Verheerungen auch nur im Entferntesten aufwiegen könnte."
Das ist falsch."
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Ist es nicht. Mit den Religionen lernen Menschen, evidenzwidrig zu glauben und sich entsprechend zu verhalten. Religion erzeugt und perpetuiert eine Kultur der Ignoranz, der Lüge und des Wahnsinns, während ihre Normativität und Ethik einander ausschließen. So wird Religion tatsächlich zur Quelle fast allen vermeidbaren Leides auf der Erde, dieweil ihre "positiven" Auswirkungen nur punktuell und in weiterem Sinne zufällig sind.
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""Religion" kann neben ihrem Potenzial zur Gewalt auch Frieden stiften."
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Das bestreite ich nicht, denn: ex falso quodlibet.
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"Wer da Gewalt stiftet sind diejenigen, die Konflikte auslösen durch Intoleranz, Bigotterie, Extremismus, Fundamentalismus, Fanatismus, politischen Ehrgeiz, Herrschsucht und durch einen Mangel an Achtung vor dem Nächsten usw."
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Nicht nur. In ethischer Hinsicht sitzen alle religiösen und sich entsprechend verhaltenden Menschen im selben Boot, denn schließlich ist die Behauptung, man müsse x tun, weil "Gott" es wolle, ebenso falsch oder unprüfbar wie die Behauptung, man müsse x unterlassen, weil "Gott" es wolle. Im Übrigen ist Gehorsam antimoralisch, da er im vorsätzlichen Verzicht auf ethische Reflexion besteht. Jeder Mensch, der sich am religiösen Krieg gegen die Vernunft beteiligt oder aus falscher Toleranz nicht gegen ihn einschreitet, trägt auch Mitschuld an seinen Verwüstungen.
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"Über dem Wahrheitsgehalt religiöser Überzeugungen ist durch die Zuweisung vermuteter oder gar nachgewiesener Vor- und Nachteile natürlich noch nichts gesagt;"
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Richtig, aber es liegt in der Natur spezifisch religiöser Überzeugungen, falsch zu sein und ausnahmslos jedes Verhalten hervorbringen zu können, zu dem Menschen fähig sind. Daher sind sie als ethisches Fundament prinzipiell untauglich.
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"schließlich kann auch eine irrige Auffassung nützlich, eine richtige gelegentlich sogar schädlich sein."
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Das kommt vor, aber um sich systematisch und möglichst erfolgreich moralisch verhalten zu können, muß man auf das am besten belegte Wissen zurückgreifen, das jeweils gegenwärtig zur Verfügung steht. Kurzum: ohne wissenschaftliche Bildung keine effiziente Moralität.
Arno Gebauer am Permanenter Link
Moin,
die emotionale Funktion jeder Religion wird über Rituale,
irrationalen Illusionen, die eine seelische Entlastung vorgauckeln, usw., eingeübt und
konditioniert die abhängig Gläubigen .
Die emotionale Funktion der Religion kann und muß ersatzlos gestrichen werden!
Sie behindert die Entwicklung jedes Gesellschaftssystems!
Viele Grüße
Arno Gebauer
Ockham am Permanenter Link
Hallo Herr Gebauer,
Ihr Zitat: "Die emotionale Funktion der Religion kann und muß ersatzlos gestrichen werden!"
Was bieten Religionen ihren Anhängern? Dazu gehört Selbstbewusstsein und personale Identität, womit Voraussetzungen für soziale Bindungen geschaffen werden. Religionen produzieren in Abgrenzung zu anderen ein Wir-Gefühl und verpflichten ihre Anhänger auf eine verbindliche Binnenmoral. Mit Ausnahme von "Kognition und Metaphysik" sind alle anderen Aspekte von Religion mit der Lösung von biologischen Problemen des Zusammenlebens verbunden. Hinzu kommen die Kontingenzbewältigung sowie die Überwindung des Schwarzfahrer-Problems auf zwei Ebenen (Quelle: https://de.richarddawkins.net/articles/gott-im-fadenkreuz-eine-rezension).
Rüdiger Weida am Permanenter Link
Mir ist völlig unklar, wieso überhaupt noch theoretisiert wird, ob Religion und Kirche verzichtbar ist.
Die Praxis in der DDR hat es längst bewiesen.
Andreas E. Kilian am Permanenter Link
Auch Lügen, Morde und sonstige Verbrechen liefern evolutionäre Vorteile und kommen statistisch weltweit vor. Dies bedeutet aber weder, dass sie angeboren, unausweichlich oder gar notwendig wären.
Die Belohnung durch positive Gefühle wird – von den Grundbedürfnissen einmal abgesehen – anerzogen. Kinder lassen sich auch anders als durch religiöse Glaubensinhalte zu glücklichen Menschen erziehen.
Emmerich Lakatha am Permanenter Link
Hallo Andreas E. Kilian!
Ich habe oben in meinen Beiträgen Emmerich Lakatha Ihr Werk Die Logik der Nicht-Logik zitiert. Bitte um Ihre Meinung.
Gabriele Wruck am Permanenter Link
Schade, dass immer wieder Religion mit Glauben gleichgesetzt wird.
Glauben ist die erbärmliche Variante, religiös zu sein. Glauben ist gewissermaßen die Tunesien-Pauschalreise ins Ferien-Resort mit Billigflieger, Rundum-Bespaßung, all-you-can-eat-Bratwurst-Buffet und übelster Abzocke von Reisenden und Personal. Da muss man dann eben GANZ FEST GLAUBEN, man hätte Afrika erlebt.
Gläubige glauben meist, sie bräuchten dieses Programm, um wenigstens ein bisschen in die Nähe des religiösen Zustands zu kommen. So bringt man es ihnen frühstmöglich bei.
Wer einen Glauben nicht braucht, braucht auch keinen Ersatz dafür. Denn der Glaube selbst IST der Ersatz.
Er ist Ersatz für emotionale Gesundheit. Der Ersatz für Liebe und Wertschätzung, die man für sich selbst als Glaubensbedürftiger nicht hat. Und die hat man eben nicht, wenn man von klein auf gegerbt wird und eingetrichtert bekommt, man sei erbsündig, überhaupt dauernd sündig und schuldig und das Leibeigentum eines imaginären Arschlochs, das einen angeblich liebt und deshalb nach Laune quält.
Auch die Feindesliebe und die zwanghafte Selbstausbeutung für andere sind letztlich vor allem Ausflucht aus der Unfähigkeit, Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl zu erlangen.
Die (Selbst)Vertröstung auf später funktioniert bekanntlich auch ganz ohne Glauben und wird im Alter durch Weisheit und/oder Fatalismus ersetzt, kein Glaubensbedarf.
Was Glaubensgemeinschaften allerdings tatsächlich häufig bieten, ist Gemeinschaft. Das ist für den Einzelnen interessant, besonders für diejenigen, die mit sich selbst nicht gut klarkommen oder einfach schüchtern sind.
Der Gläubige möchte nicht darüber nachdenken, dass das Gemeinschaftsgefühl mit dem Ausschluss anderer bezahlt wird, dass auf selbstbetrügerische Weise aus der emotionalen Abhängigkeit die Selbsterhöhung gebastelt wird und das schöne Gemeinschaftsgefühl schnell in das ausarten kann, wofür es von den Glaubenskonzernen vorgesehen ist: strenge Sozialkontrolle bis hin zur Überwachung und emotionaler und sozialer Erpressung.
Dieser Gemeinschaftsaspekt wird auf absehbare Zeit auch der große Vorsprung der Glaubensgemeinschaften bleiben, solange der Mensch von so vielen erklärten AtheistInnen auf seine Rationalität und sein Dasein als organisches Material mit elektrischer Reizübertragung reduziert wird.
Andreas E. Kilian am Permanenter Link
Vertritt Herr Voland wirklich die gleiche Meinung, wie der Religionswissenschaftler Michael Blume, dass Religionen das Trittbrettfahrerproblem lösen?
Dies sollten sie einmal den Müttern der vergewaltigten Kinder erzählen!
Religionen ermöglichen es erst, dass die Eltern zum Schweigen gebracht werden und die Pädophilen als Trittbrettfahrer ihre Triebe – gut geschützt durch die Kirchen – ausleben können.
Ebenso leben die meisten Priester parasitär als Trittbrettfahrer von der Arbeit anderer Leute, während sie selber nur ein Himmelreich versprechen.
Ich hoffe, dass Herr Voland – wenn er dies wirklich so gesagt haben sollte – ganz schnell überdenkt.
Ockham am Permanenter Link
Hallo Herr Kilian,
Herr Voland schreibt in seinem Artikel "Hat Gott Naturgeschichte? Die Evolution der Religiosität" vom "Schwarzfahrerproblem" (Quelle: Zeitschrift "Biologie in unserer Zeit" 40, 2010, S. 34 f.).
Dort heisst es in Auszügen:
Diese Gemeinschaften hielten dem ökologisch-ökonomischen Druck ihrer neuen Heimat sehr unterschiedlich stand. … Der ökonomische Hintergrund für Erfolg versus Misserfolg lag in der Frage, wie verlässlich und effizient innerhalb der Gruppen zusammengearbeitet wurde, wie nachhaltig also das kooperationshinderliche Schwarzfahrerproblem gelöst wurde. Der Unterschied zwischen den gescheiterten und den erfolgreichen Siedlungen bestand nun interessanterweise darin, dass die erfolgreichen Gemeinschaften durch gemeinsame religiöse Grundüberzeugungen zusammengehalten wurden, während die weniger erfolgreichen bloß säkulare Interessen verfolgten. Das Forscherteam konnte zeigen, dass diejenigen religiösen Siedlergemeinschaften besonders andauernd waren, die von ihren Mitgliedern am meisten "teure Signale" verlangt haben, etwa in Form von Nahrungstabus oder anspurchsvollen Verhaltensvorschriften. Je teurer die Religion - so die Schlussfolgerung - desto stärker die Binnenmoral und weniger mächtig das Schwarzfahrerproblem. Das Schwarzfahrerproblem lässt sich in dem Maße zurückdrängen, wie es gelingt, die nicht kooperierenden Normübertreter als solche zu erkennen und zu sanktionieren. … Wenn soziale Komplexität zunimmt, reicht informelle, gegenseitige Beobachtung der Tugendhaftigkeit nicht mehr aus zur erfolgreichen Aufrechterhaltung von Kooperation und Solidarität. Es muss jemanden geben, der urteilt und straft. Aber warum sollte jemand diese soziale Funktion übernehmen? Schließlich produziert der Richter mit seiner Leistung für die Gemeinschaft selbst ein öffentliches Gut und zwar auf eigene Kosten, ohne selbst nennenswerte Vorteile davon zu tragen. Wir haben es also mit einem „Schwarzfahrer-Problem zweiter Ordnung“ zu tun, und deshalb wieder mit jenem naturgewachsenen Hindernis, das der spontanen Entstehung und anhaltenden Verlässlichkeit von Kooperation im Wege steht. Könnte es sein, dass Religion auch hier eine Konstruktive Rolle spielen? Man hat überlegt, ob nicht Gottesfurcht und damit die Internalisierung von Moral und Normentreue und deren Überwachung durch die innere Instanz des Gewissens biologisch als adaptive Antwort auf das Scharzfahrerproblem zweiter Ordnung evolviert sein könnt. Einiges spricht dafür: Kulturvergleichende Studien belegen, dass der Glaube an strafende Götter mit der Gruppengröße, mit sozialer Komplexität und dem Ausmaß sozialer Kooperation zunimmt. In einfachen überschaubaren Subsidienzgruppen haben Götter, Ahnen und Geister vorrangig andere Aufgaben, eine Strafandrohung bei Normenübertretung gehört nicht prominent hierzu.
Andreas E. Kilian am Permanenter Link
@ockham
Wer z. B. Muslime persönlich kennt und befragt, bekommt einiges zu hören. Offiziell gibt es in islamischen Ländern keinen Alkohol, keine Prostitution, keine Sex-Toys, kein HIV, keine Homosexualität, keinen vor- und außerehelichen Verkehr, keine Atheisten u.v.a. mehr.
Inoffiziell gibt es Beate Uhse unter dem Tresen in jeder Apotheke, die Putzfrauen fragen in jedem Hotel nach „Sonderwünschen“ gegen Euro, die Todesursache AIDS heißt auf dem Totenschein Lungenentzündung, Homosexuelle gehen mit Europäern ins Hotel, unverheiratete Mütter existieren, dürfen aber keine Selbsthilfegruppen bilden, Atheisten halten einfach den Mund und der fromme Muslim schließt nach dem Freitagabendgebet die Haustür ab, kippt sich einen und lässt seine Frau in Strapsen tanzen. Alles Menschen, genau wie bei uns, nur sagen darf man dort halt nichts.
Die eigentlichen Trittbrettfahrer sind die Imame, die sich durch das Runterbeten der Regeln ihren Lebensunterhalt verdienen und sich selbst nicht daran halten. Teure Signale dienen nur der gesellschaftlichen Stellung.
Ockham am Permanenter Link
Hallo Herr Kilian,
der Knackpunkt ist meines Erachtens der, was genau unter einem „teuren Signalen“ zu verstehen ist. Was Sie ansprechen würde ich eher als „allgemeine ethische Regeln“ bezeichnen, aber nicht als religionsspezifische „teure Signale“.
In dem zitierten Artikel bezieht sich E. Voland auf Richard Sosis. Sein Artikel heisst „Teure Rituale“ (aus der Zeitschrift Geist und Gehirn, 1-2/2005) und lässt sich über die Google-Suche auf www.spektrum.de herunterladen. In dem Artikel ist dann auf S. 46 von „Möglichen Anforderungen“ die rede:
Mitgliedschaft mit Probezeit, Abtreten materiellen Eigentums, Erlernen bestimmten Wissens, Sitzungen mit öffentlicher Kritik über sich ergehen lassen, Kleidervorschriften, bestimmte Haartrachten, Fasten;
Wer eine schmerzhafte Zeremonie vollzieht, kommuniziert unmissverständlich: »Ich identifiziere mich mit unserer Gruppe und glaube an das, wofür sie steht.«
Ultraorthodoxe Juden, die in mehrere Schichten von Kleidung gehüllt in der Mittagssonne ausharren, signalisieren ihren Glaubensbrüdern implizit: »Heh! Sieh her, ich bin ein Haredi-Jude. Wenn du auch zu dieser Gruppe gehörst, kannst du mir vertrauen, denn warum sonst sollte ich mich derartig kleiden? Das würde niemand tun, der nicht an die Lehren des ultraorthodoxen Judentums glaubt und sich völlig dessen Idealen verschrieben hat.«
Dreimal am Tag beten, nur koscher essen, einen bestimmten Teil des Einkommens für wohltätige Zwecke spenden – der erhebliche Aufwand an Zeit, Energie und Geld schreckt jeden ab, der sich nicht mit den Lehren dieser Religion identifiziert. Dies erspart der Gemeinschaft komplizierte Überwachungsmechanismen, die ansonsten erforderlich wären, um Schmarotzer auszuschließen. Der Selektionsvorteil von Ritualen besteht also in erhöhter Kooperationsbereitschaft – eine Tugend, die sich unsere Vorfahren im Lauf der Entwicklungsgeschichte offenbar immer wieder teuer erkaufen mussten.
Andreas E. Kilian am Permanenter Link
Nur weil Muslime teure Signale haben (fünfmal am Tag beten, Hadsch, Almosen, etc.) bedeutet dies nicht, dass sie sich nicht gegenseitig belügen und betrügen.
Folglich ist die Aussage von Herrn Voland religiöses Wunschdenken.