Norwegen

Abtreibungsgesetz in Gefahr

Tausende Menschen sind in Norwegen zum Erhalt des liberalen Abtreibungsgesetzes von 1978 auf die Straße gegangen. Bedroht wird das Gesetz von Ministerpräsidentin Erna Solberg und ihren Regierungsverhandlungen mit der Christlichen Volkspartei, der das aktuelle Gesetz ein Dorn im Auge ist.

Solbergs Minderheitsregierung besteht aus ihrer konservativen Partei Høyre, der rechten Fremskrittspartiet (Fortschrittspartei) und der liberalen Partei Venstre und kann allein keine Gesetzesänderungen und Neuerungen auf den Weg bringen. Deshalb sucht sie zum Erhalt der parlamentarischen Mehrheit die Stimmen der Kristelig Folkeparti (Christlichen Volkspartei). Der Versuch, hart erkämpfte Frauenrechte gegen Regierungsmacht einzutauschen, stößt landesweit auf Empörung.

Nach aktuellem Recht können Frauen in Norwegen bis zur 12. Schwangerschaftswoche die Schwangerschaft beenden. Anders als in Deutschland benötigen sie dazu keine (teils demütigende und belastende) Beratung. Auch eine Bedenkzeit ist in Norwegen nicht vorgesehen. Zudem ist es möglich, einen Fötus auch nach der 12. Schwangerschaftswoche abzutreiben, sollte das Kind eine erblich bedingte schwere Krankheit bekommen können. Einen Spezialfall im norwegischen Gesetz stellt die Möglichkeit dar, nur einen von zwei Zwillingen austragen zu können.

Für die Christliche Volkspartei ist die Änderung des Abtreibungsgesetzes ein wichtiger Punkt auf ihrer Agenda. Dabei besonders wichtig sind ihr die Abschaffung der Möglichkeit, einen Zwillingsfötus zu entfernen und vor allem die Abtreibung von erbkranken Föten nach der 12 Woche. Um sich die Unterstützung der Christlichen Volkspartei zu sichern, versprach Solberg, Paragraph 2c zu streichen, in dem diese Fälle geregelt sind, obwohl es nicht Politik ihrer Partei Høyre sei.

Bei der letzten Umfrage zeigte sich, dass 68 % der Norweger*innen gegen eine Änderung des Abtreibungsgesetzes sind. Wenig Verständnis zeigen die Menschen auch dafür, dass Frauenrechte in anderen europäischen Ländern eher erweitert als beschnitten werden, sodass ein Rückschritt in Norwegen besonders schmerzlich wäre. Ein positives Beispiel für eine Änderung des Abtreibungsgesetzes wäre eher eine Erweiterung der Frist auf 24 Wochen, wie sie im Vereinigten Königreich bereits etabliert ist.

Bleibt zu hoffen, dass die Mobilisierung von Frauen- und anderen Organisationen sich erfolgreich gegen die Bestrebungen einer potentiellen politischen Verbindung unter Einfluss der Christlichen Volkspartei stellen kann.