BERLIN. (hpd) Unter dem Motto “Lebe besser, hilf öfter, staune mehr” fand am gestrigen Sonntag die erste Berliner Sunday Assembly statt. Rund 170 Besucher fanden sich ein, um den Beginn einer neuen Art des Zusammenseins von Konfessionsfreien zu feiern.
Zugegeben, ich war, als ich das erste mal von diesen Sonntagsversammlungen hörte, etwas skeptisch. Eine Art Gottesdienst nur ohne Gott? Das erschien mir eher komisch als erstrebenswert. Was soll das anderes werden als ein Abklatsch von dem, was sonntäglich in Kirchen vor sich geht?
Allerdings - die Idee geht auf den britischen Komiker Sandersen Jones zurück, der im Jahr 2013 gemeinsam mit Pippa Evans die erste Sunday Assembly in London - dort allerdings in einer Kirche - veranstaltete. Also kann das nicht zu ernsthaft sein. Dachte ich. Und irrte.
Denn obwohl gesungen wurde und häufig auch gelacht - es hatte einen schönen Ernst, als der Philosoph Stephen Cave darüber sprach, wie endlich das menschliche Leben sei. Das allerdings sollte nicht ängstigen. “Das Leben ist wie ein Buch. Zwischen den Deckeln spielt sich unser Leben ab - zwischen der ersten und der letzten Seite.” Es mache keinen Sinn, wenn sich die Figuren in einem Buch darüber Gedanken machen, was außerhalb der Buchdeckel passiert. “Seid dankbar dafür, dass ihr diesen Zufall, überhaupt am Leben zu sein, erleben könnt.” Das klingt für mich nun wirklich nicht nach Kirche, sondern nach dem Beginn des “Regenbogen”-Buches von Richard Dawkins. Und damit kann ich mich dann doch anfreunden.
Selbst als der Hut rumgeht und zwei Momente der Stille gewünscht werden, erinnert mich das nicht an kirchliche Rituale. Was aber vor allem daran liegen dürfte, dass ich eben die nicht (oder kaum) kenne. Doch Rituale kenne ich natürlich und kann sie sogar genießen - und so auch diese strukturierte Stunde.
Sue Schwerin von Krosigk, eine derer, die die erste Berliner Veranstaltung geplant und organisiert hat, spricht über das Motto der Treffen: “Lebe besser, hilf öfter, staune mehr”. Ja, ganz sicherlich könnte man das - wenn es notwendig scheint - eine “Predigt” nennen. Allerdings eine, die sich an ein humanistisches Gefühl richtet. Es lässt sich aber auch als “besinnliche Rede” oder emotionaler Vortrag bezeichnen; wir müssen uns nicht am Wort “Predigt” festhalten. Wichtig daran ist nur, dass sie die Zuhörer erreichte. Das schaffte auch Arik Platzek mit seinem Bericht, weshalb er und auf welchem Weg zum Team kam, dass die Versammlung vorbereitet hat.
Nun hat sich die Idee (fast) über den gesamten Erdball verteilt; nicht nur in Großbritannien, den USA und Australien fanden zeitgleich Sonntagsversammlungen statt; jetzt also auch in Berlin und Hamburg. Vielleicht wird aus dieser Idee auch in Berlin das, was sich die Macher vorstellen: ein Treffen für Menschen. Und dazu braucht es keinen Gott - auch wenn der Kollege vom pro-medienmagazin das anders sieht.
Hinweis: Auch SPIEGEL-Online berichtet über das Treffen, sogar mit einem Video.
5 Kommentare
Kommentare
Andreas Kyriacou am Permanenter Link
Im Englischsprachigen Raum wurden die Sunday Assemblys in den Medien vorwiegend als Kirche der Gottlosen dargestellt.
Es scheint eine schwierige Gratwanderung. Einerseits zieht es sichtlich religionsferne Menschen an, die auf der Suche nach einer Gemeinschaft sind, andrerseits erhält mit dieser Art der Selbstdarstellung der Vorwurf, Atheismus sei auch nur eine Religion, kräftig Nahrung.
Dr. Christian S... am Permanenter Link
Ihr Kommentar bezieht sich weder auf die Veranstaltung in Berlin noch auf den Artikel von Frank Nicolai darüber, sondern auf irgendwelche früheren Medienberichte über Sundays Assemblys im englischsprachigen Raum.
Zwischen Atheismus und Religion gibt es das Leben und den Menschen, sowie das Feiern und Nachdenken darüber. Dazu gab es in Berlin einen guten Anfang, finde ich.
Andreas Kyriacou am Permanenter Link
Mein Kommentar bezieht sich auf Berichte über Sunday Assemblys, die am selben Tag wie die beiden Deutschen stattfanden.
Ich habe bewusst nicht den Artikel des Pro Medienmagazins zitiert, in dem von einem "atheistischen Gottesdienst" die Rede war, da deren Schreibern keine grosse Objektivität zugebilligt werden muss. Doch auch für den Spiegel-Berichterstatter war es "wie ein Gottesdienst".
Sundayassembly.com spricht von Congregations, ein stärkeres religiöses Framing geht kaum noch. Dass auf der Website mit deutlichen Worten festgehalten wird, wer nicht in ihre Gemeinschaft passt, verstärkt den kultischen Eindruck weiter. Die Deutschen Veranstalter haben das Sunday-Assembly-Logo übernommen und ihre Veranstaltungen auf dem gemeinsamen Portal angekündigt. Der gemeinsame Online-Auftritt färbt notgedrungenermaßen auf die lokalen Events ab, ein Effekt der ja gewollt ist.
Dass den Teilnehmern wohl war, glaube ich selbstredend. Deren Berichte im Privaten und in Online-Kommentaren dürften die öffentliche Wahrnehmung aber kaum beeinflussen, Schlagzeilen und Artikel, welche die Assemblys als religionsähnlich darstellen, hingegen schon. Und genau da orte ich ein Problem. Es ist wohltuend, dem Stereotyp der "angry atheists" etwas entgegenzusetzen. Ein Format, das – wie oben erwähnt – dem Vorwurf, Atheismus sei auch nur eine Religion, kräftig Nahrung gibt, halte ich zumindest für eine Gratwanderung.
Dr. Christian Scherg am Permanenter Link
Dass einer christlich verseuchten Öffentlichkeit zu den Sonntagsversammlungen nichts anderes als Gottesdienst einfällt – wen wundert's? Und wen stört es?
Hennichs am Permanenter Link
Am Anfang hat man den Begriff atheistische Kirche verwendet, damit knackig kommuniziert wird, welche Form einen begegnet.
Wie gesagt, Kirche taucht eigentlich (fast) immer im Kontext mit Religion auf und ist sicher auch mit Vorsicht zu genießen. Man möchte sich aber nicht abgrenzen, sondern eine offene Gemeinschaft sein, weshalb der SA-Bewegung es wahrscheinlich nicht so wichtig ist in den Topf geworfen zu werden. Man möchte die schönen Elemente der Kirchen übernehmen, die unschönen Elemente loswerden und durch neue Elemente ersetzen.
Vielleicht wird den Kirchen aber diese Nähe auch nicht so recht sein. Denn sie können der SA zwar vorwerfen, dass sie sich einiger Elemente auch bedienen, aber sicher nicht, dass sie dogmatisch, glaubensbasiert etc. sind und trotzdem für Werte stehen, die ein besseres Leben als Ziel haben. Ich denke, die haben damit fast ein größeres Problem als viele Atheisten.