Im Norden nichts Neues zur Religionsfreiheit

Mit der Religionsfreiheit scheint es die Mehrheit der Parteien im Kieler Landtag weiterhin nicht so ernst zu nehmen. So muss man leider den Beschluss des Bildungsausschusses vom 21. Februar zum Antrag des SSW "Religionsfreiheit an öffentlichen Schulen sicherstellen" interpretieren.

Im September beriet der Landtag in Kiel über einen Antrag des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW). Wir berichteten über die Thematik. Zur Erinnerung: in Schleswig-Holstein wird lediglich an 315 von 714 Schulen ein Ersatzfach für den konfessionellen Religionsunterricht angeboten. Ein Zustand, der der Rechtslage widerspricht.

Der Bildungsausschuss hat dazu eine schriftliche Anhörung gestartet, bei der zahlreiche Institutionen Stellungnahmen abgegeben haben. Auch die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) und das Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) haben sich beteiligt und die Gelegenheit genutzt, detailliert auf die eigentliche Problematik einzugehen.

So heißt es in der gbs-Stellungnahme einleitend: "Die Religionsfreiheit, präziser: die Freiheit des religiösen UND weltanschaulichen Bekenntnisses von Kindern ist an den öffentlichen Schulen Schleswig-Holsteins stark beeinträchtigt. Dabei ist die mangelnde Wahlmöglichkeit zwischen Religions- und Philosophieunterricht lediglich ein Symptom. Die eigentliche Problematik liegt in den nicht mehr zeitgemäßen Einflüssen religiöser (vor allem christlicher) Glaubensgemeinschaften auf den Schulunterricht, der sich auch im Schulgesetz Schleswig-Holsteins widerspiegelt."

Das ifw spricht sich dafür aus, dass die sowohl verfassungsrechtlich völlig unproblematische als auch angesichts der Pluralisierung integrationspolitisch beste Lösung die Einführung eines Pflichtfachs Ethik ab der Grundschule ohne Abmeldemöglichkeit mit speziell ausgebildeten Lehrern wäre.

Wer nun der Auffassung war, dass auf die Vorschläge der beiden säkularen Organisationen zumindest ansatzweise eingegangen wurde, der sah sich enttäuscht.

Einen Tag vor der Sitzung des zuständigen Ausschusses reichte die Regierungskoalition einen eigenen Antrag ein und wischte mit nur einem Satz alle vorgebrachten Argumente vom Tisch. Man ist der Überzeugung, dass der konfessionsgebundene Religionsunterricht verfassungsrechtlich besonders geschützt sei. Kein Wort zum bemerkenswerten Einschub in Artikel 7 Abs.3 GG, dass an bekenntnisfreien Schulen kein Religionsunterricht erteilt werden muss.

Man möchte allerdings die Landesregierung "bitten" (!), die Schulleitungen hinsichtlich der Bedeutung des gleichwertigen Angebots zum Religionsunterricht weiter zu sensibilisieren und sicherzustellen, dass Eltern sowie Schülerinnen und Schüler über das Angebot des Philosophieunterrichts umfassend informiert werden.

Dementsprechend äußerte der Fraktionsvorsitzende des SSW, Lars Harms, sein Entsetzen ("Das ist der Hammer!") über den substanzlosen Antrag von Seiten der CDU, FDP und Grünen Regierungskoalition und wies darauf hin, dass die Regierung mit ihrem Antrag das Gesetz umgehe.

Tobias Loose von der CDU und die Bildungsministerin Karin Prien (auch CDU) entgegneten, dass der Philosophieunterricht gesetzeskonform durchgeführt wird und man dafür sorgen möchte, dass besser informiert wird und Lehrer ausgebildet werden.

Ein zumindest kleiner Lichtblick in der religiös standhaften Regierungskoalition bildet Bündnis90/Die Grünen. Ines Strehlau machte klar, dass ihre Partei zum Religionsunterricht eine andere Auffassung hat. Auf dem kommenden Landesparteitag wird man das Thema „gemeinsamer Ethikunterricht“ beraten. Zurzeit hält man sich allerdings an den Koalitionsvertrag, der die Einführung nicht vorsieht.

Ist von der CDU zu diesem Thema keine andere Haltung zu erwarten, so ist die Position der FDP aus säkularer Sicht eine einzige Enttäuschung. Anita Klahn (evangelisch) hatte bereits in der Landtagsdebatte erklärt, dass in Schulen aus ihrer Sicht Verständnis für das Religiöse geweckt werden soll. Jetzt will sie sich immerhin dafür einsetzen, dass mehr Philosophielehrer ausgebildet werden.

Eine kurze, zackige Antwort lieferte der Vertreter der AfD Dr. Frank Brodehl (evangelische Freikirche). Er findet den Antrag der Koalition gut.

Abschließend machte Lars Harms vom SSW seinem Ärger noch einmal etwas Luft, als er äußerte, dass sich am Zustand wohl nichts ändern soll, sonst hätte man doch mindestens einen Zeitrahmen (z.B. drei Jahre) mit in den Antrag aufgenommen.

Der Antrag des SSW wurde anschließend mit 4 Ja-Stimmen (SSW, SPD) gegen 7 Nein-Stimmen (CDU, FDP, B90/Grüne, AfD) abgelehnt.

Der Antrag der Koalition wurde mit einer Gegenstimme (SSW) bei drei Enthaltungen (SPD) angenommen.

Bemerkenswert war beim anschließenden Plausch, dass sowohl SSW als auch SPD der Überzeugung sind, dass die Thematik die Bevölkerung nicht besonders interessiert und man auch nicht erkennen kann, dass säkulare Themen in absehbarer Zeit Wählerstimmen generieren können. Beide Parteivertreter sagten übereinstimmend, dass die Kirchen beim Religionsunterricht nicht bereit sind, irgendwelche Zugeständnisse zu machen und die Regelungen jetzt in Schleswig-Holstein bis 2022 (Landtagswahl) zementiert sind.

Der Landtag wird das Thema zwar noch behandelt, jedoch wird der Antrag der Koalition ohne Aussprache angenomen werden.

Klar erkennbar ist damit, dass der konfessionsgebundene Religionsunterricht für die Kirchen und ihre Vertreter in der Politik von entscheidender Bedeutung im Sinne kirchlicher Interessen ist. Das wird auch anhand der Lehrpläne und dem darin enthaltenden Missionsbefehl überdeutlich. Dem Recht der Kinder auf eine vorurteilsfreie Bildung läuft dies zuwider.