Die Ausstellung "Raum-Zeit-Strukturen" wurde am Freitag, den 16. Februar 2020 in der Galerie Artlantis in Bad Homburg eröffnet. Dennis Merbach und Margit Matthews präsentieren dort ihre Fotografien bis zum 8. März. Die Werke zeigen ein breites künstlerisches Schaffen – von analoger Landschaftsfotografie (Matthews) bis zu digitalen Doppelbelichtungen und Fotomontagen (Merbach).
Vier thematische Blöcke haben die Fotografen ausgewählt. Den Hauptraum teilen sich die Künstler mit der Serie "MusicMoves" von Dennis Merbach und Sahara-Landschaften von Margit Matthews. In dem einen angrenzenden Kabinett zeigt Merbach seine Licht- und Schattenspiele "In Vino", im anderen Nebenraum hängt die Serie "Warte/Räume" von Matthews.
Hans Helmut Rupp, erster Vorsitzender des Kunstvereins Arslantis, begrüßte die über 60 Besucher. Kunsthistorikern Kristina Becker führte in das Konzept der Ausstellung und das Schaffen der beiden Fotografen ein. Sie erinnerte an den großen Unterschied zwischen Bild und Wirklichkeit – und wie wir bestimmte Sehgewohnheiten erlernern: als der (Kino-)Film vor über hundert Jahren noch neu war, flüchteten Zuschauer aus dem Vorführzelt, als eine Eisenbahnlokomotive auf der Leinwand auf sie zuraste. Dass das Objekt aber nur auf der Leinwand rollt und ihnen nicht wirklich gefährlich werden kann: solches Sehen musste erst erlernt werden. Der Actionfilm ist längst weiter; heute geht es um 3-D-Filme und Virtual Reality, in der Wirklichkeit mit eingeblendeter Illusion verschmilzt.
Fotografie hingegen halte laut Becker auch den flüchtigsten Moment fest – doch eben "eingefroren": jede Bewegung ist erstarrt. So wird das Bild eines Musikers zu etwas ganz anderem als seine Bewegung im Konzert. Dennis Merbach versucht, diese Beschränkung aufzubrechen: über Langzeit- oder Doppelbelichtungen bringt er die Bewegung zurück ins Bild. Manche Unschärfe erinnert an die Frühphase der Fotografie, als handgeschliffene Linsen gar manchen Abbildungsfehler aufwiesen. In heutiger Zeit, die von gestochen scharfen Aufnahmen dominiert wird, fallen die bewusst verwischten Bilder auf.
Sie teilen sich den Hauptraum mit Matthews Bildern aus der Sahara: Sanddünen im Streiflicht; mal die Totale mit Bergkette im Hintergrund, mal der Blick auf detailreiche Spuren im Sand. Es handelt sich um Abzüge von analogen Dias. Keine Ausschnitte, sondern dass Matthews ihr Motiv über das komplette Zelluloid komponiert hat, wird an den ausbelichteten Rändern und Transportstreifen sichtbar. Übrigens auch der Diafilm-Hersteller – manche Besucher rätselten, ob der Rotstich im Saharasand von der Abendsonne oder vom Fuji-Film herrühre.
Warm rot gestrichen sind auch die Wände des angrenzenden Kabinetts, in der Merbachs Serie "In Vino" hängt. Kein Weinrot – eher ein Ziegelrot, doch sehr passend für die Lichtreflexe auf überwiegend schwarzem Grund. Der Künstler hat das Weinglas beim Leeren sehr genau beobachtet – und dabei die Lichtspiele entdeckt, die Kerzen- oder Kunstlicht im Schatten des Glases vollführen.
Kalt hingegen wirkt der Raum voll kleinformatiger Gefängnisbilder: Wahrlich nicht wohnlich. Das sollen die Zellen auch nicht sein – doch Matthews hat in ihrer Serie "Warte/Räume" festgehalten, wie die Bewohner sich einzurichten versucht haben: da kleben Pin-Up-Bilder an bröckeligen Tapeten. Mangels Chance zu echtem Kontakt versuchte manch Insasse, die nackten Damen mit gespreizten Beinen wenigstens abzumalen. Solche Versuche stehen neben an die Wand gekritzelten Kreuzen, sowohl mit als auch ohne Haken. Die Verwandschaft von Kreuz und Hakenkreuz überrascht nicht wirklich. Die Frauenbilder daneben lassen auf ein patriarchal-autoritäres Weltbild schließen – so dass die drei Motivblöcke eine stimmige Einheit bilden. Matthews hat diese verborgene Welt dokumentiert – doch ihre Haltung dazu erschließt sich nicht eindeutig. Der Gefängnisbau ist verlassen, auch der Ort nicht angegeben. Doch an mancher Wand hängen deutsche Textfetzen, während die Pin-Up-Magazine teils kyrillische Buchstaben zeigen – Indiz dafür, dass Matthews einen ehemaligen DDR-Knast besichtigt hat.
Die Vernissage wurde vom Duo BoerStel auf Gitarre, Mundharmonika und Gesang begleitet. Auch packte Musiker Olaf Stellberger einmal sein Cello aus: angenehme Klänge, die zum Rundgang animierten, erklangen da. Doch stellenweise spielten sie leider zu laut: nicht mehr Hintergrund zu den Bildern, sondern die Mundharmonika erstickte das Gespräch über die Kunst. Doch die war so reizvoll, dass die Gäste nicht nur bis nach der Pause, sondern bis weit nach dem Auftritt blieben. Was auch am exzellenten Wein gelegen haben mag: Bernd Sacherer vom Weingut Rabenhof kredenzte besten Rebensaft aus dem Kaiserstuhl: jenen, der schon Fotograf Merbach zu seiner einen Serie inspiriert hat.
1 Kommentar
Kommentare
Saskia + Sascha... am Permanenter Link
Herzlichen Dank für die ausführliche Rezension. Macht richtig neugierig! Wir werden heute nachmittag mal nach Bad Homburg fahren und uns das mal ansehen.