Irlands Abtreibungsgesetz bringt Frauen in Lebensgefahr

BERLIN. (hpd/ai) Ein neuer Bericht von Amnesty International dokumentiert die schweren Menschenrechtsverletzungen an Frauen und Mädchen in Irland durch eines der restriktivsten Abtreibungsgesetze der Welt. Abbrüche sind auch dann verboten, wenn die Schwangerschaft Folge einer Vergewaltigung ist oder schwere gesundheitliche Folgen für die Mutter nach sich ziehen kann.

Zehn bis zwölf Frauen reisen jeden Tag von Irland nach England, um einen Schwangerschaftsabbruch durchführen zu lassen. Ihre Gründe dafür sind unterschiedlich, ihr Grund nach England zu reisen ist jedoch derselbe: Der Abbruch einer Schwangerschaft ist in Irland eine Straftat, es sei denn, die Schwangerschaft stellt eine "reale und substantielle" Gefahr für das Leben der Mutter dar.

Damit hat Irland eines der restriktivsten Abtreibungsgesetze der Welt und ist eines von nur fünf Ländern in Europa, in denen Schwangerschaftsabbrüche auf Wunsch der Frau verwehrt werden, auch wenn die Schwangerschaft Folge einer Vergewaltigung oder der Fötus nicht lebensfähig ist. Auf illegalen Schwangerschaftsabbruch drohen bis zu 14 Jahre Haft, denn der achte Zusatz zur Verfassung von 1983 erklärt das Leben des ungeborenen Fötus für gleichwertig mit dem der Mutter. Hinzu kommt, dass durch das "Gesetz zur Regulierung von Informationen" die Herausgabe von Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen kriminalisiert wird.

Restriktive Gesetze zu Schwangerschaftsabbrüchen verletzen die Rechte von Frauen und Mädchen auf Leben, Gesundheit, Privatsphäre sowie auf ein Leben frei von Diskriminierung, Folter und anderen Misshandlungen. Das Vorenthalten von Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen verletzt ebenfalls fundamentale Menschenrechte, darunter das Recht auf Information und auf Meinungsfreiheit. Ein neuer Bericht von Amnesty International, der in Dublin vorgestellt wurde, dokumentiert diese Menschenrechtsverletzungen an Frauen in Irland und zeigt, dass die dortige Regierung ihren internationalen Verpflichtungen, diese Rechte zu respektieren, zu schützen und zu gewährleisten, nicht nachkommt.

Der tragische Tod von Savita Halappanavar vor drei Jahren erregte weltweite Aufmerksamkeit. Obwohl sich herausgestellt hatte, dass der Fötus nicht überlebensfähig war, wurde ihr ein Schwangerschaftsabbruch verweigert. Wenige Tage später starb sie an den Folgen einer daraus resultierenden Infektion. Das daraufhin erlassene "Gesetz zum Schutz des Lebens der Mutter während der Schwangerschaft" erlaubt zwar einen Schwangerschaftsabbruch, wenn eine "reale und substantielle" Gefahr für das Leben der Schwangeren besteht. Jedoch präzisiert es nicht, ab wann eine Schwangerschaft als lebensbedrohlich einzustufen ist. Mittel- und langfristige Risiken wie Krebs- oder Herzerkrankungen werden nicht behandelt, um den Fötus nicht zu schädigen. Frauen mit gesundheitlichen Komplikationen während der Schwangerschaft müssen warten, bis sich ihr Zustand gravierend verschlechtert hat, damit sie behandelt werden.

Was das bedeutet, schildert "Lupe" in dem heute erschienen Amnesty-Bericht. Als sie mit heftigen Blutungen ein Krankenhaus aufsuchte, wurde festgestellt, dass der Fötus vermutlich bereits in der vierten oder fünften Schwangerschaftswoche gestorben war. Dennoch wurde ihr ein Schwangerschaftsabbruch verweigert, trotz des Risikos einer Infektion und den möglichen traumatischen Auswirkungen auf ihre psychische Gesundheit: "Für mehr als zwei Monate trug ich einen toten Embryo in mir. (…) Ich hatte so viel Angst in dieser Zeit, denn mir war klar, dass sie mich bei Komplikationen sterben lassen würden, genauso wie sie es auch bei Savita getan hatten."

"Lupe" reiste schließlich nach Spanien, um dort eine Notfallbehandlung zu erhalten. Für Frauen, die in Armut leben, bereits zu krank sind oder sich in einem laufenden Asylverfahren befinden, ist eine Ausreise jedoch oft nicht möglich. So im Fall von "Frau Y", einer jungen Frau, die 2014 aus einem Kriegsgebiet nach Irland floh und in Folge einer Vergewaltigung schwanger war. Ein Schwangerschaftsabbruch und eine Ausreise nach England wurden ihr verweigert. Selbst nachdem "Frau Y" in einen Hungerstreik trat und kundtat, lieber sterben zu wollen, als das Baby zu bekommen, wurde sie dazu genötigt, die Schwangerschaft fortzuführen.

Auch Gesundheitspersonal und Berater_innen äußerten gegenüber Amnesty International ihre Frustration darüber, wie Irlands restriktive Gesetzgebung sie daran hindert, ihren Patientinnen eine qualitativ hochwertige und ethische Behandlung und Unterstützung zu gewähren. So erklärte beispielsweise Dr. Mark Murphy, Allgemeinarzt und Mitglied bei Doctors for Choice: "Ich bin sehr besorgt. Die momentane Gesetzgebung ist keine gute Praxis, sie ist gefährlich für Frauen und uns droht eine Haft von 14 Jahren, wenn wir uns irren (…). Das Gleiche gilt für das neue Gesetz. Es beschützt Frauen nicht, es schadet ihnen aktiv und riskiert ihr Leben."

"Frauen und Mädchen, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, werden in Irland wie Kriminelle behandelt, stigmatisiert und gezwungen ins Ausland zu reisen, was schwerwiegende Auswirkungen auf ihre geistige und körperliche Gesundheit hat. Der irische Staat kann diese Realität und die erschreckenden Auswirkungen für Tausende von Personen jedes Jahr nicht länger ignorieren", sagt Maja Liebing, Expertin für Frauenrechte bei Amnesty International in Deutschland. "Die Menschenrechte von Frauen und Mädchen werden täglich verletzt, durch eine Verfassung, die sie wie Gebärmaschinen behandelt."

In Anbetracht dieser Menschenrechtsverletzungen fordert Amnesty International von Irland seinen internationalen Verpflichtungen nachzukommen. Das bedeutet den achten Verfassungszusatz und das "Gesetz zur Regulierung von Informationen" aufzuheben, Schwangerschaftsabbrüche zu entkriminalisieren und eine Gesetzgebung zu schaffen, die Frauen in Gesetz und Praxis Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen gewährleistet. Zumindest bei den Fällen, in denen die Schwangerschaft eine schwere Gefahr für die geistige oder körperliche Gesundheit der Schwangeren darstellt, der Fötus nicht lebensfähig ist oder wenn die Schwangerschaft Folge einer Vergewaltigung ist.


Pressemitteilung von Amnesty International.