Mit Friedrich Merz folgt ein Katholik auf den konfessionsfreien Olaf Scholz

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Friedrich Merz (2024)
Friedrich Merz

Der nächste Bundeskanzler Deutschlands kommt höchstwahrscheinlich aus dem Sauerland, heißt Friedrich Merz und ist katholisch. Was bedeutet dieser Bundeskanzler für das säkuläre Deutschland, und wie wird sich sein Glaube auf seine Amtsführung auswirken?

Der Politiker Friedrich Merz sieht sich in erster Linie als Wirtschaftsliberaler, ist jedoch tief im katholischen Glauben verwurzelt, auch wenn er sich nur selten öffentlich dazu äußert. Im Hochsauerland katholisch sozialisiert, war er Messdiener und engagierte sich in der Katholischen Jungen Gemeinde. Diese Prägung spiegelte sich auch in seiner Mitgliedschaft in einer katholischen Studentenverbindung und in seinem Engagement für das Kolpingwerk wider.

Seine Frau Charlotte ist Protestantin, und auch die Kinder sind evangelisch getauft – der älteste Sohn Philippe wurde 1981 vor der Hochzeit geboren.

Das Wertefundament von Friedrich Merz

Das "C" im Parteinamen war und ist für Merz stets von zentraler Bedeutung. Wiederholt hat er betont, wie wichtig ein gemeinsames Wertefundament sei, das von "unserer christlich-abendländischen Tradition und Kultur geprägt ist, und das uns bindet". Für den Wertekonservativen sind Kirchen "eine große Stütze unserer Gesellschaft", die in Krisenzeiten Halt und Orientierung bieten könnten.

Obwohl Merz praktizierender Katholik ist, stellt er seinen Glauben selten explizit in den Mittelpunkt seines politischen Handelns. Dennoch sind seine Positionen in gesellschaftspolitischen Fragen wie Abtreibung und Familienpolitik oft von traditionellen christlichen Werten geprägt.

Auf dem Katholikentag im Mai 2024 in Erfurt hat der designierte Bundeskanzler ein eindeutiges Statement abgegeben: "Als Christ, als Katholik, glaube ich an die Wahrheit von Hebräer 13, 14: 'Denn auf dieser Erde gibt es keine Stadt, in der wir für immer zu Hause sein können. Sehnsüchtig warten wir auf die Stadt, die im Himmel für uns erbaut ist.' Wir haben hier keine bleibende Stadt. Es wird keinen ewigen Frieden in dieser Welt, in der wir leben, geben."

Trotz seines jenseitsorientierten Glaubens möchte Merz das Diesseits aber aktiv im christlichen Sinne gestalten, wie er ebenfalls auf dem Katholikentag erklärte: "Aber als Politiker und als Vorsitzender der Partei mit 'C' im Namen verstehe ich es als meine Aufgabe, an dem Hier und Jetzt, an unserem irdischen Zuhause so zu arbeiten, dass wir hier gemeinsam immer wieder erfahren können, was Frieden und Freiheit heißt. Und der Austausch mit den Gläubigen und der Dialog mit den Kirchen gehört für mich zu so einer Politik essentiell dazu und er gehört für die CDU dazu."

Als Friedrich Merz ein Jahr zuvor den Evangelischen Kirchentag in Nürnberg besuchte, war er noch mehr dem Diesseits zugeneigt. Er sprach ausführlich über die Kernbotschaft der Verkündung von Jesus mit geradezu missionarischen Untertönen: "Das Reich Gottes ist schon da: Es entfaltet sich mitten unter Euch in Eurem Zusammenleben."

Abtreibung und Frauenrechte

Doch wie vereinbar ist dieser offene Bezug auf den Glauben mit der geforderten religiösen Neutralität des Staates? Merz' konservative Haltung spiegelt sich auch in seinen politischen Entscheidungen und seiner politischen Agenda wider. Als Bundestagsabgeordneter stimmte er 1997 gegen einen Antrag, der Vergewaltigung in der Ehe mit außerehelicher Vergewaltigung gleichsetzte – allerdings bekundete er mittlerweile, er würde heute anders entscheiden.

In Abtreibungsfragen vertrat Merz stets eine klare konservative Position: 1995 stimmte er gegen den heute geltenden Kompromiss und plädierte für strengere Regelungen, 2001 lehnte er zudem die Präimplantationsdiagnostik ab. Im Rahmen der Debatte um die Neuregelung von Schwangerschaftsabbrüchen signalisierte Merz im November 2024 erst seine Dialogbereitschaft ("Natürlich kann man sich nach so vielen Jahren noch einmal neu mit dem Thema beschäftigen"), um dann aber den Antrag als "Affront" zu bezeichnen, da das Thema das Land polarisiere – das klingt nicht so, als würde er das Ende der so notwendigen wie überfälligen Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in die Wege leiten.

Frauenpolitik scheint generell nicht seine Sache zu sein. Im Wahlkampf sprach sich Merz mit Verweis auf die in seinen Augen schlechte Arbeit von Ex-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht gegen die Geschlechterparität im Kabinett aus: "Wir tun damit auch den Frauen keinen Gefallen." Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass der Frauenanteil in der nächsten CDU-Regierung klein ausfallen wird. Der CDU-Frauenanteil im neuen Bundestag ist bei der Wahl auf 22,6 Prozent gesunken (selbst die CSU hat 25 Prozent zu bieten!), und Frauenrechte werden wohl künftig nur eine untergeordnete Rolle spielen. Sinnbildlich steht dafür auch das zwei Tage nach der Bundestagswahl von Markus Söder auf Instagram gepostete Foto mit dem Titel "Wir sind bereit für einen Politikwechsel in Deutschland": Zu sehen ist eine illustre Runde, angeführt von Friedrich Merz – sechs strahlende Männer und keine einzige Frau.

So gern sich Friedrich Merz an kirchlichen Leitgedanken orientiert, so wenig kann er mit kirchlicher Kritik umgehen, wie jüngst in der Debatte um den restriktiven Migrationskurs der CDU. Einen Widerspruch kann er da nicht entdecken. Erfreulicherweise hat sich seine Einstellung zur Homosexualität gewandelt: Merz befürwortet inzwischen die Ehe für alle. Beim Thema Sterbehilfe hat er sich hingegen nicht eindeutig positioniert.

Was die Umweltpolitik betrifft, so leugnet Merz den Klimawandel nicht. Auf dem Evangelischen Kirchentag berief er sich als gläubiger Christ auf die "Schöpfung" und betonte: "Wir müssen Klima und Umwelt besser schützen." Wie er diese Forderung als Hobbypilot mit seinem Gewissen vereinbart, bleibt sein Geheimnis. Als Wirtschaftspolitiker ist für ihn wiederum vor allem entscheidend, dass Energie bezahlbar sein muss.

Herausforderungen einer säkularen Gesellschaft

Friedrich Merz wird als neuer Bundeskanzler vor der Herausforderung stehen, seine persönlichen Glaubenswerte mit den Erwartungen einer vielfältigen und multikulturellen Gesellschaft in Einklang zu bringen. Ob ihm das gelingt, bleibt fraglich. Für den Zusammenhalt einer solchen Gesellschaft ist es unerlässlich, dass politische Entscheidungen vor allem auf universellen, nicht-religiösen Prinzipien beruhen.

Fest steht: Seinen Amtseid wird Friedrich Merz mit der Formel "So wahr mir Gott helfe" leisten.„"

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