Der nächste Bundeskanzler Deutschlands kommt höchstwahrscheinlich aus dem Sauerland, heißt Friedrich Merz und ist katholisch. Was bedeutet dieser Bundeskanzler für das säkuläre Deutschland, und wie wird sich sein Glaube auf seine Amtsführung auswirken?
Der Politiker Friedrich Merz sieht sich in erster Linie als Wirtschaftsliberaler, ist jedoch tief im katholischen Glauben verwurzelt, auch wenn er sich nur selten öffentlich dazu äußert. Im Hochsauerland katholisch sozialisiert, war er Messdiener und engagierte sich in der Katholischen Jungen Gemeinde. Diese Prägung spiegelte sich auch in seiner Mitgliedschaft in einer katholischen Studentenverbindung und in seinem Engagement für das Kolpingwerk wider.
Seine Frau Charlotte ist Protestantin, und auch die Kinder sind evangelisch getauft – der älteste Sohn Philippe wurde 1981 vor der Hochzeit geboren.
Das Wertefundament von Friedrich Merz
Das "C" im Parteinamen war und ist für Merz stets von zentraler Bedeutung. Wiederholt hat er betont, wie wichtig ein gemeinsames Wertefundament sei, das von "unserer christlich-abendländischen Tradition und Kultur geprägt ist, und das uns bindet". Für den Wertekonservativen sind Kirchen "eine große Stütze unserer Gesellschaft", die in Krisenzeiten Halt und Orientierung bieten könnten.
Obwohl Merz praktizierender Katholik ist, stellt er seinen Glauben selten explizit in den Mittelpunkt seines politischen Handelns. Dennoch sind seine Positionen in gesellschaftspolitischen Fragen wie Abtreibung und Familienpolitik oft von traditionellen christlichen Werten geprägt.
Auf dem Katholikentag im Mai 2024 in Erfurt hat der designierte Bundeskanzler ein eindeutiges Statement abgegeben: "Als Christ, als Katholik, glaube ich an die Wahrheit von Hebräer 13, 14: 'Denn auf dieser Erde gibt es keine Stadt, in der wir für immer zu Hause sein können. Sehnsüchtig warten wir auf die Stadt, die im Himmel für uns erbaut ist.' Wir haben hier keine bleibende Stadt. Es wird keinen ewigen Frieden in dieser Welt, in der wir leben, geben."
Trotz seines jenseitsorientierten Glaubens möchte Merz das Diesseits aber aktiv im christlichen Sinne gestalten, wie er ebenfalls auf dem Katholikentag erklärte: "Aber als Politiker und als Vorsitzender der Partei mit 'C' im Namen verstehe ich es als meine Aufgabe, an dem Hier und Jetzt, an unserem irdischen Zuhause so zu arbeiten, dass wir hier gemeinsam immer wieder erfahren können, was Frieden und Freiheit heißt. Und der Austausch mit den Gläubigen und der Dialog mit den Kirchen gehört für mich zu so einer Politik essentiell dazu und er gehört für die CDU dazu."
Als Friedrich Merz ein Jahr zuvor den Evangelischen Kirchentag in Nürnberg besuchte, war er noch mehr dem Diesseits zugeneigt. Er sprach ausführlich über die Kernbotschaft der Verkündung von Jesus mit geradezu missionarischen Untertönen: "Das Reich Gottes ist schon da: Es entfaltet sich mitten unter Euch in Eurem Zusammenleben."
Abtreibung und Frauenrechte
Doch wie vereinbar ist dieser offene Bezug auf den Glauben mit der geforderten religiösen Neutralität des Staates? Merz' konservative Haltung spiegelt sich auch in seinen politischen Entscheidungen und seiner politischen Agenda wider. Als Bundestagsabgeordneter stimmte er 1997 gegen einen Antrag, der Vergewaltigung in der Ehe mit außerehelicher Vergewaltigung gleichsetzte – allerdings bekundete er mittlerweile, er würde heute anders entscheiden.
In Abtreibungsfragen vertrat Merz stets eine klare konservative Position: 1995 stimmte er gegen den heute geltenden Kompromiss und plädierte für strengere Regelungen, 2001 lehnte er zudem die Präimplantationsdiagnostik ab. Im Rahmen der Debatte um die Neuregelung von Schwangerschaftsabbrüchen signalisierte Merz im November 2024 erst seine Dialogbereitschaft ("Natürlich kann man sich nach so vielen Jahren noch einmal neu mit dem Thema beschäftigen"), um dann aber den Antrag als "Affront" zu bezeichnen, da das Thema das Land polarisiere – das klingt nicht so, als würde er das Ende der so notwendigen wie überfälligen Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in die Wege leiten.
Frauenpolitik scheint generell nicht seine Sache zu sein. Im Wahlkampf sprach sich Merz mit Verweis auf die in seinen Augen schlechte Arbeit von Ex-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht gegen die Geschlechterparität im Kabinett aus: "Wir tun damit auch den Frauen keinen Gefallen." Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass der Frauenanteil in der nächsten CDU-Regierung klein ausfallen wird. Der CDU-Frauenanteil im neuen Bundestag ist bei der Wahl auf 22,6 Prozent gesunken (selbst die CSU hat 25 Prozent zu bieten!), und Frauenrechte werden wohl künftig nur eine untergeordnete Rolle spielen. Sinnbildlich steht dafür auch das zwei Tage nach der Bundestagswahl von Markus Söder auf Instagram gepostete Foto mit dem Titel "Wir sind bereit für einen Politikwechsel in Deutschland": Zu sehen ist eine illustre Runde, angeführt von Friedrich Merz – sechs strahlende Männer und keine einzige Frau.
So gern sich Friedrich Merz an kirchlichen Leitgedanken orientiert, so wenig kann er mit kirchlicher Kritik umgehen, wie jüngst in der Debatte um den restriktiven Migrationskurs der CDU. Einen Widerspruch kann er da nicht entdecken. Erfreulicherweise hat sich seine Einstellung zur Homosexualität gewandelt: Merz befürwortet inzwischen die Ehe für alle. Beim Thema Sterbehilfe hat er sich hingegen nicht eindeutig positioniert.
Was die Umweltpolitik betrifft, so leugnet Merz den Klimawandel nicht. Auf dem Evangelischen Kirchentag berief er sich als gläubiger Christ auf die "Schöpfung" und betonte: "Wir müssen Klima und Umwelt besser schützen." Wie er diese Forderung als Hobbypilot mit seinem Gewissen vereinbart, bleibt sein Geheimnis. Als Wirtschaftspolitiker ist für ihn wiederum vor allem entscheidend, dass Energie bezahlbar sein muss.
Herausforderungen einer säkularen Gesellschaft
Friedrich Merz wird als neuer Bundeskanzler vor der Herausforderung stehen, seine persönlichen Glaubenswerte mit den Erwartungen einer vielfältigen und multikulturellen Gesellschaft in Einklang zu bringen. Ob ihm das gelingt, bleibt fraglich. Für den Zusammenhalt einer solchen Gesellschaft ist es unerlässlich, dass politische Entscheidungen vor allem auf universellen, nicht-religiösen Prinzipien beruhen.
Fest steht: Seinen Amtseid wird Friedrich Merz mit der Formel "So wahr mir Gott helfe" leisten.

30 Kommentare
Kommentare
Jens Schneider am Permanenter Link
Ein einziger Satz zu dem, was wirklich interessant sein könnte: "So gern sich Friedrich Merz an kirchlichen Leitgedanken orientiert, so wenig kann er mit kirchlicher Kritik umgehen, wie jüngst in der Debatte um d
Bernie am Permanenter Link
Danke für diesen nüchternen Bericht, aber hat uns der konfessionslose Kanzler Olaf Scholz nicht erst in die gewaltige Misere reingeritten die jetzt der, vermutlich sogar römisch-katholische, Friedrich Merz ausbaden mu
Bernie
Willi Stockem am Permanenter Link
...der korrupteste Kanzler...?
Na, da fallen mir aber ein paar Namen ein, die ihn um Längen schlagen.
Bernie am Permanenter Link
Welche denn? Mir ist bewußt, dass auch Helmut Kohl, Gerhard Schröder korrupt waren, aber bei Olaf Scholz - deren Nachfolger - habe nicht nur ich die Befürchtung, dass der alle toppt.
Lachmann am Permanenter Link
Die Probleme, die die Ampel hatte, sind alles Probleme, welche Pastorentochter und Cdu Merkel hat wachsen lassen.
Umweltpolitik hat Merkel verschlafen, Entspannungspolitik Politik? Ein Scherbenhaufen.
Wir zahlen heute noch für ihre "Rettungspolitik" von der Finanzkrise 2008.
Hätte sie auf Experten gehört, und Deutschland rechtzeitig auf eine Seuche wie Covid vorbereitet, wären die sozialen und finanziellen Kosten der Coronazeit auch niedriger ausgefallen.
Bernie am Permanenter Link
Sie werden sich wundern, ich teile Ihre Position was Frau Merkel angeht, aber wer hat mir ihr koaliert, und absolut nichts daraus gelernt? War es nicht Olaf Scholz, als Finanzminister Deutschlands?
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Wie kann ein halbwegs intelligenter Mensch sein Leben lang an ein erfundenes Wesen glauben, ohne dies einmal zu hinterfragen? Noch nie hat irgend ein gesunder Mensch
abergläubischen Menschen herum und verursachen Mord und Totschlag sowie Kriege,
wie uns die Geschichte der Menschheit leert.
Die Indoktrination von Kindheit an ist für diese Übel zuständig, ein Großteil der Menschen in der BRD hat dies schon begriffen, nur einige unsere Politiker hinken der Realität noch hinterher und halten noch an dem Bündnis Staat und Kirche fest.
Jens Schneider am Permanenter Link
hat jetzt aber mal so richtig viel mit dem Artikel zu tun ...
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Ja, hat es, wenn man den letzten Satz beachtet, so wahr mir Gott helfe, das sagt genau wie Merz denkt, auch er ist ein indoktrinierter Mensch der an ein erfundenes Geistwesen glaubt,
Jens Schneider am Permanenter Link
Sie scheinen Friedrich Merz ja sehr gut zu kennen, sind Sie mit persönlich bekannt?
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Nein bin ich nicht, aber ich höre genau hin was er tut und sagt und das könnte jeder der aufmerksam seine Reden und Handlungen verfolgt.
Jens Schneider am Permanenter Link
Sie führen ein Stück von Ionesco auf?
Bernie am Permanenter Link
Ehrlich gesagt ich teile Ihre Ansicht, aber im Unterschied zu Ihnen sehe ich einen konfessionslosen Kanzler Olaf Scholz nicht als "besseren Kanzler" nur weil er konfessionslos ist - ganz im Gegenteil für Kon
Jens Schneider am Permanenter Link
als "Chef" einer Partei, die sich "Christlich" nennt, würde wohl JEDER auf Gott schwören, aber Herr Baierlein lebt in seiner ganz eigenen Welt
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
So hat jeder seine eigene Meinung und das ist auch gut so, erst die Vielfalt der Meinungen
verhindert eine Diktatur und jeder hat seine eigene Sicht auf die Dinge des Lebens.
Bernie am Permanenter Link
Ebent, da sehe ich es wie Sie her Baierlein, aber unsere Diktatur-Fans hier merken in ihrer Beschränktheit gar nicht wie nahe Ihre Meinung bei beiden totalitären System ist, die Deutschland einst durchleiden mußte....
Jens Schneider am Permanenter Link
sowas ist einfach nur peinlich, Zitat Bernie: "frisch aus Hitlers Reichsbunker" Mehr möchte ich zu Ihren "Diskussionsbeiträgen" auch nicht mehr sagen.
Bernie am Permanenter Link
Ja? Wo verhalte ich mich denn so? Nur mal so als Frage? Ich reagiere nur auf Angriffe unserer Totalitarismust...e hier *grins*
Jens Schneider am Permanenter Link
"*grins*" Nazi-Vergleiche sind total lustig. Findet sicher auch Sahra Wagenknecht, für die Sie hier geworben haben (im Klartext: Sie schaden der Partei BSW)
Bernie am Permanenter Link
Sie haben das mit Stalin wohl absichtlich überlesen, dass ich auch erwähnte gleich neben dem anderen, dass Sie von mir hier absichtlich verkürzt darstellen...?!
Und inwiefern schade ich der BSW?
Wie kommen Sie darauf, dass ich ein Parteimitglied der BSW bin, oder die gar gewählt habe?
Sind Sie Hellseher Herr Schneider????
Ich könnte ebenso gut ein "Fan" der Partei DIE PARTEI, und von Martin Sonneborn, sein.....
Und man wird sich wohl noch gegen T...e wehren dürfen? Oder ist das neuerdings auch verboten in .de?
Sarkastische Grüße
Bernie
Jens Schneider am Permanenter Link
"Und inwiefern schade ich der BSW?" Fragen Sie doch mal Frau Wagenknecht, wie sie Ihre Kommentare findet.
Fazit: Sie könnten mal eine Kommentar-Auszeit gebrauchen.
Michael Fischer am Permanenter Link
Ich finde es ja schon lustig, wenn ausgerechnet "Die Schriftstellerin" glaubt, andere als dumm abqualifizieren zu müssen.
Wer die Frau gut findet, dem ist m.E. nicht zu helfen.
P.S.: Lustig finde ich ja auch, ausgerechnet unseren Kanzler "der Ukraine-Politik des kühlen Kopfes" als kriegsgeil bezeichnen zu wollen...
Bernie am Permanenter Link
Lustig finde ich es gar nicht wenn Sie Diskussionsgegner, und eine der prominentesten deutschen Politikerinnen namens Sahra Wagenknecht psychologisch abqualifizieren wollten.
Bernie
Michael Fischer am Permanenter Link
Wissen Sie, Sie fragen zu viel und reflektieren zu wenig. Leute wie Sie landen halt argumentationsmäßig regelmäßig im Wald.
Sie haben einen Satz abgegeben, der etwas mit meinem Kommentar zu tun hat. Darauf gerne nochmal meine Meinung zur prominenten Sahra: Die Dame hat schon während der Pandemie wenig intelligentes rausgehauen, ihre völlig danebenliegende Einschätzung Putins und dessen Verteidigung noch einen Tag vor dessen Losschlagen war dann wirklich an Naivität und Dümmlichkeit kaum zu überbieten.
Von daher sollte Frau Wagenknecht das Wort "Dumm" nur vor dem Badezimmerspiegel in den Mund nehmen.
Zum Rest Ihres wirren Kommentares sage ich nichts. An mich war das ja offenbar gar nicht gerichtet.
Bernie am Permanenter Link
"Wirrer Kommentar"?
Bernie
Jens Schneider am Permanenter Link
tief durchaaaaaatmen, Bernie, entspannen Sie sich ...
Bernie am Permanenter Link
Jep, Sie haben recht lieber Herr Schneider, denn ansonsten bleibt mir nur "achtsam morden" Zitat: Karsten Dusse :-) übrig. Sarkastische Grüße
Bernie
Helmuth Dau am Permanenter Link
Herr Bernie, Sie sind wirklich meinungsstark und aktivistisch: Scholz runter, Wagenkn. rauf, Merz unerwaehnt.
Mir sind Scholzens und Wagenkn. Atheismus sympathisch - aber Politik ist doch viel mehr als nur das.
Bei Ihrer Heldin kann ich leider keinen weiteren positven Zug erkennen, aber 'atheistisch' schon - so weit gut aber nicht ausreichend.
Bernie am Permanenter Link
Merz unerwähnt? Ich schrieb doch, dass der auch nicht besser ist als Scholz? Haben Sie das überlesen lieber Herr Dau?
Bernie
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
@ Bernie:
auf uns allein gestellt sind und zusammenhalten sollten und mit Empathie dem Mitmenschen
entgegentreten sollten, so währe eine friedliche Welt zum Vorteil aller möglich.
Ich weiß, ist nur Fiktion, aber warum sollte es nicht eines Tages gelingen? es währe möglich.