Ohne den global gewachsenen Wohlstand der letzten Jahrhunderte gäbe es keinen Klimawandel. Warum wir daraus dennoch nicht folgern sollten, dass nur Wohlstandsverzicht das Problem lösen kann, erklärte Amardeo Sarma in einem von Kortizes organisierten Online-Vortrag am Dienstag, 28. April 2020. Auch beim Umgang mit Leugnung des Klimawandels warnte er vor Kurzschlüssen im Denken.
Was haben wir in den 250 Jahren der Forschung am Treibhauseffekt gelernt? Und wie ist die Industrielle Revolution mit ihren Emissionen zu bewerten? Müssen wir auf den durch sie erreichten Wohlstand verzichten, um das Klima zu schützen? Und was steckt eigentlich hinter der Leugnung des Klimawandels?
Um Fragen wie diese ging es am 28. April 2020 bei einem Vortrag von Amardeo Sarma. Eigentlich hätte der Vorsitzende der deutschen Skeptiker-Organisation GWUP dabei im Nürnberger Planetarium sprechen sollen. Aufgrund der Corona-Pandemie lud das veranstaltende Institut für populärwissenschaftlichen Diskurs Kortizes stattdessen erstmals zum Live-Online-Vortrag. Knapp 70 Interessierte schalteten sich per Computer oder Mobilgerät an diesem Dienstagabend hinzu und diskutierten anschließend von zu Hause mit.
Mit seinem Vortrag "Das Klima und unser Wohlstand – Von Leugnungen und Lösungen" eröffnete Amardeo Sarma dabei die Vortragsreihe "Vom Reiz des Übersinnlichen", die Kortizes alljährlich in Kooperation mit dem Nürnberger Bildungszentrum und der GWUP-Regionalgruppe Mittelfranken veranstaltet – erstmals in diesem Jahr auch in Kooperation mit der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs). In der Reihe geht es sowohl um die Entkräftung esoterischer Behauptungen wie auch allgemeiner um die Förderung eines rationalen, wissenschaftsbasierten Umgangs mit der Welt.
Dazu gehört selbstverständlich auch, davor zu warnen, wenn bei der Analyse von Problemen zu stark vereinfacht wird, wie Sarma im Falle der Klimaproblematik anmahnt. Es sei wichtig, erklärte er, das Thema in seiner ganzen Komplexität wahrzunehmen und zu diskutieren. Denn die Industrialisierung habe ja nicht nur den Klimawandel verursacht, sondern gleichzeitig global für Positives wie steigende Lebenserwartung und sinkende Armut gesorgt und tue dies auch weiterhin. Wer für Klimaziele den Wohlstand bremsen oder gar zurückschrauben wolle, gefährde daher zugleich auch diese begrüßenswerten Trends.
Auch beim Umgang mit Klimawandelleugnung möchte Sarma für eine Verbreiterung des öffentlichen Bildes werben. So sei zu berücksichtigen, dass es Leugnungen wissenschaftlicher Erkenntnisse in vielen Gebieten gebe und diese allgemein nur begrenzt mit der Vermittlung von Fakten zu bekämpfen seien. Denn laut Forschung der letzten Jahre seien nicht mangelndes Wissen und fehlende Bildung die Hauptursachen von Klimawandelleugung, Evolutionsleugnung oder der Leugnung des Zusammenhangs von HIV und AIDS, sondern jeweilige Widersprüche zwischen den wissenschaftlichen Erkenntnissen und dem eigenen Weltbild. In Diskussionen müsse es also verstärkt auch um die Weltanschauung hinter den Überzeugungen gehen.
Die angekündigte Veröffentlichung der Vortragsfolien verzögert sich noch ein wenig. Sobald sie zur Verfügung stehen, finden Sie sie auf der Kortizes-Seite unter kortizes.de/multimedia/#folien.
Auch die zweiwöchentlich stattfindenden kommenden Veranstaltungen der Vortragsreihe "Vom Reiz des Übersinnlichen" werden online stattfinden.
Aufgeklärt wird dabei jeweils live und mit der Möglichkeit zur Diskussion:
- Über Corona-Verschwörungstheorien (am heutigen Dienstag, 12.05.2020, ein Gespräch zwischen Dr. Rainer Rosenzweig und Bernd Harder),
- Weltuntergangsängste bei einem Polsprung (am 26.05.2020 mit Lydia Baumann) und
- Pseudo-Archäologie á la Däniken (am 09.06.2020 mit Mirko Gutjahr).
4 Kommentare
Kommentare
David Z am Permanenter Link
"Ohne den global gewachsenen Wohlstand der letzten Jahrhunderte gäbe es keinen Klimawandel."
Wie bitte? Ich kann nur hoffen, dass es sich hier um einen Formulierungsfehler handelt. Wenn nicht, dann steht die Behauptung der zurecht kritisierten Ignoranz auf der anderen Seite in nichts nach.
Martin Mair am Permanenter Link
Was ist das für ein "Wohlstand" wenn fürs Wirtschaftswachstum die Lebenszeit von Produkten künstlich reduziert wird und das klumpert immer schneller kaputt geht damit wir neues kaufen und dafür noch mehr arb
Angepasste Technologie wurde schon vor über 40 Jahren von E. F. Schumacher thematisiert in "Small is beautiful" und "Es geht auch anders".
Oder Ivan Illich!
Ohne politischen Alzheimer gäbe es wirklichen Fortschritt, ohne Hamsterrad!
Thomas R. am Permanenter Link
"Warum wir daraus dennoch nicht folgern sollten, dass nur Wohlstandsverzicht das Problem lösen kann, erklärte Amardeo Sarma in einem von Kortizes organisierten Online-Vortrag am Dienstag, 28.
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Kein vernünftiger Mensch behauptet, daß uns NUR "Wohlstandsverzicht" aus den zahllosen Krisen der Gegenwart führen kann, aber natürlich muß schädliches Verhalten schnellstmöglich eingestellt, minimiert oder wenigstens kompensiert werden. So kann jeder Einzelne das in seiner Macht Stehende zur Lösung der vorliegenden Probleme beitragen. Jedenfalls ist es nicht verantwortbar, tatenlos (und wie lange eigentlich?) darauf zu warten, daß die Wissenschaft schon alles richten wird, denn immerhin haben wir unsere in vielerlei Hinsicht durchaus verzweifelte Situation ganz wesentlich der Selbstüberschätzung und ethischen Gleichgültigkeit eines Großteils ihrer Protagonisten zu verdanken. Eine SEHR kritische Beobachtung ihres Tuns wird weiterhin und sogar zunehmend überlebenswichtig sein.
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"Müssen wir auf den durch sie erreichten Wohlstand verzichten, um das Klima zu schützen?"
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Ja - zumindest einen Teil davon, denn: you can't eat the cake and have it, too.
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"Denn die Industrialisierung habe ja nicht nur den Klimawandel verursacht, sondern gleichzeitig global für Positives wie steigende Lebenserwartung und sinkende Armut gesorgt und tue dies auch weiterhin. Wer für Klimaziele den Wohlstand bremsen oder gar zurückschrauben wolle, gefährde daher zugleich auch diese begrüßenswerten Trends."
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Nicht zwangsläufig. Es kommt nämlich darauf an, welche Prioritäten man setzen kann, bzw. aus ethischen Gründen setzen MUSS.
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"Denn laut Forschung der letzten Jahre seien nicht mangelndes Wissen und fehlende Bildung die Hauptursachen von Klimawandelleugung, Evolutionsleugnung oder der Leugnung des Zusammenhangs von HIV und AIDS, sondern jeweilige Widersprüche zwischen den wissenschaftlichen Erkenntnissen und dem eigenen Weltbild."
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Solche Widersprüche kommen ja nur zustande, wenn das "eigene Weltbild" von wissenschaftlicher Ahnungslosigkeit geprägt ist. Wir haben es also DOCH mit einem Bildungsproblem zu tun.
M. Landau am Permanenter Link
>>Müssen wir auf den durch sie erreichten Wohlstand verzichten, um das Klima zu schützen?<<
Nein, müssen wir nicht.
Die "Verzichtskultur" mancher ist schon beinahe skurril. »Wir verzichten eine Woche auf das Smartphone und das Internet« da fühlen die sich gleich besser. Vielleicht versuchen die es in der Folgewoche mal ohne Strom, fließend Wasser und Kanalisation - »Back to the Plumsklo!«
Genug der Spinnerei... obwohl ich das so manchen Zeitgenossen durchaus zutraue.
Vor eine gefühlten Ewigkeit hat ein gewisser Hoimar von Ditfurth gemeint
https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/hoimar-von-ditfurth-querschnitt-1978-ueber-co2-und-klimawandel-100.html
Er hat uns zwar schon lange verlassen, vertritt sein Anliegen jedoch, auch aus heutiger Sicht, sehr gut selbst. Das hat mich damals unbedingt beeindruckt. Er brachte diese Idee mit den "Fabriken" die, in entsprechend sonnenreichen Regionen, Solarzellen herstellen, die dann wiederum Elektrizität liefern um Wasser per Elektrolyse aufzuspalten in Wasserstoff und Sauerstoff. Der Wasserstoff könnte dann statt Erdgas als Energieträger genutzt werden... Also alles längst bekannt.
Ende der 70er, Anfang der 80er brachte mich das in einen gewissen gedanklichen Konflikt mit den damaligen "Ökos", denn schon damals war (mir) klar: ökologische Technologien sind keine Spielwiese für Latzhosen, Gummistiefel und SDS-Schläger mit Minimalbildung und großer Klappe, sondern Hightech der Art, wie wir sie auch heute noch nicht haben, trotz Digitalisierung und über 40 Jahren seit dem.
Was auch immer da noch kommen mag, ein "Zurückdrehen" ist gar nicht möglich. Das würde schon an der einfachen Tatsache scheitern, dass heute viel mehr Menschen auf diesem Planeten leben als vor 40, 70 oder 100 Jahren. Es wird nur gehen, wenn wir uns derart weiterentwickeln, dass die VORHANDENEN Möglichkeiten ausgeschöpft werden und dann darauf aufgebaut wird - - Naaaa? Auch ich kann "Politsprech" ;-) Allerdings fallen mir dazu ein paar wirklich alte Sachen ein...
Energie. Es ist wirklich keine Neuigkeit, dass Windenergie umgewandelte Sonnenenergie ist. Statt sich in Debatten um die Abstände der Windräder zu Wohnhäusern zu verzetteln, mit unterschiedlichen Regelungen in jedem Bundesland und dem bayrischen Sonderweg mir achtfach und so, wäre es vielleicht ganz sinnvoll sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: zapfen wir doch die Sonne direkt an. Zentrale Energieversorgung kann in Zukunft nur eine sekundäre Rolle spielen, Dezentrale wäre bei Photovoltaik / Solarthermie beinahe ideal. Alles nichts Neues, alles machbar, die Technologie gibt es schon lange, sie ist, vor allem bei Neubau, durchaus einsetzbar und bezahlbar. Der Vorteil: es hält lange, denn nichts bewegt sich (Photovoltaik primär, bedingt Solarthermie). Erst die nachgeschalteten Systeme haben mechanischen und thermischen Verschleiß (Wärmepumpen usw.).
Aber solange Ewiggestrige die politische Richtung bestimmen, die nicht einmal ein Tempolimit auf der Autobahn auf die Reihe bekommen - Freie Fahrt für freie Raser - und an ihren alten Zöpfen festhalten, wird das nichts werden. Leider wird dieses Land mehrheitlich von C-DU/SU politisch dirigiert; das sind genau die rückwärts gerichteten Ewiggestrige, die von ihrer Zeit längst überholt worden sind, das waren sie vor fünfzig Jahren schon der Fall. Leider sitzen sie immer noch da und wurschteln weiter vor sich hin. Wer in aller Welt wählt die eigentlich noch?
Zwei Dinge werden uns weiterbringen, die eigentlich nur eine ist: Solartechnologie und die technische Umsetzung der Photosynthese (funktioniert per Sonnenenergie). Es ist eigentlich ganz einfach, denn die EINZIGE direkte und immer verfügbare Primärenergie ist die Sonne, jeden Tag. Und was machen wir Nachts? In einer SINNVOLL globalisierten Welt geht die Sonne nie unter. Ich habe nichts gegen Globalisierung, wenn sie denn zukunftsorientiert ist und nicht von neokonservativen und neo-liberalen Brutalkapitalisten "gestaltet" wird.