BERLIN. (hpd) Der ORF meldete gestern unter der Überschrift "Erzdiözese Wien: 150.000 Euro Defizit im Vorjahr", dass "die Erzdiözese Wien […] 2014 laut Kathpress ein Defizit von knapp 150.000 Euro hinnehmen [musste]." Allerdings hat die gleiche Erzdiözese im selben Zeitraum einen erheblichen Überschuss erwirtschaftet.
Mit der ORF-Meldung wurden offenbar lediglich Informationen der Katholischen Presseagentur KAP/Kathpress weiter verbreitet. Denn tatsächlich zeigt der ganze zwei Seiten starke "Rechenschaftsbericht" der Erzdiözese, dass diese 2014 einen Jahresüberschuss von 1.739.978,82 Euro erwirtschaftet hat.
Der Bilanzverlust kommt erst dadurch zustande, dass netto zusätzliche Rücklagen in Höhe von 1.887.770,01 Euro gebildet wurden. Dadurch kann die Erzdiözese rechnerisch einen Bilanzverlust ausweisen.
Rücklagen gehören aber zum Eigenkapital. Es handelt sich dabei lediglich um Mittel, die für bestimmte Zwecke (z.B. Neubauten oder Renovierungen, aber auch andere Zwecke) "vorgemerkt" werden. Dadurch entstehen aber (noch) keine Verpflichtungen gegenüber Dritten, daher gehören Rücklagen eben auch zum Eigenkapital.
Das ist etwa so, wie wenn man gedanklich 1.000 Euro für den Urlaub oder die nächste Kfz-Wartung zurücklegt. Dadurch wird man auch nicht ärmer.
Die Bildung von Rücklagen zeichnet in der Regel gerade Diözesen aus, denen es finanziell gut geht – denn die Rücklagenbildung muss man sich erst einmal leisten können!
Da der "Rechenschaftsbericht" keine Details dazu nennt, um was für Rücklagen es sich handelt, lässt sich auch nichts darüber sagen, wie "notwendig" die Bildung dieser Rücklagen war.
2 Kommentare
Kommentare
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Naja... das Ganze ist alles andere als aussagekräftig, in der Tat. Nach welchen "Bilanz"grundsätzen hier gearbeitet wird oder ob es sich um freies Künstlertum handelt, kann man nur mutmaßen.
Interessant ist aber, dass aus dem "laufenden Betrieb" (Aufwendungen und Erlöse aus dem Kerngeschäft) ein Verlust von 1,465 Mio. erwirtschaftet wurde. Noch interessanter ist, dass dem ganz offensichtlich Kapitaleinkünfte ("Finanzerfolg") von rd. 3,3 Mio. gegengerechnet werden. Hieraus ergibt sich dann der im Artikel genannte Jahresüberschuss von 1,739 Mio.
All das kann man glauben oder auch nicht. Dies ließe sogar die Deutung zu, die Diözese sei schon so "notleidend", dass der laufende Betrieb nicht mehr aus laufenden Einnahmen, sondern nur unter Einsatz von Kapitalerträgen gesichert werden kann.
Einer betriebs- oder finanzwirtschaftlichen Analyse ist dieses schöne Zahlenwerk nicht zugänglich. Vor allem auch deshalb, weil gar keine Bilanz vorhanden ist. Was bedeutet, dass hier nur der Blick auf die Geldflüsse des abgerechneten Jahres gelenkt wird und nicht auf die Aktiva (Anlagevermögen der Diözese) und deren Finanzierung (Passiva; Eigenkapital oder Fremdmittel).
Es sei auch noch die Frage erlaubt, warum die Rücklagenzuführung so hoch ausfallen muss, dass nun auch gleich ein Jahresfehlbetrag entsteht... Das sollte mal ein handelsrechtlich zu führendes Unternehmen machen. Da freut sich der Betriebsprüfer.
Nun hab ich doch so viel geschrieben, dabei wollte ich nur sagen, dass die Publikation der Wiener Diözese das Hochglanzpapier nicht wert ist, auf dem sie veröffentlicht wurde...
Wolfgang am Permanenter Link
Im Verdrehung von Tatsachen hat doch die RKK 2000 Jahre Erfahrung. Da kommt es doch auf ein bisschen Bilanzfälschung nicht mehr an. Nur wer`s glaubt, wird selig! Ich glaube nichts bin aber selig!